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Gnade mit euch und Friede von Gott, dem Vater, und von Jesus Christus, unserem Herrn!
Predigten wie diese sollte man immer am Strand schreiben. Ich liege bequem im Liegestuhl und schaue in die Ferne. Weil ich an der Nordsee liege und nicht am Mittelmeer, lässt sich die Hitze gut aushalten. Das sanfte Rauschen der Wellen ist die Hintergrundmusik. Alle Sorgen des Alltags sind so weit weg wie der Horizont über dem unendlichen Blau. Möwen kreischen, Kinder lachen, der Sand ist warm, aber nicht zu heiß. Es ist Urlaub. Entspannung pur. Schon diese Szene – sie ist eine kleine Predigt über Gelassenheit. Ohne Worte. Nur da sein. Nur atmen. Nur sein dürfen.
Leider kann ich euch nicht mitnehmen in meinen Liegestuhl. Der ist auch längst wieder zugeklappt. Aber vielleicht klappt es ja auch heute hier mit der Entspannung und dann zu Hause mit der Gelassenheit. Eine "Rückenschule" hatten wir ja angekündigt. Also steht doch bitte mal auf, wenn ihr könnt.
Stellt euch locker hin. Die Füße etwa hüftbreit auseinander.
Die Arme hängen locker. Der Blick ist entspannt.
Jetzt spannen wir einmal bewusst den Körper an.
Die Hände zu Fäusten. Die Schultern hochziehen.
Das Gesicht anspannen. Alles ganz fest machen –
so, wie sich das manchmal anfühlt, wenn Sorgen da sind.
Und jetzt – beim Ausatmen – lassen wir alles los.
Hände öffnen. Schultern fallen lassen. Gesicht entspannen.
Noch einmal: Einatmen – anspannen. Alles fest.
Kurz halten.
Und beim Ausatmen: loslassen. Locker lassen.
Einfach so.
Ein drittes Mal, in eurem eigenen Atemrhythmus.
Anspannen. Halten. Loslassen.
Und jetzt einfach ruhig stehen bleiben.
Spüren, wie sich das anfühlt.
Gelassen. Wach. Offen.
Danke – ihr dürft euch wieder setzen.
Seid ihr entspannt? Bleibt ihr gelassen? Dann kommt jetzt ein Jesustext für euch. Teil der Guten Nachricht, wie sie Matthäus aufgeschrieben hat. Aus dem Text, den wir die "Bergpredigt" nennen. Aus dem 6. Kapitel von Matthäus' Buch.
Seid ihr entspannt? Bleibt ihr gelassen?
Bei Jesus klingt das alles ganz einfach. Und wenn man im Liegestuhl am Strand liegt und diese Worte hört, mit ruhiger Stimme gesprochen, während die Augen in die blaue Weite schweifen, auch.
Doch jetzt ist der Sonnenschirm zu und der Liegestuhl eingeklappt. Vom Urlaub zeugen nur noch die Wäscheberge und der Sand in Schuhen und Reisetaschen. Das Haus ist heiß, der Schlaf zu kurz und der fern geglaubte Alltag war schneller wieder da, als du die Haustür öffnen konntest. Auf dem Tisch stapelt sich die Post, die bearbeitet werden will. Es sind nicht weniger Rechnungen als vor dem Urlaub. Der Kühlschrank ist leer. Die Schulferien sind zwar noch lang, aber das Kind braucht dringend neue Schuhe. Der Pflegedienst hat angerufen. Ein Gespräch beim Arbeitgeber steht an. Der Zahnarzttermin ist überfällig. Die Pflege der Eltern oder der nächste Arztbesuch drängen sich ins Bewusstsein. Oder du weißt einfach nicht, wie du in diesem Herbst alles schaffen sollst – emotional, organisatorisch oder finanziell.
Für die, die noch zur Schule gehen oder studieren, sieht es auch nicht viel besser aus: Die Ferien sind zwar schön, aber im Hinterkopf lauern schon die nächsten Prüfungen, Hausarbeiten oder Nachprüfungen. Vielleicht musst du für einen Nebenjob früh aufstehen, während andere ausschlafen. Vielleicht weißt du noch gar nicht genau, wie es nach dem Abschluss weitergehen soll – Ausbildung, Studium, irgendwas mit Sinn, aber auch mit Sicherheit? Vielleicht fühlst du dich überfordert, weil alle anderen so zielstrebig wirken – und du einfach nur müde bist. Gelassenheit klingt da eher nach Ausrede als nach Lösung.
