Ein Standpunkt von Rüdiger Rauls.
Innerhalb kürzester Zeit ist mit Niger nun eine weitere vom politischen Westen gestützte Regierung in der Sahelzone gefallen. Jedes Mal war man von der Entwicklung überrascht worden. Dabei haben westliche Militärs und Politiker doch nach eigener Darstellung eng mit den örtlichen Behörden und Regierungen zusammengearbeitet. Was sagt das aus über die Missionen des Westens?
Wer hat das Sagen?
Was am Mittwoch noch in westlichen Medien als Putschversuch dargestellt worden war, hat sich inzwischen zu einem weiteren Machtwechsel in der Sahelzone entwickelt. Angeführt wurde der Umsturz vom Chef der Präsidentengarde, General Omar Tchiani, der schon während der Amtszeit des vorherigen Präsidenten, Mahamadou Isoufou, diese Funktion innehatte. Es handelt sich also um jemanden, der seit Jahren im Zentrum der politischen Macht des Landes steht.
Dementsprechend dürfte er auch mit den Entscheidungen der zivilen, vom Westen gestützten Regierung unter Präsident Mohamed Bazoum vertraut gewesen sein, um deren Auswirkungen auf die Lage im Land beurteilen zu können. Das heißt aber auch, dass er alle Machtkämpfe, wenn es denn solche gegeben haben sollte, überdauert hat und nicht wechselnden Interessen und Einflüssen zum Opfer gefallen ist. Er scheint also über ein sicheres Einschätzungsvermögen bezüglich der Stimmung im Land zu verfügen und zu wissen, was er tut und vor allem, was getan werden muss im Interesse des Landes.
Dieses Interesse wurde bisher von den Putschisten noch nicht klar dargestellt, wird aber in ihrer Selbstdarstellung deutlicher. Sie bezeichnen sich selbst als "antirepublikanische Bewegung"(1), was nahe legt, dass sie im Widerspruch zur westlich orientierten Regierungsführung des bisherigen Präsidenten stehen. Jedenfalls hat er als eine der ersten Maßnahmen die Exporte von Gold und Uran an Frankreich gestoppt, was als im wirtschaftlichen Interesse des Landes angesehen wird.
Es stellt sich nun die Frage, ob diese antirepublikanische Bewegung von der Bevölkerung mitgetragen wird oder ob es maßgebliche Kräfte im Land gibt, die Widerstand leisten. Bisher aber ist anhand der westlichen Berichterstattung nicht zu erkennen, dass es solchen Widerstand gibt oder sich aufbaut - zumindest nicht im Land selbst. Dagegen aber steht eine Erklärung des nigrischen Präsidialamts, wonach die Putschisten „vergeblich versucht [hätten], die nationalen Streitkräfte und die Nationalgarde zur Unterstützung zu bewegen“(2).
Wer gegen wen?
Nur wenige Stunden später hatte sich diese Erklärung als Fehleinschätzung herausgestellt. Denn inzwischen haben sich weitgehend alle Machtapparate Tchiani angeschlossen. Am 28.Juli erklärte ein Sprecher der Putschisten, „die Verteidigungs- und Sicherheitskräfte hätten beschlossen, das Regime zu beenden"(3). Das zeigt ein geschlossene Ablehnung gegenüber der bisherigen Politik. Damit war die abgesetzte Regierung die einzige Kraft im Land selbst, auf die der politische Westen zur Bereinigung der Situation in seinem Interesse hätte setzen können.
Zwar rief der Außenminister der abgesetzten Regierung „alle Demokraten und Patrioten dazu auf, dieses gefährliche Abenteuer zum Scheitern zu bringen“(4). Aber sein Appell blieb ohne Widerhall in der nigrischen Gesellschaft und damit ohne Folgen für die Putschisten. Nun scheinen die Hoffnungen des Westens auf den internationalen und regionalen Organisationen wie der Afrikanischen Union (AU) und der Wirtschaftsgemeinschaft westafrikanischer Staaten (ECOWAS) zu ruhen.
Letztere hatte mit der Anwendung von Gewalt gedroht, würden die rechtsstaatlichen Verhältnisse in Niger nicht binnen einer Wochen wieder hergestellt werden. Aber offensichtlich steht das Land nicht alleine da in seiner Ablehnung gegenüber dem westlichen Engagement in der Sahel-Zone. Auf die Androhung von Gewalt gegenüber Niger durch die ECOWAS hin solidarisierten sich Burkina Faso und Mali mit einer deutlichen Warnung...