Ein Kommentar von Hermann Ploppa.
Es brodelt in der deutschen Bauernschaft. Schon seit Jahren sind wir den Anblick von massenhaften Traktor-Aufmärschen in den großen deutschen Städten gewohnt. Jetzt kristallisiert sich der Protest der Landwirte in einer Aktionswoche mit erneuten Traktor-Paraden, ausgebrachtem Mist auf Autobahnen und zornigen Kundgebungen.
Wir applaudieren unseren Nahrungsmittelerzeugern, wie wir in der harten Corona-Zeit den Gesundheitsarbeitern und vor allem Gesundheitsarbeiterinnen in den Krankenhäusern applaudiert haben. Um sie dann wieder mit ihren Problemen alleine zu lassen. Bei den Bauern ist es jetzt ein Haushaltstrick unseres amtierenden Bundesfinanzministers Christian Lindner, der das Fass zum Überlaufen brachte. Lindner ist als Bundeskassenwart vor allem aufgefallen durch die Einrichtung von etlichen Schattenhaushalten neben dem offiziellen Bundeshaushalt. Am berühmtesten ist das sagenhafte „Sondervermögen“ in Höhe von 100 Milliarden Euro, mit dessen Hilfe wir gegen Russland Krieg führen sollen. Tatsächlich eine gigantische Neuverschuldung, die den angestrebten Staatsbankrott rapide beschleunigen wird. Und dann war da eben noch das nicht ganz so sagenhafte Sondervermögen von 60 Milliarden Euro, mit denen die schlimmsten Flurschäden der Corona-Politik abgemildert werden sollten. Der Bundesrechnungshof hatte Finanzminister Lindner schon mehrfach für seine diversen Schattenhaushalte in deutlichen Worten gerügt <1>. Nun hat das oberste deutsche Gericht entschieden, dass Lindner und seine Freunde die sechzig Milliarden Euro definitiv für Corona-Schäden einsetzen muss, und nicht für eine weitere Unterstützung des Krieges gegen Russland. Jetzt fehlen die zweckentfremdeten sechzig Milliarden Euro im Bundesetat.
Peinlich, peinlich. Die Bundesregierung hat einerseits die Order aus Washington, den Krieg gegen Russland mit den europäischen „Partnerländern“ zu koordinieren und zu finanzieren, damit die USA sich in aller Ruhe China vorknöpfen können. Andererseits kann die Bundesregierung nicht immer nur einfach neues Papiergeld drucken. Also wird bei jenen bereits genehmigten Bundesausgaben gespart, die diese Bundesregierung als nicht so wichtig für das künftige Kriegsgeschehen erachtet. Nämlich: Bildung, Gesundheit, Soziales, Infrastruktur und natürlich Landwirtschaft. Während Sozialhilfeempfänger – im Neusprech: Empfänger von „Bürgergeld“ oder Patienten keine wirkungsvollen Lobby-Organisationen haben, bleibt es den relativ gut organisierten Landwirten vorbehalten, die Speerspitze des Protests zu bilden.
Und so ist der Protest der Bauern gegen die Streichung der Steuerbefreiung von Traktoren und der Subventionierung von Agrardiesel nur der letzte Tropfen, der das Fass zum Überlaufen bringt. Aber: gibt es denn „die Bauern“ überhaupt noch? Setzt man die Lupe an, dann erkennt man schnell: die deutsche Bauernschaft ist eine höchst vielgestaltige Berufsgruppe. Als Kind war ich noch stolz, auf einem Leiterwagen voller Stroh zu sitzen mit anderen Kindern und vom Strohballen auf den Bauern zu schauen, der den Traktor gleichmütig über die Stoppelfelder navigierte. Damals gab es noch über eine Million bäuerliche Betriebe in Deutschland. Heute gibt es gerade noch 250.000 bäuerliche Betriebe – Tendenz weiterhin rasant abnehmend. Aber noch viel schlimmer: die Struktur der landwirtschaftlichen Betriebe hat sich radikal verändert. Es gibt ganz große Agrar-Unternehmen mit riesigem Landbesitz. Hier wird knallhart kalkuliert. Das Ideal dieser Giganten ist eine Gewinnmaximierung. Und das erreicht man am besten mit einem degradierten Boden, der im Prinzip nur noch aus Kieselgranulat bestehen sollte, in den man in Hydrokultur chemisch erzeugten Dünger einbringt. Unerwünschte Kräuter auf dem Feld werden mit Chemie ausgeschaltet. Dann gibt es große und mittelgroße Bauernhöfe,