„Glücklich ist der Mensch, dessen Stärke in dir ist, in dessen Herz gebahnte Wege sind! Sie gehen durch das Tränental und machen es zu einem Quellort. Ja, mit Segnungen bedeckt es der Frühregen. Sie gehen von Kraft zu Kraft. Sie erscheinen vor Gott in Zion“ (Psalm 84,6-8).
In diesem recht bekannten Psalm findet man mehrere Elemente aus dem religiösen Leben Israels. Wir dürfen uns erinnern, dass Israel einen zentralen Ort der Anbetung hatte, erst die Stiftshütte und später der Tempel in Jerusalem. Gemäß dem Gesetz des Mose mussten Israeliten dreimal im Jahr nach Jerusalem pilgern, um dort an den drei wichtigsten jährlichen Festen, Pessach, Schawuot (auch Wochenfest genannt, das jüdische Erntedankfest) und Sukkot (Laubhüttenfest) teilzunehmen. Im jüdischen Verständnis war Gottes unmittelbare Gegenwart (Shekinah) im Allerheiligsten und der normale Israelit konnte maximal bis in den Vorhof kommen, um Gott nah zu sein. In vielen Psalmen werden diese Dinge direkt oder indirekt erwähnt. So gelten die 15 Psalmen 120 - 134 als die sogenannten Stufenpsalmen, die von entweder den Israeliten oder den Leviten während der Annäherung an den Tempel gesungen wurden. Es scheint auch so zu sein, dass es im Bereich des Tempels 15 Stufen gab und dass die Pilger und / oder Leviten auf jeder Stufe einer dieser 15 Psalmen sangen.
Für viele Israeliten bedeutete der Weg nach Jerusalem eine längere, oft tagelange Reise, die unter anderem auch durch Wüsten führen konnte. Einige Ausleger sehen in den Begriff „Jammertal“ einen Hinweis auf diese Pilgerreisen. Man brauchte also eine große Motivation und das nötige Durch-haltevermögen wenn man „vor Gott in Zion“, das ist Jesusalem bzw. der Tempel, erscheinen woll-te.
Für uns Christen hat sich im Vergleich zum alten Israel vieles zum besseren verändert. Wir brauchen nicht mehr zu pilgern, wir brauchen auch keinen physischen Tempel um Gott nah zu sein und leben unseren Glauben nicht auf der Grundlage von Gesetzen und Regeln. Diese neue Freiheit darf allerdings nicht falsch verstanden werden. In unseren Kreisen wird ja zurecht und häufig betont, dass wir eine Beziehung zu Gott haben und nicht mehr rein religiös handelnde Menschen sind. Da-bei wird oft vergessen, dass eben auch eine Beziehung gewisse Regeln und Disziplinen braucht, um optimal zu funktionieren. Eine Herausforderung für alle Gläubigen an Jesus ist heute, Gesetzlichkeit auf der einen Seite zu vermeiden und dabei nicht auf der anderen Seite der Disziplinlosigkeit herunter zu fallen.