apolut Podcast Archive - apolut.net

Kultureller Bankrott | Von Felix Feistel


Listen Later

Ein Standpunkt von Felix Feistel.
Die industrialisierte Massengesellschaft ist Ausdruck einer barbarischen Kultur
Jedes Jahr im Mai findet der Eurovision Songcontest statt, ein Wettbewerb, ausgetragen von der  Europäischen Rundfunkunion, in immer unterschiedlichen Ländern. Weit mehr Länder, als nur die EU sind Teil dieses Spektakels, und tragen jedes Jahr die von ihnen ausgewählten Lieder vor, wonach dann in einem Ranking durch Punktevergabe der Mitglieder entschieden wird, welches Lied das beste war. Auch dieses Jahr wurde dieses Event in Liverpool abgehalten, stellvertretend für den Ort, wo es eigentlich hätte stattfinden sollen: In der Ukraine. Diese hatte im vergangenen Jahr gewonnen, und daher eigentlicher Austragungsort dieser Veranstaltung sein sollen. Aufgrund der derzeitigen Situation vor Ort konnte der ESC allerdings nicht in diesem Land stattfinden. Wie jedes Jahr, so war der Eurovision Songcontest in diesem Jahr hauptsächlich eines: Die Bankrotterklärung einer Massenkultur.
Denn bei der dort vorgestellten Musik handelt es sich in der Regel um massentaugliche Stangenware. Radiotauglichkeit ist auch eines der Kriterien, die von der Musik erfüllt werden müssen. Im Bestreben, den Sieg zu erringen passen die Schreiber, Sängerinnen und Sänger ihren Stil an die breite Masse an, und so verkommt die gesamte Musik zu einem popkulturellen Einheitsbrei, der wenig Individuelles hervorbringt, sondern in fraktaler Selbstähnlichkeit immer nur die Wiederkehr des ewig Gleichen zelebriert. Die Mehrheit der Lieder wird in englischer Sprache vorgetragen, beinahe alle sind einem aus den USA importierten elektronischen Pop nachempfunden, der heutzutage ohnehin aus jedem Radiosender plärrt.
Die wenigen Ausnahmen, die auf Individualität oder Folklore setzen, erzielen auch selten gute Ergebnisse. So trat Deutschland in diesem Jahr immerhin mit einer Metalband an, und wurde prompt auf den letzten Platz verwiesen. Die Plagiatsvorwürfe, die der schwedischen Gewinnerin Loreen kurz nach ihrem Sieg gemacht wurden, erklären sich in erster Linie wohl nicht aus dem tatsächlichen Abkupfern, sondern daher, dass die Musik heutzutage einfach immer gleich klingt. Sie entspringt einer massenkulturellen Kulturindustrie, die einen einheitlichen Massengeschmack produziert hat, der immer wieder bedient werden will. So ist der ESC die Bankrotterklärung der kapitalistischen Massenkultur.
Dabei ist die grundsätzliche Idee des ESC eine ganz und gar unterstützenswerte. Kulturen, die noch vor nicht allzu langer Zeit im Krieg miteinander lagen, sich als Feinde und Konkurrenten gesehen haben, kommen in einem großen Event zusammen, um gegenseitig ihre Kultur in Form von Musik, Tänzen und Kleidung vorzustellen. Auf diese Weise lernen die Menschen verschiedener Länder einander kennen und schätzen, was Krieg gegeneinander unmöglich machen soll. Nur leider hat sich das Event von dieser Idee längst entfernt. Nicht nur wird es immer wieder als politische Bühne missbraucht, in der klare, politische Statements gemacht werden. So durften in diesem Jahr Russland und Weißrussland beispielsweise nicht teilnehmen, und die Vertreter Deutschlands schwenkten auch nicht die eigene Nationalflagge, sondern die Fahne einer LGBTQ-Ideologie – als einziges Land, übrigens. Doch auch auf Ebene der Kunst selbst ist von der ursprünglichen Idee nicht mehr viel übrig. Statt heimatlicher Folklore herrscht einheitlicher Pop, statt heimische Tänze ebenso popkulturelle Performances, die ohnehin den wichtigsten Aspekt der Show darstellen. Durch das Punktesystem und das Streben nach dem Sieg ist auch das friedensstiftende Projekt zu einer Konkurrenzveranstaltung geworden.
Von den Kulturen, die sich dort einander bekanntmachen, ist heutzutage ohnehin nicht mehr viel übrig. Denn Kultur ist das eine Gruppe von Menschen miteinander verbindende Element. Sie ist nicht die Kunst, die ein Volk hervorbringt, drückt sich aber in ihr aus und wird von ihr wiederum beein...
...more
View all episodesView all episodes
Download on the App Store

apolut Podcast Archive - apolut.netBy apolut Podcast Archive - apolut.net