Christoph predigt

Verlasst euch darauf


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Gnade sei bei euch. Friede sei bei euch. Von Gott, unserem Vater. Von Jesus, dem Messias. Er ist unser Herr.

Hört, von Gott geliebte: Worte von Jesus. Wir hören sie aus dem Evangelium nach Johannes, aus dem 5. Kapitel. Jesus sagt:

Verlasst euch darauf: Ihr hört mein Wort? Ihr vertraut auf Gott, der mich gesandt hat? Dann habt ihr das ewige Leben. Ihr kommt nicht ins Gericht. Ihr seid jetzt schon vom Tod zum Leben hinübergegangen. Verlasst euch darauf: Gottes neue Zeit kommt. Sie ist jetzt schon da. Die Toten werden die Stimme von Gottes Sohn hören. Alle, die hören, werden leben.Gott, der Vater, hat Leben in sich selbst. Er gibt auch seinem Sohn dieses Leben. Der Sohn hat Leben in sich selbst. Gott gibt dem Sohn Macht. Er kann über die Menschen urteilen. Denn der Sohn ist der Menschensohn.Wundert euch nicht darüber: Die Zeit kommt. Dann werden alle Menschen in den Gräbern seine Stimme hören. Dann kommen alle Menschen aus den Gräbern. Menschen, die Gutes getan haben, bekommen Leben. Menschen, die Böses getan haben, kommen ins Gericht. (Johannes 5,24-29)


Das Grab ist längst zugeschaufelt. Aber das Loch im Herzen ist immer noch da.

Auf manchem Grab wachsen längst Blumen. Angepflanzt, gegossen, gepflegt--aus Liebe und Verbundenheit. Auf anderen Gräbern ist Gras gewachsen. Das Loch im Leben wächst nicht so schnell zu. Nicht, wenn immer noch alles an die Person erinnert, die du verloren hast. Nicht, wenn du nach Hause kommst in eine leere Wohnung. Nicht, wenn dir Gegenstände in die Hand fallen, die dich erinnern. Wenn im Kalender Tage stehen, die ihr gemeinsam gefeiert hättet. Wenn du vor Aufgaben stehst, die sonst immer der andere erledigt hat. Du machst einen Schrank auf, eine alte Kiste und der vertraute Geruch steigt dir in die Nase.

Hier sitzen heute manche, für die ist die Wunde noch ganz frisch. Hier sitzen andere, die leben schon lange damit. Auch wenn es schon Jahre her ist: Manchmal ist es doch, als wäre es gestern gewesen. Mit dem Tod eines nahen Menschen schließt man nicht einfach ab. Nicht nach Monaten, nicht nach Jahren. So eng gehören wir zusammen. So tief sind die Verbindungen zwischen uns. Der andere fehlt immer.

Manche machen irgendwann kurzen Prozess. Sie räumen den Schrank aus. Sie bringen die Erinnerungen weg. Vielleicht schafft das an manchen Stellen Platz für Neues. Aber die Spuren eines mit uns verbundenen Lebens kann man nicht auf den Wertstoffhof bringen oder zum Altkleidercontainer. Wir sind miteinander verbunden. Jetzt und für immer.

Gerade deshalb reißt der Tod ja so tiefe Löcher in unser Leben. Deshalb bleiben da so viele offene Fragen. Deshalb tut es so sehr weh.

Immer noch.


Es ist, als wäre nicht nur der andere gestorben. Auch in dir selbst fühlt sich etwas tot an. Der Tod eines Menschen raubt auch denen, die da bleiben, ein Stück vom Leben. Ein bisschen bist du mitgestorben. Und du bist noch dabei--noch lange--, das, was da fehlt zu begraben.

Eines Tages kam einer, der war anders. Gottes Sohn ist Mensch geworden. Wir wissen: Er spürt unseren Schmerz. Er hat ihn selbst erlebt. Er hat ihn selbst durchlitten.