Und auch im Ruhestand ist nicht alles ruhig. Vielleicht macht dir dein Körper zu schaffen – das Herz, die Gelenke, der Schlaf. Vielleicht hast du Arzttermine, die dich mehr beschäftigen, als du zugeben willst. Vielleicht vermisst du Menschen, die nicht mehr da sind. Oder du fühlst dich allein, weil sich der Alltag verändert hat: Die Kinder haben ihr eigenes Leben, das Haus ist stiller geworden, und manches geht einfach nicht mehr so wie früher. Auch das kann Sorgen machen – leise, aber anhaltend.
Seid ihr noch locker? Alles entspannt? Bleibt ihr gelassen?
So unterschiedlich unser Leben auch ist –ob im vollen Beruf, im Studium, in der Schule oder im Ruhestand – die Sorgen kennen wir alle. Sie sind treue Begleiter. Manchmal laut, manchmal leise.
Sie wandern in den Körper. Sie setzen sich fest – in den Schultern, im Nacken, im Rücken. Der Kiefer ist angespannt, die Stirn gerunzelt. Der Atem wird flach, der Blick eng. Manchmal merkst du gar nicht, wie sehr du dich verspannst – bis du plötzlich Kopfschmerzen bekommst. Oder Rückenschmerzen. Oder Herzklopfen. Sorge ist wie ein unsichtbarer Rucksack, den du immer mit dir herumträgst. Manchmal leicht, manchmal bleischwer. Weil du ihn auch nachts trägst, schläfst du schlecht und wachst schon auf, als wärst du gerade einen Marathon gelaufen.
Locker? Entspannt? Gelassen?
"Macht euch keine Sorgen!", sagt Jesus.
"Schaut die Vögel an." Ich denke an die Möwen vom belgischen Badestrand. Die bekommen wahrlich genug zu fressen--sogar belgische Pommes (die einzig wahren!) und Waffeln, mit Vanilleeis. Jeden Tag sind da neue Tourist:innen, die hertragen und dalassen, was die Möwen sich dann schmecken lassen. Dann ziehen sie ihre Runden im endlosen Blau des Strandhimmels. So lässt das Leben sich aushalten. Von Sorgen keine Spur.
"Macht euch keine Sorgen! Schaut die Vögel an", sagt Jesus, "und die Blumen."
Ich denke an die Blumen in den Dünen--Dünenrosen, Strand-Wolfsmilch und Strand-Tausengüldenkraut. Sie wachsen nicht auf fettem Boden. Der Wind pfeift ihnen um die Blüten, der Sand kratzt an ihren Blättern, manche liegen schief, vom Wetter gebogen. Und doch leuchten sie, zartrosa, gelb und blauviolett. Sie ducken sich nicht, sie jammern nicht. Sie blühen einfach – leicht und stolz, sorglos in der Sonne. Als wollten sie sagen: „Heute bin ich da. Und das reicht.“ Gelassenheit pur.
Ach, wenn ich eine Möwe wäre, die dem Alltag davonfliegen kann. Oder ein europäischer Meersenf, der selbst in krassen Herausforderungen stolz überlebt.
Mein Endgegner ist die Amygdala. Der etwa Mandelkern-grosse Teil meines Gehirns ist so etwas wie mein inneres Frühwarnsystem. Sie schlägt Alarm, wenn Gefahr droht--in nur 30 Millisekunden. Sie aktiviert Reflexe: Kämpfen oder fliehen – fight or flight. Das war früher sicher hilfreich, wenn der Säbelzahntiger kam. Heute reagiert mein Körper genauso – wenn eine Mail reinkommt, die Sorgen macht. Oder wenn ein Streit bevorsteht. Oder eine Diagnose: Die Muskeln spannen sich an, der Puls geht hoch, der Kopf kreist. Sorge ist Stress. Sorge ist Alarm.
"Macht euch keine Sorgen.", sagt Jesus.
Ob der keine Amygdala hat?
"Macht euch keine Sorgen!", sagt Jesus. "Die Menschen, die Gott nicht kennen, machen sich Sorgen um das alles."
Könnte das für Christ:innen also anders sein?
