Ein Kommentar von Rainer Rupp.
Zweistellige Inflationsraten sorgen für zunehmend militante Unruhen in Europa. Mit der Zerstörung der Nord-Stream-Pipelines schwindet zugleich die Hoffnung, gut durch den Winter zu kommen. Washington sieht dagegen in dem Terroranschlag auf das Kernelement der zivilen Energie-Infrastruktur Deutschlands eine "riesige Chance".
Als eine der Folgen des Stellvertreterkrieges, in dem die USA und NATO die Ukraine als Rammbock gegen Russland einsetzen, haben sich in Europa und in vielen anderen Ländern rund um die Welt Proteste gegen die himmelhohen Energie- und Lebensmittelpreise Bahn gebrochen. Die Wut richtet sich vor allem gegen die westlichen Sanktionen gegen Russland. Diese von den USA geforderten Sanktionen zielen darauf ab, den lukrativen EU-Energiemarkt den Russen abzuringen und allein zu dominieren.
Die europäische Industrie und die privaten Verbraucher haben jahrzehntelang von preiswerter russischer Energie profitiert, die über Pipelines importiert wurde. Ein guter Teil des Wohlstandes der Europäer beruht auf diesem energetischen Wettbewerbsvorteil der europäischen Industrie. Damit ist nun Schluss. Spätestens seit der Sprengung der Nord-Stream-Pipelines, die einer Kriegserklärung gleichkommt, müssen die Europäer jetzt ihren Bedarf über US-Energie-Konzerne zu einem Vielfachen des bisherigen Preises decken, wovon vor allem wiederum US-Banken und die Finanzindustrie profitieren.
Vor dem aktuellen Hintergrund scheint die Wette der Energie-Spekulanten ziemlich sicher, die darauf setzen, dass die Energieimporte aus den USA und anderen Lieferländern nicht ausreichen, um den Bedarf in Deutschland und der EU zu decken. Deshalb setzen sie auf weiter steigende Preise.
Diese Tragödie, die auf dem Rücken der Arbeiter und Armen auf der ganzen Welt ausgetragen werden wird, ist keine Naturkatastrophe, sondern sie ist von Menschen gemacht. Von Menschen in den Regierungen der USA und den EU-Ländern, die das in vollem Wissen um die verheerenden Folgen ihrer Handlungen getan haben. Wenn es anders wäre, und wenn den transatlantischen Eliten etwas am Wohl der von ihren regierten Menschen liegen würde, hätten sie längst Einsicht in ihre Fehler gezeigt und Maßnahmen und Schritte zur Umkehr unternommen und würden nach einer Kompromisslösung suchen. Da sie daran nicht denken und nicht einmal das Wort diplomatische Verhandlungslösung in den Mund nehmen, sollte auch dem Dümmsten klar sein, dass wir von der herrschenden Klasse und ihren Regierungen mit voller Absicht über die Klippen in den Abgrund getrieben werden.
Selbst im fernen China hat man verstanden, was in Europa los ist und was zwischen Europa und den USA vorgeht. Während China immer größere Mengen von russischem Öl und Gas zu günstigen Preisen importiert, wovon zuvor Deutschland und die EU profitiert hatten, wird rund um die Welt ersichtlich, wie sehr die Energiekrise die europäische Wirtschaft und das Leben der Menschen bereits jetzt, zum Herbstbeginn, beeinträchtigt.
"Die Europäer wursteln sich jetzt durch ihre Tage, der kommende Winter wird eine entscheidende Herausforderung für die europäischen Länder sein",
sagte Lin Boqiang, Direktor des China Center for Energy Economics Research an der Xiamen University, in der englisch-sprachigen chinesischen Tageszeitung Global Times.
Lin wies darauf hin, dass der Konflikt zwischen Russland und Europa nur einen Gewinner habe – die USA.
"Während die USA Europa auffordern, aggressive Maßnahmen gegen Russland zu ergreifen und die infolgedessen unter Energieknappheit leiden, scheuen die USA keine Mühen, um Gas und Öl teuer nach Europa zu verkaufen und viel Geld zu verdienen", sagte Lin.
Tatsächlich haben die USA in den ersten vier Monaten des Jahres 2022 fast drei Viertel ihres gesamten Flüssigerdgases (LNG) nach Europa geschickt, wobei sich die täglichen Lieferungen in die EU gegenüber dem Durchschnitt des Vorjahres mehr als ver...