Eines Tages kam einer: Jesus, der Messias. Und sein Kommen hat alles verändert. "Verlasst euch darauf", sagt er. Und er trifft schon da den wunden Punkt. Wo ich mich doch auf nichts mehr verlassen kann, seit der Tod so wild in das Leben eingegriffen hat. Seit da jemand weggerissen wurde, auf den ich mich verlassen habe. Jetzt bin ich höchstens noch verlassen.

"Verlasst euch darauf", sagt Jesus. "Ihr hört mein Wort? Ihr vertraut auf Gott, der mich gesandt hat. Dann habt ihr das ewige Leben. Ihr kommt nicht ins Gericht. Ihr seid schon jetzt vom Tod zum Leben hinübergegangen."

Das fühlt sich aber nicht so an, Jesus.

Wie kannst du so etwas sagen?


"Verlasst euch darauf", sagt Jesus. "Gottes neue Zeit kommt. Sie ist jetzt schon da. Die Toten werden die Stimme von Gottes Sohn hören. Alle, die ihn hören, werden leben."

Du hörst das. Und vielleicht merkst du: Diese Worte treffen etwas in dir. Sie berühren eine Stelle, die gerade wund ist. Sie gehen genau dorthin, wo du kaum noch Halt spürst. Worte wie ein warmer Hauch, der durch die Kälte dringt. Worte, die gegen das Schweigen sprechen, das oft so schwer auf dir liegt.

Denn du kennst dieses Schweigen. Es ist das Schweigen nach dem Tod. Erst reden viele Menschen. Sie sagen warmherzige Worte. Sie meinen es gut. Andere stammeln nur, weil ihnen nichts einfällt, was die Lage irgendwie verbessern könnte. "Herzliches Beileid" klingt irgendwie leer. Und irgendwann verstummt alles. Alle gehen wieder in ihren Alltag zurück. Nur du nicht. Du bleibst mit der Stille zurück. Mit der Leere. Mit diesem Riss in deinem Leben.

In diese Stille hinein spricht Jesus. Keine Floskel. Kein billiger Trost. Seine Worte sind wie ein Ruf. Wie ein Ruf, der dich findet. Wie ein Ruf, der genau weiß, wo du stehst. Wie ein Ruf, der durch alles Dunkel hindurchgeht: durch den Nebel, durch die Nacht, durch die Kälte der Trauer. Ein Ruf, der dich meint. Ein Ruf, der Kraft hat.

So war es schon am Anfang der Welt. Du kennst die Worte. Die Bibel erzählt es gleich am Anfang: Die Welt war leer, dunkel, kalt. Nichts war da. Nur Chaos. Und Gott sprach. Gott sagte: „Es werde Licht.“ Und es wurde Licht. Eine neue Welt begann. Alles wurde lebendig, weil Gott sprach. Gott hat gerufen – und Leben entstand.

Dieser Ruf geht weiter. Er verstummt nicht. Jesus ruft in dein Leben hinein. Er ruft in dein Dunkel. Er ruft über die Grenze des Todes hinweg. Er ruft sogar in die Gräber hinein. Er ruft dich. Und er ruft die Menschen, die du vermisst. Die Menschen, deren Namen wir heute lesen. Menschen, die du geliebt hast. Menschen, ohne die du weiterlebst, aber nicht ohne Schmerz.

Jesus sagt: „Wundert euch nicht darüber: Die Zeit kommt. Dann werden alle Menschen in den Gräbern seine Stimme hören. Dann kommen alle Menschen aus den Gräbern. Menschen, die Gutes getan haben, bekommen Leben. Menschen, die Böses getan haben, kommen ins Gericht.“

Das klingt groß. Vielleicht sogar zu groß für dich heute. Vielleicht denkst du: Ich kann das kaum glauben. Ich kann das kaum fassen. Es tut ja immer noch weh. Es fühlt sich nicht wie neues Leben an. Es fühlt sich an wie Verlust. Wie ein langer Winter ohne Ende.