"Sucht zuerst das Reich Gottes. Tut das, was Gott richtig findet. Dann wird Gott euch alles schenken, was ihr zum Leben braucht."
Entspannung kann man tatsächlich üben. Gelassenheit kann man lernen. Die blitzschnelle Bewertung einer Situation und das, was sie mit mir macht, in Kopf und Körper, sieht ganz anders aus, wenn sich das Bild erweitert. Wenn nicht nur ein Problem zu sehen ist.
"Sucht zuerst das Reich Gottes.", sagt Jesus.
Was suche ich denn da?
Das Reich Gottes ist Gottes neue Welt. Eine Welt voller Leben, Gerechtigkeit und Freude. Eine Welt ohne Angst, ohne Leid und ohne Tod. Eine Umgebung, noch schöner als der Strand im Urlaub. Ruhe, Gelassenheit. Frieden. "Schalom", heißt das auf Hebräisch dann. Das kann man gar nicht mit nur einem Wort übersetzen. Völliges Wohlergehen aus der Geborgenheit bei Gott heraus.
Das Reich Gottes ist Gottes neue Welt. Das "Suchen danach" lenkt den Blick darauf, dass das jetzt nicht nur Jenseits-Vertröstung ist. "Klar geht es euch hier schlecht, aber am Ende wird alles gut." Oder so.
Das Reich Gottes ist Gottes neue Welt. Diese Welt beginnt mit Jesus. Und sie kommt ganz, wenn Gott alles neu macht. Wer an Jesus glaubt, gehört schon heute dazu. Wir leben in dieser Welt – mitten im Alten – mit Hoffnung, mit Mut und mit Vertrauen. Auch wenn Gottes Reich noch nicht komplett da ist, hat es mit Jesus bereits angefangen. Seine Auferstehung an Ostern war der Beginn eines neuen Zeitalters. Alles wird anders.
"Sucht zuerst das Reich Gottes.", sagt Jesus. Das Reich Gottes ist die Zukunft, die Gott verheißt – und die mit Jesus schon begonnen hat.
Ob ich es wohl finden kann?
Mit Jesus mache ich mich auf die Suche. Nicht am Strand, auf dem Liegestuhl, unter blauem Himmel, sondern hier. In meinem Alltag. Und du in deinem. Kannst du entdecken, dass Gott bei dir ist?
Du kannst es entdecken, wenn du jemandem begegnest, der zuhört, ohne zu urteilen. Wenn du selbst einmal nicht genervt reagierst, sondern freundlich bleibst – obwohl du müde bist. Wenn du einem Menschen hilfst, obwohl du selbst viel um die Ohren hast. Wenn du einen Moment innehältst, bevor du weitermachst – und merkst: Ich bin da. Gott ist da. Das ist genug.
Gottes Reich zeigt sich in Gesprächen, in Blicken, in Gesten. In Menschen, die sich versöhnen. In Nachbar:innen, die sich helfen. In Gemeinden, die nicht nur Gottesdienste feiern, sondern füreinander da sind. In Pflegekräften, die einen Menschen berühren, als wäre es Jesus selbst. In Eltern, die ihre Kinder segnen, obwohl sie sich gerade nur nach Ruhe sehnen. In Schüler:innen, die füreinander da sind. In Rentner:innen, die Zeit und Weisheit teilen.
Gottes Reich leuchtet auf – immer dann, wenn Liebe stärker ist als Angst. Immer dann, wenn Vertrauen wächst, wo vorher nur Sorgen waren. Immer dann, wenn du spürst: Ich bin nicht allein.
Gottes Reich kannst du auch hier spüren, heute morgen--und immer wieder neu, in der Kirche. In Liedern und Gebeten, die dir Hoffnung zusprechen. Im Segen, der dich begleiten wird. Im Abendmahl lädt Gott dich ein, sich an seinem Leben zu stärken. "Ich bin immer bei dir." Das ist es, was er dir verspricht.
"Macht euch keine Sorgen!", sagt Jesus. "Die Menschen, die Gott nicht kennen, machen sich Sorgen um das alles. Aber Gott, euer Vater im Himmel, weiß genau, was ihr braucht."
