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Inflation ohne Ende | Von Rüdiger Rauls


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Ein Kommentar von Rüdiger Rauls.
Die Inflation hält sich hartnäckig. Die Allzweckwaffe Zinserhöhung scheint nicht die gewünschte Wirkung zu zeigen. Nun hat man die Kerninflation als Verursacher entdeckt. Welchen Nutzen hat das für die Verbraucher oder zumindest für die Erkenntnis?
Wiederentdeckung der Kerninflation
Der Begriff ist nicht neu. Er stammt aus den 1970er Jahren. Nun hat vermutlich irgendein Wirtschaftswissenschaftler die Kerninflation aus den Archiven ausgegraben und sie wieder ins Gespräch gebracht. Jedenfalls wurde der Begriff von der Fachwelt dankbar aufgenommen und seit Monaten wird sie als die neue Erkenntnis für den Umgang mit Zinsen und Inflation herumgereicht.
Aber Inhalt und Sinn können dem Publikum nicht vermittelt werden. Die einzige Erläuterung ist, dass es sich dabei um die Inflation langlebiger Güter handelt ohne die stark schwankenden Preise für Energie und Lebensmittel. Letztere aber sind gerade jene Güter, deren Aufschläge den Menschen in den letzten Monaten das Leben schwer gemacht haben. Was bringt es, diese auszuklammern?
Unübersehbar ist, dass die Werte der Kerninflation wesentlich niedriger sind als die des Verbraucherpreisindexes, der die allgemeinen Preissteigerungen gegenüber dem Vorjahresmonat abbildet. Während sich die Kerninflation in den Monaten von Januar bis April 2023 um die 5,7 Prozent (1) bewegte, lagen der offizielle Wert für den Verbraucherindex bei fast 9 Prozent (2). Je nach Berechnungsgrundlagen werden auch noch höhere Werte genannt.
Die Preise für Lebensmittel jedoch stiegen weit deutlicher, im März 2023 um satte 22,3% gegenüber dem Vorjahresmonat. Damit hat sich ihr Preisauftrieb sogar gegenüber den Vormonaten (Februar 2023, +21,8 %, Januar 2023: +20,2 %) noch weiter verstärkt und liegt mittlerweile dreimal so hoch wie die Gesamtteuerung. Diese Zahlen sind beunruhigend. Deshalb stellt sich natürlich die Frage, ob es sich bei der Betonung der Kerninflation um eine Beruhigungspille handelt oder ob sie tatsächlich Bedeutung hat für die Bekämpfung dieser Preisentwicklung.
Hirnakrobatik
Jedenfalls scheint EZB-Chefin Christine Lagarde der Kerninflation eine hohe Bedeutung beizumessen. Denn nach der EZB-Ratssitzung vom März dieses Jahres erklärte sie, dass man über weitere Zinserhöhungen datenabhängig entscheiden werde. Damit waren sowohl die Inflationsprognosen gemeint, was nachvollziehbar ist, aber auch „die Entwicklung der Kerninflation“ (3). Aber kaum jemand konnte mit dem Begriff etwas anfangen, außer dass damit der Preisanstieg langlebiger Güter gemeint ist.
Dennoch war das unbekannte Wesen Kerninflation in der Folge häufiger Erklärungsansatz für das bescheidene Ergebnis der kräftigen Zinsanhebungen. Es dauerte dann immerhin bis zum 13. Mai dieses Jahres, bis das Thema von der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, die unter den Mainstream-Medien neben dem Handelsblatt über die höchste Kompetenz in Wirtschaftsfragen verfügt, einer genaueren Untersuchung unterzogen wurde. Die Fragestellung ist, ist Kerninflation bedeutend oder nur eine „unscheinbare Messgröße der Statistiknerds“ (4).
Der Eindruck der Unscheinbarkeit konnte in dem Beitrag nicht ausgeräumt werden, geschweige denn dass die von  der FAZ befragten Expertinnen der EZB die Bedeutung dieser Messgröße überhaupt darlegen konnten. Weder Lagarde noch Direktoriumsmitglied Isabel Schnabel oder Annette Frühling als erklärte Preisexpertin der Deutschen Bundesbank konnten Licht ins Halbdunkel der wirtschaftswissenschaftlichen Begriffswelt bringen.
Wenn auch die Gesamtinflation sich abgeschwächt habe, so sei der „zugrundeliegende Preisdruck“(4) aber immer no...
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