Aber genau da setzt Jesus an. Er sagt nicht: „Warte, bis es dir wieder gut geht.“ Er sagt: „Jetzt schon.“ Jetzt schon habt ihr Leben. Jetzt schon geht ihr vom Tod zum Leben hinüber. Jetzt schon beginnt etwas Neues. Nicht erst morgen. Nicht erst am Ende. Jetzt. Und er meint damit: Damals schon. Mit ihm selbst beginnt das Neue. Dazu ist Gott schließlich Mensch geworden. Nicht, um alles beim Alten zu lassen.

Der Jesus, der das sagt, wird bald darauf selbst sterben. Sein Tod reißt dasselbe unendliche schwarze Loch ins Leben der Menschen, die ihm nahe sind. Alles zu Ende!

Bis am Ostermorgen die Sonne aufgeht. Und mit ihr die Hoffnung. Die herrliche Gewissheit: Bei Gott ist Leben, auch wenn hier keines mehr ist. Gott gibt Leben, auch da wo keines mehr ist. Neues Leben, wo das alte sein Ende fand. Der Tod hat nicht das letzte Wort. Was damals noch niemand hörte, am Ostermorgen: Gott ruft seinen Messias aus dem Tod ins Leben. Bald werden sie es überall erzählen: Er ist auferstanden! Wirklich auferstanden! Er lebt. Gottes Rufen findet auch im Tod Gehör. Sein Wort schafft neues Leben, wie damals am Anfang.

"Jetzt schon", sagt Jesus. Vor zweitausend Jahren schon. Gottes neue Zeit hat schon begonnen. Der Tod hat schon verloren. Auch wenn es noch nicht so aussieht. Dein geliebter Mensch liegt noch im Grab.

"Jetzt schon.", sagt Jesus.

Gottes neue Zeit kommt. Sie ist jetzt schon da. Die Toten werden die Stimme von Gottes Sohn hören. Alle, die ihn hören, werden leben.


Vielleicht spürst du das nicht. Vielleicht fühlt es sich gar nicht so an. Aber Jesus sagt: „Verlasst euch darauf.“ Er sagt nicht: „Fühlt es.“ Er sagt: „Verlasst euch darauf.“ Das bedeutet: Sein Wort trägt dich, auch wenn deine eigene Kraft nicht reicht. Auch wenn dein Gefühl nicht hinterherkommt. Auch wenn du gerade nur Nebel siehst. Genau das ist übrigens das, was Glaube bedeutet: Sich auf Gottes Anrede zu stützen, auch dann, wenn ich nichts sehe und nichts fühle. An vielen Gräbern haben wir genau davon gesungen: "Wenn ich auch gleich nichts fühle, von deiner Macht, du führst mich doch zum Ziele, auch durch die Nacht." "Verlasst euch darauf!"

Du darfst heute hören: Jesus ruft dich ins Leben. Er ruft dich, weil er dich kennt. Er ruft dich, weil du ihm nicht egal bist. Er ruft dich, weil seine Liebe tiefer geht als dein Schmerz. Und er ruft auch die Menschen, die du vermisst. Er ruft sie mit derselben Liebe. Mit derselben Kraft. Mit derselben Stimme, die Licht ins Dunkel ruft.

Wenn wir gleich die Namen hören, dann ist das nicht nur Erinnerung. Es ist ein Moment der Liebe. Ein Moment der Nähe. Und es ist ein Moment der Hoffnung. Denn diese Namen sind bei Gott nicht verklungen. Sie sind nicht verloren. Sie stehen in Gottes Herz geschrieben. Jesus ruft sie beim Namen. Und wenn er ruft, dann ist Leben stärker als Tod.

Verlasst euch darauf.

"Wundert euch nicht darüber."

