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Ich mag Katar nicht, aber… | Von Roberto J. De Lapuente


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Ein Standpunkt von Roberto J. De Lapuente.
Finde ich das System in Katar und anderen arabischen Staaten moralisch akzeptabel? Nein! Möchte ich mich als Lehrmeister aufschwingen, um dieser Weltregion aufzuzeigen wie es besser ginge? Auch nein! Dazu fehlt mir Sendungsbewusstsein und Überheblichkeit.
Wie könnte man als Mensch von Aufklärung auch nur einen Funkten Sympathie für ein Land haben, in dem Menschen aus verschiedensten Gründen gegängelt, unterdrückt und ermordet werden? In dem Frauen mit Süßigkeiten verglichen und Homosexualität als geistige Krankheit betrachtet werden? Natürlich hege ich keinerlei Zuneigung zu Katar (oder zu Saudi-Arabien). Mehr als Abneigung bringe ich aber nicht auf. Ich bin kein Erzieher, kein Missionar: Was andere in ihren Ländern tun, muss mir nicht gefallen, aber hinnehmen muss ich es doch.
Dabei muss ich nicht mal so weit fahren: Manche deutsche Großstadt bietet ja Viertel, in denen die Denkweise Katars oder Arabiens heimisch geworden ist. Dort regeln Friedensrichter das, womit sich gemeinhin deutsche Gerichte oder wenigstens die Polizei befassen sollten. Frauen gibt man nicht die Hand. Man predigt Intoleranz. Und da, man verzeihe mir an dieser Stelle, sehe ich allerdings schon mehr als nur Abneigung meinerseits. Hier möchte ich, dass gehandelt wird. Weil es hier passiert. Bei denen, die sich jetzt im Mainstream über Katar echauffieren, ist das irgendwie verrückt: Sie wollen die halbe Welt erziehen, sehen aber die Probleme im eigenen Land nicht – oft aus rein ideologischen Gründen.
Völkerrecht oder Schweine?
Ich stamme aus dem Teil der Welt, den wir gemeinhin als »den Westen« kennen. Gewisse Vorstellungen, die man dort – also hier – pflegt, teile ich auch. Dass Frauen absolut gleichwertig sind etwa. Oder dass Homosexualität nichts Verwerfliches, schon gar keine psychische Fehlfunktion ist. Wenn irgendwelche Scheichs aus Katar das anders sehen, möchte ich dem widersprechen. Jedenfalls stehe ich daneben und gucke irritiert, vielleicht – je nach Tagesform – spöttele ich auch ein wenig. Aber dann muss ich kurz mal innehalten und nachfragen: Wo haben die sich denn so geäußert? Ach, in ihrem Land? Damit ändert sich meine Haltung schlagartig.
Denn wenn jemand vom Völkerrecht kommt und nicht von den Schweinen, um die feministische Außenminsterin zu zitieren, dann muss er hier zurückstehen. Nun komme ich ja auch nicht aus dem Völkerrecht, ich bin ja kein Jurist. Aber ich halte das Völkerrecht für eine an sich vernünftige Sache. Und wenn da jemand für mich rückständige Ansichten in seinem Land vertritt, muss ich ja nicht jubeln. Aber einen pädagogischen Auftrag kann ich daraus nicht ableiten. Ich wohne dort ja nicht. Das müssen die Katarer schon selbst besorgen. Solange sie es nicht tun, solange sie diese Ansichten teilen, muss mir das recht sein.
Klar, das ist gelebte Ignoranz. Schließlich gucke ich weg, wenn da jemand in der Ferne über Schwule, Lesben, Frauen und was weiß ich noch herzieht – oder sie sogar körperlich angeht. Aber auch das gehört zum Völkerrecht und zur Diplomatie: Wegschauen können. Ja, wegschauen müssen. Es ist ein bisschen so wie in jedem normalen Alltagsleben: Es lebt sich leichter, wenn man nicht immer alles über seine Nächsten weiß, wenn man deren Fehler ausblendet. Tut man das nicht, kann es zuweilen richtig anstrengend werden.
Ja, das Völkerrecht besteht aus nicht unbeträchtlichen Teilen aus Ignoranz, Ignorantentum und gezieltem Wegschauen. Wer nicht von den Schweinen kommt, weiß das. Denn nur wenn man diese »Qualitäten« gelten lässt, kann man halbwegs miteinander umgehen. Verwirft man sie allerdings, ganz so wie es die sogenannte feministische Außenpolitik tut,
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