Gnade mit euch und Friede von Gott, dem Vater und von Jesus Christus, unserem Herrn.
Aus dem Buch des Propheten Jesaja, aus dem 35. Kapitel:
Stärkt die müden Hände und macht fest die wankenden Knie! 4 Sagt den verzagten Herzen:
Ja, was sagt man denen denn? Was sagt man Menschen, die sich von der Arbeit, von Familienpflichten, von den Erwartungen der anderen um sie herum völlig ausgelaugt fühlen? Was sagt man denen, die sich verausgaben, quasi Tag und Nacht, für die anderen und die selbst gleich nicht mehr können? Was sagt man den jungen Müttern, denen der Schlaf fehlt? Den Selbständigen, die die Nachtschichten nicht mehr zählen können und sich trotzdem Sorgen um die Zukunft machen müssen? Den Schüler:innen und Studierenden, auf die jede Woche neue Deadlines, neue Abgaben und Prüfungen zukommen? Was sagt man denen, die kranke Angehörige pflegen und sich selbst dabei aufreiben. Was sagt man denen, die ihr Leben lang geschafft haben und sich das Leben anders gar nicht vorstellen können? Was sagt man denen mit schmerzenden Gliedern, mit verspannten Muskeln, mit Sodbrennen und Magengeschwüren?
Stärkt die müden Hände.
Macht fest die wankenden Knie.
Was sagt man denen, die nicht mehr standhaft sind? Die sich fühlen, als würde der Boden unter ihnen weggezogen? Was sagt man Menschen mit ungewissen Zukunftsperspektiven? Was sagt man Menschen mit finanziellen Sorgen? Oder denen, die nicht mehr gerne nach Hause gehen, weil es dort Spannungen und Probleme gibt? Was sagt man Menschen, die sich völlig überfordert fühlen von allem, was sich so rasant zu verändern scheint? Was sagt man denen, denen die politische Lage, die Kriege in der Ukraine und anderswo, der Klimawandel oder die Sorge um den eigenen Arbeitsplatz den Schlaf rauben?
Stärkt die müden Hände.
Macht fest die wankenden Knie.
Sagt den verzagten Herzen...
Also denen, die von Schicksalschlägen entmutigt wurden. Die jemand verloren haben durch Tod, Trennung oder schwere Krankheit. Die ahnen, dass sie nicht mehr lange zu Hause wohnen können. Was sagt man denen, die die Last der Sorgen beinahe erdrückt? Denen, die keine Hoffnung mehr haben? Denen, die jeden Spruch schon gehört haben und nur noch bitter lachen können?
Sagt den verzagten Herzen...
Was denn?
Habt ihr einen guten Satz für mich?
...
Stärkt die müden Hände.
Macht fest die wankenden Knie.
Sagt den verzagten Herzen...
Seid getrost!
Gestern Vormittag war ich mit Pia zwei Stunden in der Tailfinger Kirche, um an der Technik dort zu arbeiten. Es war kalt. Sehr kalt. Am Ende war vor allem Pia durchgefroren. Zu Hause haben wir uns erst einmal aufs Sofa gesetzt. Es gab heißen Apfeltee und eine weiche Decke. Ich habe den Arm um Pia gelegt und sie hat sich ganz fest an mich gekuschelt. Da war es wohlig warm. Und ich wusste wieder, was "getrost" heißt: Ein sicherer Ort. Ein liebender Arm um mich. Geborgenheit. Wärme. Vertrauen. Geliebt sein. Getragen.
"Getrost" weiß ich auch in schweren Zeiten, dass Gott mich trägt, wie er es mir schon in der Taufe versprochen hat. "Getrost" kann ich auch in Herausforderungen auf Gott vertrauen. "Getrost" kann ich auch zweifelnd Entscheidungen treffen, weil ich weiß, Gott geht meine Schritte mit mir. "Getrost" verliere ich auch im Leid nicht die Hoffnung, weil Gottes Versprechen nie vergessen sind. "Getrost" kann ich auch neue, unbekannte Wege gehen.