Wer Jesus, den Messias kennt, den wundert nichts mehr. Wie könnte es auch? Wo Gottes neue Zeit in unsere Welt hereinbricht, da wird alles anders, als wir es bisher kennen. Da gelten die alten Regeln nicht mehr. Der Tod ist nicht mehr das Ende. Die Hoffnung stirbt nicht zuletzt. Sie stirbt gar nicht mehr. Sie ist mit dem Messias auferstanden.


Wundert euch nicht darüber: Die Zeit kommt. Dann werden alle Menschen in den Gräbern seine Stimme hören. Dann kommen alle Menschen aus den Gräbern. Menschen, die Gutes getan haben, bekommen Leben. Menschen, die Böses getan haben, kommen ins Gericht.


Ich glaube, es braucht auch diesen letzten Satz. Vom Gericht. Auch wenn wir da nicht so gerne darüber reden.

Der Abbruch, den der Tod ins Leben bringt, hat ja auch manches unvollständig gelassen. Enttäuschung ist an vielen Stellen geblieben. Vergebung konnte nicht mehr ausgesprochen werden. Dinge konnten nicht mehr in Ordnung gebracht werden. Der Tod raubt uns auch die Chance, das gut zu machen, was bisher gescheitert ist. Der Tod entzieht auch manchen der Gerechtigkeit. Wir bleiben auf dem bitteren Nachgeschmack so manchen Übels sitzen.

Gott lässt das nicht so stehen.

Nein, Gott nicht. Er will doch Gutes. Er will doch Frieden. Er will doch Gerechtigkeit. Er will, dass Leben blüht und gedeiht.

Nein, Gott wird das nie so stehen lassen.

Deshalb braucht es diesen Satz. Nicht als Drohung. Sondern als Trost. Als Zusage, dass Gott hinsieht. Dass er nichts übersieht. Dass er nichts unter den Teppich kehrt. Dass er sich allem stellt, was unerledigt geblieben ist.

Gottes Gericht ist nicht die Fortsetzung unserer Angst. Gottes Gericht ist die Vollendung seiner Liebe. Es ist der Moment, in dem alles ans Licht kommt. Auch das, was dir wehgetan hat. Auch das, was kaputtgegangen ist. Auch das, was schiefgelaufen ist. Auch das, was du nie wieder gutmachen konntest. Da kommt alles zur Sprache – und Gott spricht Wahrheit. Eine Wahrheit, die heilt. Und eine Wahrheit, die zurechtbringt, was wir nicht mehr in Ordnung bringen konnten. Gott macht alles heil, was zerbrochen ist.

Darum steht der letzte Satz dieses Predigttextes nicht gegen dich. Er steht für dich. Er sagt dir: Gott lässt dich nicht allein mit dem Unrecht, das dir geschehen ist. Gott lässt dich nicht allein mit dem Unrecht, das du anderen angetan hast. Gott bringt Licht in das Dunkel. Und das Licht ist gut. Das Licht ist Leben.


Deshalb darfst du Hoffnung haben. Auch heute. Wie die Adventskerzen, die wir ab nächsten Sonntag anzünden. Mitten im Dunkel. Auch mitten in der Trauer. Auch mitten in allem, was noch nicht gut ist. Die neue Zeit von Gott ist nicht nur fern. Sie ist jetzt schon da. Und sie wird kommen – ganz. Voll. Sichtbar.

Wenn wir gleich die Namen der Menschen hören, die im vergangenen Jahr gestorben sind, dann tust du das nicht allein. Gott hört jeden Namen. Gott kennt jede Geschichte. Gott kennt jeden Schmerz. Und er kennt jede Liebe, die in dir lebt und die dich heute hierher gebracht hat.

Und wenn er ruft, dann ist das stärker als der Tod.

Du darfst hören:

Verlass dich darauf. Die Zeit kommt. Und sie ist jetzt schon da.


Gott ruft.

Er ruft dich.

Er ruft die, die du vermisst.

Er ruft ins Leben.

Und wer ihn hört, wird leben.

Amen.

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