Ich merke es in meinem Körper. Mein Puls wird langsamer. Meine Schultern sinken ein Stück tiefer. Meine Stirn glättet sich. Mein Atem wird ruhiger, tiefer. Meine Gedanken hören auf, im Kreis zu rennen. Die Welt ist nicht perfekt – aber ich bin da. Und das reicht. Mein Herz schlägt nicht mehr im Alarmtakt. Meine Hände sind offen, nicht verkrampft. Mein Blick wird weiter. Mein Kiefer ist locker. Meine Zunge liegt ruhig im Mund. Ich muss nichts festhalten, nichts bekämpfen, nichts beweisen.
Gelassenheit ist: Gott meint es gut mit mir. Ich darf leben – heute. Und das ist genug.
Seit vielen Jahren beten Menschen dazu ein Gebet. Reinhard Niebuhr hat es in den frühen 1940er-Jahren verfasst:
„Gott, gib mir die Gelassenheit, Dinge hinzunehmen, die ich nicht ändern kann. Den Mut, Dinge zu ändern, die ich ändern kann. Und die Weisheit, das eine vom anderen zu unterscheiden.“
Ich mag das Gelassenheitsgebet. Es ist klug. Und manchmal tut es einfach gut. Aber ich glaube: Jesus will mehr. Nicht nur hinnehmen – sondern hoffen. Nicht nur unterscheiden – sondern verändern. Die Vögel, die Blumen, das Reich Gottes: Das ist keine Anleitung zum Stillhalten. Das ist eine Einladung zum Vertrauen – und zum Handeln.
Gelassenheit ist nicht, die Augen zu schließen und sich den Liegestuhl einzubilden, das Meeresrauschen und das Kreischen der Möwen. Gelassenheit macht die Augen auf. Da gibt es viel zu entdecken. Gottes neue Welt schon jetzt zu sehen. Hier, bei mir. Ich muss nur hinschauen. Dann entdecke ich den, der mir aus seiner Zukunft entgegenkommt.
Hoffnung kann unglaublich gelassen machen.
Der Gott der Hoffnung aber erfülle euch mit aller Freude und Frieden im Glauben, dass ihr immer reicher werdet an Hoffnung durch die Kraft des Heiligen Geistes. (Römer 15,13)Das ist die beste Entspannungsübung.
Amen.
By Christoph FischerGnade mit euch und Friede von Gott, dem Vater, und von Jesus Christus, unserem Herrn!
Predigten wie diese sollte man immer am Strand schreiben. Ich liege bequem im Liegestuhl und schaue in die Ferne. Weil ich an der Nordsee liege und nicht am Mittelmeer, lässt sich die Hitze gut aushalten. Das sanfte Rauschen der Wellen ist die Hintergrundmusik. Alle Sorgen des Alltags sind so weit weg wie der Horizont über dem unendlichen Blau. Möwen kreischen, Kinder lachen, der Sand ist warm, aber nicht zu heiß. Es ist Urlaub. Entspannung pur. Schon diese Szene – sie ist eine kleine Predigt über Gelassenheit. Ohne Worte. Nur da sein. Nur atmen. Nur sein dürfen.
Leider kann ich euch nicht mitnehmen in meinen Liegestuhl. Der ist auch längst wieder zugeklappt. Aber vielleicht klappt es ja auch heute hier mit der Entspannung und dann zu Hause mit der Gelassenheit. Eine "Rückenschule" hatten wir ja angekündigt. Also steht doch bitte mal auf, wenn ihr könnt.
Stellt euch locker hin. Die Füße etwa hüftbreit auseinander.
Die Arme hängen locker. Der Blick ist entspannt.
Jetzt spannen wir einmal bewusst den Körper an.
Die Hände zu Fäusten. Die Schultern hochziehen.
Das Gesicht anspannen. Alles ganz fest machen –
so, wie sich das manchmal anfühlt, wenn Sorgen da sind.
Und jetzt – beim Ausatmen – lassen wir alles los.
Hände öffnen. Schultern fallen lassen. Gesicht entspannen.
Noch einmal: Einatmen – anspannen. Alles fest.
Kurz halten.
Und beim Ausatmen: loslassen. Locker lassen.
Einfach so.
Ein drittes Mal, in eurem eigenen Atemrhythmus.
Anspannen. Halten. Loslassen.
Und jetzt einfach ruhig stehen bleiben.
Spüren, wie sich das anfühlt.
Gelassen. Wach. Offen.
