Wegziehen, Auswandern oder Weglaufen?
Ein Standpunkt von Jochen Mitschka.
Mit diesem Artikel soll nicht die Diskussion darüber geführt werden, ob Deutschland nun, wie so viele andere Länder, in eine Form des autoritären Korporatismus und eine Herrschaft von Konzernen abrutscht, der große Ähnlichkeiten zum Faschismus hat. Wir wollen dies einfach einmal als Arbeitsthese voraussetzen. Ich will darüber nachdenken, ob ein Weggehen, oft als "Auswandern" beschrieben, eine vertretbare Option ist.
Wir sollten uns daran erinnern, dass der Faschismus keine deutsche Erfindung war. Vielmehr war es eine globale Bewegung vor über 100 Jahren, mit der Herrscher ihre Untertanen hofften aus dem Rückzug ins Private, aus der Lethargie zu holen, um sie für den Staat zum Einsatz bringen zu können. Deutschland war lediglich eines der Länder, welche die Ideologie auf die Spitze trieb. Und viele Länder bewunderten Deutschland für die Perfektion, mit der vorgegangen wurde, nicht nur dank Computervorläufern auf Lochkartenbasis, geliefert von IBM.
Und die Menschen ließen sich begeistern und mitreißen, die Eliten der Staaten freuten sich. Und erst als die Auswüchse in Deutschland bekannt wurden, als der Krieg die Welt zerstörte, begann der Niedergang der offiziellen faschistischen Bewegungen weltweit. Dabei wurde aber nicht der Geist vernichtet, welcher eine elitäre Herrschaft als Notwendigkeit ansieht, um die dummen und Lenkung benötigenden Massen zu führen.
Aber natürlich gab es, wie immer, eine Minderheit, die sich diesem Begeisterungssturm der Mehrheit widersetzte, die erkannte, dass hier die Errungenschaften der Aufklärung ins Gegenteil verkehrt wurden, und die schließlich das Exil als letzte Option sahen, um weiter offen ihre Meinung zu sagen, ohne von gesellschaftlichen und staatlichen Sanktionen getroffen zu werden.
Es gab immer wieder Phasen in der Geschichte Deutschlands und der anderen Länder, wo Gruppen von Menschen nur noch die Möglichkeit sahen, das Land zu verlassen, um so zu leben, wie sie es für angemessen hielten. Nur leben wir heute im Zeitalter der Globalisierung. Gab es früher die Weiten des Wilden Westens, die scheinbar grenzenlosen Möglichkeiten in den Kolonien oder die grundsätzlichen kulturellen Unterschiede einzelner Regionen, ist das heute nicht mehr in dem Maße gegeben.
Andererseits ist heute durch die Globalisierung eine Kommunikationskultur entstanden, durch die man kaum noch merkt, ob der Gesprächspartner im Nachbarraum sitzt, oder eben auf der anderen Seite der Weltkugel. Weshalb das Verlassen eines Landes weniger Einfluss auf die sozialen Kontakte haben muss als früher. Aber natürlich gibt es noch viel mehr Dinge zu berücksichtigen, wenn man über das Wegziehen aus Deutschland spricht.
Exilanten gibt es schon immer
Es gibt also schon immer Menschen, die aus der Heimat flüchten mussten, um der gesellschaftlichen oder politischen Entwicklung zu entgehen. Einige hatten das Glück, nach einer Änderung der Verhältnisse in die Heimat zurückkehren zu können. Andere, wie der Vater der thailändischen Revolution, Pridi Phanomyong, der nach der ersten von inzwischen 20 Militärputschen nach der Revolution bis zum Tod vergeblich darauf wartete. Der gesellschaftliche Einfluss der meisten Exilanten verblasste mit der Zeit, die sie im Ausland waren. Aber der Einfluss anderer vergrößerte sich sogar.
Das beste Beispiel dafür dürfte der Vater der islamischen Revolution, der Begründer des theokratisch-republikanischen Irans sein, Ruhollah Chomeini. Wichtigstes Werkzeug der Verbreitung seiner Ideen waren Reden von ihm gewesen, die auf Tonbänder aufgenommen, in den Iran geschmuggelt und in Moscheen abgespielt wurden. Wie mühsam, verglichen mit den modernen Methoden der Kommunikation, und doch wirksam. Vielleicht aber muss der "Widerstand" wieder auf ähnliche Methoden zurückgreifen, seit man durch Snowden gewahr wurde, wie allumfassend die Kontrolle der digitalen Nachr...