Stärkt die müden Hände.
Macht fest die wankenden Knie.
Sagt den verzagten Herzen...
Seid getrost!
Fürchtet euch nicht!
Aber, aber, aber...
Meine Hände... meine Knie... Mein Herz...
Seid getrost! Fürchtet euch nicht! Seht, da ist euer Gott!
Seht! Schaut hin! Macht die Augen auf und entdeckt: Es gibt Grund zur Hoffnung!
Er ist der Grund der Hoffnung: Seht, da ist euer Gott!
Im Advent zeigen wir auf ihn, der zu uns kommt.
Seht, da ist euer Gott!
An Weihnachten zeigen wir auf ihn, der einer von uns geworden ist. Ganz nahe. Ganz nahbar. Ein Kind, in der Krippe. Einer von uns. Mit uns. "Immanuel", Gott mit uns.
Seht, da ist euer Gott!
Wir zeigen auf ihn, der die Hoffnung sichtbar werden lässt, als er selbst eintritt in alles das, was uns die Hände müde macht und die Knie zittrig und das Herz verzagt. "Immanuel", Gott mit uns.
Seht, da ist euer Gott!
Am Karfreitag zeigen wir auf ihn, der dort am Kreuz hängt. Keine Not der ganzen Welt ist so groß, dass sie ihn von uns fernhalten könnte. Er schreckt vor nichts zurück. Seine Liebe geht in alles hinein. Restlos. Grenzenlos. Selbst in Sterben und Tod, in die große Dunkelheit, die am Ende lauert. Sie ist nie ohne ihn. Er ist auch da, gerade da. "Immanuel", Gott mit uns.
Seht, da ist euer Gott!
An Ostern zeigen wir auf ihn, der das alles überwunden hat. Alles besiegt. Der selbst dem Tod den Stachel nimmt. Der Leben schenkt, neues, echtes Leben. An Ostern lachen wir der Dunkelheit ins Gesicht. Das Böse, das unsere Herzen quält, hat verloren. Aus! Vorbei! Ein neues Zeitalter ist angebrochen an diesem leeren Grab am Ostermorgen. An Ostern zeigen wir auf ihn, der uns entgegen kommt aus Gottes neuer Welt -- aus seinem Reich, das in ihm zu uns gekommen ist. Nach Ostern wird die Welt nie wieder dieselbe sein. Sein Licht leuchtet, das keiner ausblasen oder ausknipsen kann. "Immanuel", Gott mit uns.
Seht, da ist euer Gott!
Wir, die wir Hoffnung haben, sehen sein Licht überall aufblitzen. Wir entdecken ihn nicht nur in den großen, alten Geschichten seines Handelns an uns durch Jesus Christus. Wir entdecken ihn auch immer wieder neu in ganz vielen kleinen Dingen, an allen Ecken unserer Welt. "Ubi caritas, deus ibi est." Wo die Liebe wohnt, da ist unser Gott. Da zeigen wir hin.
Wo ein alter Mensch liebevolle Pflege erfährt: Seht, da ist euer Gott!
Wo ein Nachbar seiner Nachbarin den Rasen mäht: Seht, da ist euer Gott!
Wo ganz viele zur Beerdigung kommen, um ihre Anteilnahme zu zeigen und es trotz Trauer ganz warm ums Herz wird: Seht, da ist euer Gott!
Wo ein ehrliches Gespräch Spannungen zwischen Menschen ausräumt: Seht, da ist euer Gott!
Wo jemand ein offenes Ohr für all das Belastende findet, über das man mit sonst niemand reden konnte: Seht da ist unser Gott!
Wo dir jemand eine deiner vielen Aufgaben abnimmt: Seht, da ist unser Gott!
Wo man sich Vergangenes vergibt und wieder Raum für Freundschaft ist: Seht, da ist unser Gott!