Danke – ihr dürft euch wieder setzen.
Seid ihr entspannt? Bleibt ihr gelassen? Dann kommt jetzt ein Jesustext für euch. Teil der Guten Nachricht, wie sie Matthäus aufgeschrieben hat. Aus dem Text, den wir die "Bergpredigt" nennen. Aus dem 6. Kapitel von Matthäus' Buch.
Seid ihr entspannt? Bleibt ihr gelassen?
Bei Jesus klingt das alles ganz einfach. Und wenn man im Liegestuhl am Strand liegt und diese Worte hört, mit ruhiger Stimme gesprochen, während die Augen in die blaue Weite schweifen, auch.
Doch jetzt ist der Sonnenschirm zu und der Liegestuhl eingeklappt. Vom Urlaub zeugen nur noch die Wäscheberge und der Sand in Schuhen und Reisetaschen. Das Haus ist heiß, der Schlaf zu kurz und der fern geglaubte Alltag war schneller wieder da, als du die Haustür öffnen konntest. Auf dem Tisch stapelt sich die Post, die bearbeitet werden will. Es sind nicht weniger Rechnungen als vor dem Urlaub. Der Kühlschrank ist leer. Die Schulferien sind zwar noch lang, aber das Kind braucht dringend neue Schuhe. Der Pflegedienst hat angerufen. Ein Gespräch beim Arbeitgeber steht an. Der Zahnarzttermin ist überfällig. Die Pflege der Eltern oder der nächste Arztbesuch drängen sich ins Bewusstsein. Oder du weißt einfach nicht, wie du in diesem Herbst alles schaffen sollst – emotional, organisatorisch oder finanziell.
Für die, die noch zur Schule gehen oder studieren, sieht es auch nicht viel besser aus: Die Ferien sind zwar schön, aber im Hinterkopf lauern schon die nächsten Prüfungen, Hausarbeiten oder Nachprüfungen. Vielleicht musst du für einen Nebenjob früh aufstehen, während andere ausschlafen. Vielleicht weißt du noch gar nicht genau, wie es nach dem Abschluss weitergehen soll – Ausbildung, Studium, irgendwas mit Sinn, aber auch mit Sicherheit? Vielleicht fühlst du dich überfordert, weil alle anderen so zielstrebig wirken – und du einfach nur müde bist. Gelassenheit klingt da eher nach Ausrede als nach Lösung.
Und auch im Ruhestand ist nicht alles ruhig. Vielleicht macht dir dein Körper zu schaffen – das Herz, die Gelenke, der Schlaf. Vielleicht hast du Arzttermine, die dich mehr beschäftigen, als du zugeben willst. Vielleicht vermisst du Menschen, die nicht mehr da sind. Oder du fühlst dich allein, weil sich der Alltag verändert hat: Die Kinder haben ihr eigenes Leben, das Haus ist stiller geworden, und manches geht einfach nicht mehr so wie früher. Auch das kann Sorgen machen – leise, aber anhaltend.
Seid ihr noch locker? Alles entspannt? Bleibt ihr gelassen?
So unterschiedlich unser Leben auch ist –ob im vollen Beruf, im Studium, in der Schule oder im Ruhestand – die Sorgen kennen wir alle. Sie sind treue Begleiter. Manchmal laut, manchmal leise.
Sie wandern in den Körper. Sie setzen sich fest – in den Schultern, im Nacken, im Rücken. Der Kiefer ist angespannt, die Stirn gerunzelt. Der Atem wird flach, der Blick eng. Manchmal merkst du gar nicht, wie sehr du dich verspannst – bis du plötzlich Kopfschmerzen bekommst. Oder Rückenschmerzen. Oder Herzklopfen. Sorge ist wie ein unsichtbarer Rucksack, den du immer mit dir herumträgst. Manchmal leicht, manchmal bleischwer. Weil du ihn auch nachts trägst, schläfst du schlecht und wachst schon auf, als wärst du gerade einen Marathon gelaufen.
Locker? Entspannt? Gelassen?
"Macht euch keine Sorgen!", sagt Jesus.
"Schaut die Vögel an." Ich denke an die Möwen vom belgischen Badestrand. Die bekommen wahrlich genug zu fressen--sogar belgische Pommes (die einzig wahren!) und Waffeln, mit Vanilleeis. Jeden Tag sind da neue Tourist:innen, die hertragen und dalassen, was die Möwen sich dann schmecken lassen. Dann ziehen sie ihre Runden im endlosen Blau des Strandhimmels. So lässt das Leben sich aushalten. Von Sorgen keine Spur.
