Die als Anklage getarnte Frage, warum Gott Leid zulässt, geht von verschiedenen, aus meiner Sicht, falschen Annahmen aus. Erstens suggeriert sie, dass Gott selbst gar nichts fühlt und dass ihn men-schliches Leid auf der einen Seite nicht interessiert und es auf der anderen Seite nicht nachempfin-den kann. Gott als gefühlloses, kaltes Wesen oder Etwas zu sehen, kann man aus zwei Gründen nicht aufrechterhalten:
❤️ Die Bibel offenbart die Gefühle Gottes mehr als deutlich, und zwar sowohl die positiven, als auch die negativen. Eine der beeindruckendsten Bibelstellen ist in diesem Zusammenhang 1. Mose 6,6: „Und es reute den HERRN, daß er den Menschen auf der Erde gemacht hatte, und es be-kümmerte ihn in sein Herz hinein“ (Elberfelder 2006). Die Elberfelder von 1905 übersetzte: „es schmerzte ihn in sein Herz hinein.“
Der Satz „es bekümmerte ihn in sein Herz hinein“ sagt viel über Gott aus. Er hat ein Herz, mit wel-chem er Schmerz verspürt. „Bekümmern“ ist im hebräischen das Wort für „schnitzen“, also ein Schnitt ins Fleisch, der definitiv weh tut. Unser Gott empfindet also „Herzschmerz“. Wenn wir in 1. Mose 6 mal nachlesen, was Gott da so weh tat, finden wir folgendes: „Und der HERR sah, dass die Bosheit des Menschen auf der Erde groß war und alles Sinnen der Gedanken seines Herzens nur bö-se den ganzen Tag“ (1. Mose 6,5). Gott bereute es, den Menschen gemacht zu haben, denn dieser startete seine Existenz mit dem Qualitätsmerkmal: „Sehr gut!“ „Und Gott sah alles, was er gemacht hatte, und siehe, es war sehr gut“ (1. Mose 1,31). Der Sündenfall, der ursprünglich nur darin bestand, dass Adam & Eva von der verbotenen Frucht des Baumes der Erkenntnis von Gut und Böse gegessen hatten, hatte zur Zeit der Sintflut seine volle Entfaltung erreicht. Was mit einer bösen Tat begann, endete hier mit einer von Sünde vollkommen durchdrungenen Menschheit, die 24 Stunden am Tag nur noch Böses im Herzen und im Sinn hatte. Sünde fängt fast immer klein an, aber wenn man ihr nicht wehrt, wird sie einen vollkommen zerstören. „Fangt uns die Füchse, die kleinen Füch-
se, die die Weinberge verderben!“ (Hohelied 2,15).
Gottes Herz wird verletzt, wenn Menschen genau das tun, wozu sie nie geschaffen wurden - die Sünde, den Egoismus, den Eigensinn und das Bestreben der Unabhängigkeit von Gott. Aber nicht nur dieser Aspekt tut ihm weh, sondern auch die Tatsache, dass der Mensch die negativen Konsequenzen erleben muss, die seine Sünde mit sich bringen wird. Alles Leid der Welt, alle Krankheit, alle Gewalt, alle Ungerechtigkeit und letztendlich auch der physische Tod gehen, wie schon erwähnt, auf den Sündenfall zurück.
Als Jesus sich dem Saulus von Tarsus auf dem Weg nach Damaskus offenbart, sagt er u.a.: „Warum verfolgst Du mich?“ Diese Aussage beinhaltet den Aspekt, dass Jesus die schmerzliche Verfolgung seiner Nachfolger, obwohl er im Himmel war, sehr genau wahrnahm und vermutlich ihren Schmerz
auch spürte. Es macht Sinn, dass das Haupt den Schmerz des Leibes fühlt.
Bei meiner Recherche zur Frage nach den Gefühlen Gottes habe ich, neben dem bereits erwähnten Kummer und Schmerz, folgende weiteren vermeintlich „negativen“ Gefühle in der Bibel entdeckt, sowohl beim Vater, als auch bei seinem Sohn: Zorn / Reue / Eifersucht / genervt sein (Ermüdung) / Reizbarkeit / Kränkung / Abscheu / Hass. Die „negativen“ Gefühle Gottes sind allerdings, im Unterschied zu den menschlichen, immer vollkommen heilig und gerecht.