Ständige Selbstkontrolle ersetzt kein gesundes Urteilsvermögen.
Diese Folge hinterfragt das Ideal ständiger Neutralität – und zeigt, warum bewusste Bewertung kein Rückfall, sondern ein Zeichen von Klarheit ist.
„Bewertung“ und „Vorurteile“ gelten oft als negativ besetzte Begriffe – als etwas, das wir möglichst vermeiden sollten. Dabei sind sie ursprünglich sinnvolle, ja notwendige Fähigkeiten, um Menschen und Situationen einschätzen und darauf reagieren zu können.
Wir brauchen Maßstäbe, um uns zu orientieren: Was tut mir gut, was nicht?
Wem vertraue ich – wem eher nicht?
Was sind meine Erfahrungen, meine Beobachtungen, meine Instinkte?
Vorurteile – im ursprünglichen Sinne als Voreinschätzungen – helfen uns, nicht immer wieder dieselben Fehler zu machen.
Sie erinnern uns daran, wenn wir schon einmal etwas übergangen oder uns selbst überhört haben.
Natürlich gibt es Formen von Bewertung, die ins Pauschale oder Feindselige kippen – etwa wenn man ständig Schuldige sucht oder in Verachtung verharrt.
Doch das ist selten.
In der Regel entwickeln sich unsere Einschätzungen mit uns weiter: Vorurteile entkräften sich, bestätigen sich oder verändern sich durch neue Erfahrungen.
Sich ständig zu kontrollieren, nur um ja nicht zu „bewerten“, macht auf Dauer eher starr und künstlich.
Es ist kein Zeichen von Reife, alles neutral zu lassen – sondern oft ein Ausdruck von Unsicherheit oder Angst vor sozialer Sanktion.
Dabei ist es zutiefst menschlich, zu spüren, zu unterscheiden, zu bewerten.