Wenn an einem trüben Dezembermorgen die Sonne wieder aufgeht; wenn im Winterdunkel die Sterne über dir leuchten; wenn du an bei grauen Nieselwetter durch's Autofenster einen Regenbogen entdeckst, der dir plötzlich wie ein Lächeln des Himmels erscheint: Seht, da ist unser Gott!
Wenn du dich auf dem Sofa warm an jemand kuscheln kannst: Seht, da ist unser Gott!
Wenn dir morgens schon jemand die Kaffeemaschine eingeschaltet hat: Seht, da ist unser Gott!
Er ist ganz oft in den kleinen Dingen--in Gesten der Liebe und Güte. Er ist ganz oft in den Dingen, die uns zusammenbringen. Wenn wir singen--nicht nur, aber auch abends im Advent.
Er ist sogar (man höre und staune) in der Kirche. In den Liedern, den Gebeten, im Hören auf sein Wort, im gemeinsamen Abendmahl entdecken wir ihn und wir zeigen darauf.
Seht, da ist unser Gott!
Er ist nicht weg. Er ist nicht ferne. Er hat uns nicht vergessen. Wir sind ihm nicht egal. Er bleibt uns nicht verborgen. Er zieht sich nicht zurück.
Er ist ganz nahe. Mitten unter uns: "Immanuel", Gott mit uns.
Seht, da ist unser Gott!
Also:
Stärkt die müden Hände.
Macht fest die wankenden Knie.
Sagt den verzagten Herzen...
Seid getrost!
Fürchtet euch nicht!
Und dann redet von der Hoffnung. Was wir hier im Kleinen sehen, ist ja nur eine Vorahnung, nur ein kleiner Vorgeschmack auf das, was Gott wirklich aus Kälte und Dunkelheit machen kann. Wie diese zwei Kerzen jetzt schon vom Lichterglanz der Weihnacht künden. Erzählt von dem, was auf uns zukommt. Sagt ihnen: Es gibt Grund zur Hoffnung. Es gibt Grund, getrost zu sein. Es gibt Grund sich nicht zu fürchten. Ihr glaubt nämlich gar nicht, was noch geschehen wird...
Redet davon, in bunten Bildern, wie Jesaja, der dick aufgetragene Hoffnung ins Dunkle malt.
5 Dann werden die Augen der Blinden aufgetan und die Ohren der Tauben geöffnet werden. 6 Dann wird der Lahme springen wie ein Hirsch, und die Zunge des Stummen wird frohlocken. Denn es werden Wasser in der Wüste hervorbrechen und Ströme im dürren Lande. 7 Und wo es zuvor trocken gewesen ist, sollen Teiche stehen, und wo es dürre gewesen ist, sollen Brunnquellen sein. Wo zuvor die Schakale gelegen haben, soll Gras und Rohr und Schilf stehen. 8 Und es wird dort eine Bahn sein und ein Weg, der der heilige Weg heißen wird. Kein Unreiner darf ihn betreten; nur sie werden auf ihm gehen; auch die Toren dürfen nicht darauf umherirren. 9 Es wird da kein Löwe sein und kein reißendes Tier darauf gehen; sie sind dort nicht zu finden, sondern die Erlösten werden dort gehen. 10 Die Erlösten des Herrn werden wiederkommen und nach Zion kommen mit Jauchzen; ewige Freude wird über ihrem Haupte sein; Freude und Wonne werden sie ergreifen, und Schmerz und Seufzen wird entfliehen. (Jesaja 35,5-10)
Malt weiter an diesen Bildern. Tragt dick auf, denn die Hoffnung, die wir haben, vermag kein Pinselstrich der Welt zu fassen.
Dann werden die Einsamen Freunde finden, und die Verlassenen werden Geborgenheit spüren.
Dann werden die Kranken neue Kraft schöpfen, und die Pflegebedürftigen werden liebevoll umsorgt sein.
Dann werden hungrige Kinder satt werden, und die Durstigen werden an klaren Quellen trinken.
Dann werden Menschen in Konflikten einander die Hand reichen, und zerbrochene Beziehungen werden heilen.
