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Heuchlerische Reaktionen auf Gorbatschows Tod | Von Wolfgang Effenberger


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Ein Kommentar von Wolfgang Effenberger.
Der Tod des 91jährigen Friedensnobelpreisträgers Michail Sergejewitsch Gorbatschow in der Nacht auf den 31. August 2022 löste vor allem im Westen Trauer aus. Gorbatschow war von März 1985 bis August 1991 Generalsekretär des Zentralkomitees der Kommunistischen Partei der Sowjetunion und von März 1990 bis Dezember 1991 letzter Staatspräsident der Sowjetunion, sein Name ist untrennbar mit der deutschen Wiedervereinigung verbunden.
Schon 1985 war die Sowjetunion nicht zuletzt wegen des ständigen Wettrüstens mit den USA wirtschaftlich angeschlagen. Schnell erkannte Gorbatschow, dass dem Land ohne tiefgreifende Reformen ein unkontrollierter Zusammenbruch drohte. Mit Glasnost (Transparenz) und Perestroika (Umbau) wollte er die Wirtschaft für Privatinitiativen öffnen und die Bevölkerung an politischen Entscheidungsprozessen beteiligen. Am 18. August 1991 wurde Gorbatschow unter mysteriösen Umständen auf der Krim festgesetzt, der Ausnahmezustand verkündet und Schützenpanzer fuhren vor dem Parlamentsgebäude auf.
Das war die Stunde von Boris Jelzin, der erst am 10. Juli 1991als erster Präsident Russlands vereidigt worden war. Theatralisch sprang er auf den vordersten Schützenpanzer, wandte sich mit einem Appell zur Niederschlagung des Putsches an die Bürger Russlands und forderte die Rückkehr Gorbatschows nach Moskau. Drei Tage später war der Spuk vorbei.
Auf der folgenden Pressekonferenz wurde für die Welt die Demütigung Gorbatschows durch Jelzin deutlich. Er war nun der neue starke Mann. Am Abend zuvor hatte er siegessicher die neue weiß-blau-rote russische Fahne auf dem Balkon des Weißen Hauses geschwenkt und damit das Ende der Ära Gorbatschow eingeleitet.1)
Als Gorbatschow am 23. August 1991 vor der Versammlung des Obersten Sowjets sprach, wurde er von Jelzin vor laufender Kamera unterbrochen. Demonstrativ unterzeichnete Jelzin ein Dekret, das in Russland die Kommunistische Partei verbot. Nun gab es die Partei nicht mehr, die Gorbatschow zum Präsidenten der Sowjetunion bestimmt hatte. Fünf Monate später, am 25. Dezember 1991, musste Gorbatschow endgültig abdanken.2)
Unter Jelzin wurde das sowjetische Tafelsilber an den Westen verschleudert. Innerhalb von wenigen Jahren herrschten russische Oligarchen über die lukrativsten Unternehmensbereiche.
Westliche Krokodilstränen
Die ehemalige Bundeskanzlerin Angela Merkel drückte ihr Beileid aus: „Möge die Erinnerung an seine historische Leistung gerade in diesen schrecklichen Wochen und Monaten des Krieges Russlands gegen die Ukraine ein Innehalten möglich machen.“3)
Merkels Nachfolger Olaf Scholz würdigte den Verstorbenen als mutigen Reformer und Staatsmann. Er habe dazu beigetragen, dass der Eiserne Vorhang verschwunden sei, dass „Demokratie und Freiheit in Europa möglich geworden sind und dass Deutschland vereint werden konnte“. Er sei in einer Zeit gestorben, in der die Demokratie in Russland „gescheitert“ sei. Dort würde nun Präsident Wladimir Putin „neue Gräben in Europa“ ziehen und „einen furchtbaren Krieg“ gegen die Ukraine führen."4)
Gorbatschow hatte die Sowjetunion als deren letzter Präsident in den Jahren 1985 bis 1991 geführt - dabei setzte er sich für eine Entspannung mit dem Westen ein und machte dadurch unter anderem die Wiedervereinigung Deutschlands möglich.
Der britische Premierminister Boris Johnson bewunderte den Mut und die Integrität, die Gorbatschow gezeigt hat, „indem er den Kalten Krieg zu einem friedlichen Ende brachte. In einer Zeit von Putins Aggression in der Ukraine sei Gorbatschows unermüdliches Engagement für die Öffnung der sowjetischen Gesellschaft ein Vorbild für uns alle“5). Und für den französischen Präsidenten Emmanuel Macron hat Gorbatschows Engagement für den Frieden die gemeinsame europäische Geschichte verändert.
Die umsichtige Politik von Michael Gorbatschow, Sicherheit für alle Länder zu schaffen, wollte Putin am 15.
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