"Macht euch keine Sorgen! Schaut die Vögel an", sagt Jesus, "und die Blumen."
Ich denke an die Blumen in den Dünen--Dünenrosen, Strand-Wolfsmilch und Strand-Tausengüldenkraut. Sie wachsen nicht auf fettem Boden. Der Wind pfeift ihnen um die Blüten, der Sand kratzt an ihren Blättern, manche liegen schief, vom Wetter gebogen. Und doch leuchten sie, zartrosa, gelb und blauviolett. Sie ducken sich nicht, sie jammern nicht. Sie blühen einfach – leicht und stolz, sorglos in der Sonne. Als wollten sie sagen: „Heute bin ich da. Und das reicht.“ Gelassenheit pur.
Ach, wenn ich eine Möwe wäre, die dem Alltag davonfliegen kann. Oder ein europäischer Meersenf, der selbst in krassen Herausforderungen stolz überlebt.
Mein Endgegner ist die Amygdala. Der etwa Mandelkern-grosse Teil meines Gehirns ist so etwas wie mein inneres Frühwarnsystem. Sie schlägt Alarm, wenn Gefahr droht--in nur 30 Millisekunden. Sie aktiviert Reflexe: Kämpfen oder fliehen – fight or flight. Das war früher sicher hilfreich, wenn der Säbelzahntiger kam. Heute reagiert mein Körper genauso – wenn eine Mail reinkommt, die Sorgen macht. Oder wenn ein Streit bevorsteht. Oder eine Diagnose: Die Muskeln spannen sich an, der Puls geht hoch, der Kopf kreist. Sorge ist Stress. Sorge ist Alarm.
"Macht euch keine Sorgen.", sagt Jesus.
Ob der keine Amygdala hat?
"Macht euch keine Sorgen!", sagt Jesus. "Die Menschen, die Gott nicht kennen, machen sich Sorgen um das alles."
Könnte das für Christ:innen also anders sein?
"Sucht zuerst das Reich Gottes. Tut das, was Gott richtig findet. Dann wird Gott euch alles schenken, was ihr zum Leben braucht."
Entspannung kann man tatsächlich üben. Gelassenheit kann man lernen. Die blitzschnelle Bewertung einer Situation und das, was sie mit mir macht, in Kopf und Körper, sieht ganz anders aus, wenn sich das Bild erweitert. Wenn nicht nur ein Problem zu sehen ist.
"Sucht zuerst das Reich Gottes.", sagt Jesus.
Was suche ich denn da?
Das Reich Gottes ist Gottes neue Welt. Eine Welt voller Leben, Gerechtigkeit und Freude. Eine Welt ohne Angst, ohne Leid und ohne Tod. Eine Umgebung, noch schöner als der Strand im Urlaub. Ruhe, Gelassenheit. Frieden. "Schalom", heißt das auf Hebräisch dann. Das kann man gar nicht mit nur einem Wort übersetzen. Völliges Wohlergehen aus der Geborgenheit bei Gott heraus.
Das Reich Gottes ist Gottes neue Welt. Das "Suchen danach" lenkt den Blick darauf, dass das jetzt nicht nur Jenseits-Vertröstung ist. "Klar geht es euch hier schlecht, aber am Ende wird alles gut." Oder so.
Das Reich Gottes ist Gottes neue Welt. Diese Welt beginnt mit Jesus. Und sie kommt ganz, wenn Gott alles neu macht. Wer an Jesus glaubt, gehört schon heute dazu. Wir leben in dieser Welt – mitten im Alten – mit Hoffnung, mit Mut und mit Vertrauen. Auch wenn Gottes Reich noch nicht komplett da ist, hat es mit Jesus bereits angefangen. Seine Auferstehung an Ostern war der Beginn eines neuen Zeitalters. Alles wird anders.
"Sucht zuerst das Reich Gottes.", sagt Jesus. Das Reich Gottes ist die Zukunft, die Gott verheißt – und die mit Jesus schon begonnen hat.
Ob ich es wohl finden kann?