Dann wird das Lachen der Kinder die Straßen erfüllen, und niemand wird mehr Angst haben müssen.
Dann werden die Vertriebenen Heimat finden, und die Heimatlosen ein Dach über dem Kopf haben.
Dann wird es genug für alle geben, und niemand wird mehr in Not leben.
Dann werden Wälder wieder wachsen, und die Luft wird frisch und rein sein.
Dann wird Frieden herrschen zwischen den Nationen, und Waffen werden zu Werkzeugen des Lebens umgeschmiedet.
Dann wird die Schöpfung aufatmen, und die Wüsten werden blühen.
Dann brauchen wir keine Frauenhäuser mehr, und niemand muss sich zu Hause mehr fürchten.
Dann werden die Schulen Orte des Lernens und Lachens sein, und kein Kind wird mehr Mobbing erleben.
Dann wird niemand mehr von Krieg oder Gewalt fliehen müssen, und alle werden in Sicherheit leben.
Dann werden die Alten nicht mehr einsam sterben, sondern von liebevollen Händen begleitet.
Dann wird kein Mensch mehr unter Armut leiden, und alle werden Zugang zu Bildung und Arbeit haben.
Dann werden keine Menschen mehr im Mittelmeer ertrinken, und niemand wird gezwungen sein, seine Heimat zu verlassen.
Dann wird die Erde frei sein von Plastik in den Ozeanen, und Tiere werden nicht mehr an unserem Müll sterben.
Dann werden keine Jugendlichen mehr an Drogen oder Gewalt zugrunde gehen, und alle werden eine Zukunft haben.
Dann wird niemand mehr hungern, und die Ernten werden allen genug bringen.
Dann werden Krankenhäuser heilende Orte sein, und keine Krankheit wird unheilbar bleiben.
Dann wird niemand mehr ohne Dach über dem Kopf leben, und alle werden ein Zuhause haben.
Dann wird es keinen Menschenhandel mehr geben, und jede Frau, jedes Kind und jeder Mann wird in Würde leben.
Dann werden die Straßen sicher sein, und niemand wird mehr Angst vor Überfällen oder Gewalt haben.
Dann werden Wälder und Tiere geschützt sein, und die Schöpfung wird sich erneuern.
Dann wird niemand mehr wegen seiner Hautfarbe, Religion, seiner Herkunft oder Sexualität benachteiligt, und alle werden gleichberechtigt sein.
Dann wird keine Familie mehr an Schulden zerbrechen, und niemand wird in Existenzängsten leben.
Dann wird die Welt frei von Atomwaffen sein, und keine Regierung wird mehr Krieg führen.
Dann wird jeder Mensch Zugang zu sauberem Wasser haben, und kein Kind wird mehr an verschmutztem Wasser sterben.
Dann wird die Angst vor der nächsten Pandemie verschwinden, und medizinische Versorgung wird überall gerecht verteilt sein.
Dann wird niemand mehr in einer Fabrik wie ein Sklave schuften müssen, und jede Arbeit wird gerecht entlohnt.
Dann wird man die Friedhöfe zu Parkanlagen machen und niemand wird je mehr weinend an einem Grab stehen.
Dann werden wir Grenzzäune niederreißen und an großen Tafeln gemeinsam zu Abend essen.
Dann...
Was ist deine Hoffnung? Was ist dein Traum vom Reich des Friedens Gottes?
Träum davon. Erzähl davon. Hoffe darauf. Lass die Farben dieser Bilder in die Dunkelheit hineinleuchten.
Denn: Auch wenn das Zukunft ist--sie kommt. Gewiss. Weil er kommt.
Er, auf den wir zeigen.
Stärkt die müden Hände.
Macht fest die wankenden Knie.
Sagt den verzagten Herzen...
Seid getrost!
Fürchtet euch nicht!
Habt Hoffnung, hier und jetzt.
Auf ihn: "Immanuel", Gott mit uns.
Seht, hier ist euer Gott!
Amen.