Mit Jesus mache ich mich auf die Suche. Nicht am Strand, auf dem Liegestuhl, unter blauem Himmel, sondern hier. In meinem Alltag. Und du in deinem. Kannst du entdecken, dass Gott bei dir ist?
Du kannst es entdecken, wenn du jemandem begegnest, der zuhört, ohne zu urteilen. Wenn du selbst einmal nicht genervt reagierst, sondern freundlich bleibst – obwohl du müde bist. Wenn du einem Menschen hilfst, obwohl du selbst viel um die Ohren hast. Wenn du einen Moment innehältst, bevor du weitermachst – und merkst: Ich bin da. Gott ist da. Das ist genug.
Gottes Reich zeigt sich in Gesprächen, in Blicken, in Gesten. In Menschen, die sich versöhnen. In Nachbar:innen, die sich helfen. In Gemeinden, die nicht nur Gottesdienste feiern, sondern füreinander da sind. In Pflegekräften, die einen Menschen berühren, als wäre es Jesus selbst. In Eltern, die ihre Kinder segnen, obwohl sie sich gerade nur nach Ruhe sehnen. In Schüler:innen, die füreinander da sind. In Rentner:innen, die Zeit und Weisheit teilen.
Gottes Reich leuchtet auf – immer dann, wenn Liebe stärker ist als Angst. Immer dann, wenn Vertrauen wächst, wo vorher nur Sorgen waren. Immer dann, wenn du spürst: Ich bin nicht allein.
Gottes Reich kannst du auch hier spüren, heute morgen--und immer wieder neu, in der Kirche. In Liedern und Gebeten, die dir Hoffnung zusprechen. Im Segen, der dich begleiten wird. Im Abendmahl lädt Gott dich ein, sich an seinem Leben zu stärken. "Ich bin immer bei dir." Das ist es, was er dir verspricht.
"Macht euch keine Sorgen!", sagt Jesus. "Die Menschen, die Gott nicht kennen, machen sich Sorgen um das alles. Aber Gott, euer Vater im Himmel, weiß genau, was ihr braucht."
Ich merke es in meinem Körper. Mein Puls wird langsamer. Meine Schultern sinken ein Stück tiefer. Meine Stirn glättet sich. Mein Atem wird ruhiger, tiefer. Meine Gedanken hören auf, im Kreis zu rennen. Die Welt ist nicht perfekt – aber ich bin da. Und das reicht. Mein Herz schlägt nicht mehr im Alarmtakt. Meine Hände sind offen, nicht verkrampft. Mein Blick wird weiter. Mein Kiefer ist locker. Meine Zunge liegt ruhig im Mund. Ich muss nichts festhalten, nichts bekämpfen, nichts beweisen.
Gelassenheit ist: Gott meint es gut mit mir. Ich darf leben – heute. Und das ist genug.
Seit vielen Jahren beten Menschen dazu ein Gebet. Reinhard Niebuhr hat es in den frühen 1940er-Jahren verfasst:
„Gott, gib mir die Gelassenheit, Dinge hinzunehmen, die ich nicht ändern kann. Den Mut, Dinge zu ändern, die ich ändern kann. Und die Weisheit, das eine vom anderen zu unterscheiden.“
Ich mag das Gelassenheitsgebet. Es ist klug. Und manchmal tut es einfach gut. Aber ich glaube: Jesus will mehr. Nicht nur hinnehmen – sondern hoffen. Nicht nur unterscheiden – sondern verändern. Die Vögel, die Blumen, das Reich Gottes: Das ist keine Anleitung zum Stillhalten. Das ist eine Einladung zum Vertrauen – und zum Handeln.
Gelassenheit ist nicht, die Augen zu schließen und sich den Liegestuhl einzubilden, das Meeresrauschen und das Kreischen der Möwen. Gelassenheit macht die Augen auf. Da gibt es viel zu entdecken. Gottes neue Welt schon jetzt zu sehen. Hier, bei mir. Ich muss nur hinschauen. Dann entdecke ich den, der mir aus seiner Zukunft entgegenkommt.
Hoffnung kann unglaublich gelassen machen.
Der Gott der Hoffnung aber erfülle euch mit aller Freude und Frieden im Glauben, dass ihr immer reicher werdet an Hoffnung durch die Kraft des Heiligen Geistes. (Römer 15,13)Das ist die beste Entspannungsübung.
Amen.

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