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Land für Frieden | Von Hannes Hofbauer


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Ein Kommentar von Hannes Hofbauer.


Hinweis zum Beitrag: Der vorliegende Text erschien zuerst im „Rubikon – Magazin für die kritische Masse“, in dessen Beirat unter anderem Daniele Ganser und Hans-Joachim Maaz aktiv sind. Da die Veröffentlichung unter freier Lizenz (Creative Commons) erfolgte, übernimmt apolut diesen Text in der Zweitverwertung und weist explizit darauf hin, dass auch der Rubikon auf Spenden angewiesen ist und Unterstützung braucht. Wir brauchen viele alternative Medien!

Frieden ist innerhalb der derzeitigen Grenzverläufe der Ukraine schwer realisierbar, dabei hat das Land schon viel Erfahrung darin, sich innerhalb verschiebender Landesgrenzen neu zu organisieren.
Es bedarf keines Studiums der Kremlogie, um die Kriegsziele des obersten russischen Feldherrn erkennen zu können. Der von Moskau euphemistisch „Sonderoperation“ genannte Kriegsgang bezweckte von Anfang an dreierlei: die Rettung des immer stärker unter ukrainisch-nationalen, auch militärischen Druck geratenen Donbass, das Herausschälen möglichst vieler Teile des historischen Neurusslands aus dem Einflussbereich Kiews sowie einen Regimewechsel in der ukrainischen Hauptstadt, damit die Einverleibung der neurussischen Gebiete ins russische „Mutterland“ Bestand haben kann. Letzteres ist krachend gescheitert. Das zaristische Gouvernement „Noworossija“ war eine Kolonisierungsinitiative nach dem russisch-türkischen Krieg gegen Ende des 18. Jahrhunderts. Die diesem nun nacheifernde Veränderung der politischen Landkarte ist — mit extrem hohem Blutzoll — im Gange.
Der hohe Blutzoll und die Zerstörung ganzer Städte und Landstriche gebieten es, dem tödlichen Treiben ein sofortiges Ende zu setzen. Zurzeit ist das Gegenteil der Fall. Russlands schleichender Vormarsch, die ukrainische Verteidigung mittels einer Strategie der verbrannten Erde und das Vollpumpen der Ukraine mit westlichen Waffen ergeben ein toxisches Gemisch von mörderischem Hauen und Stechen, wie es Europa seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs nicht gesehen hat.
Die Schuldfrage ist in einer solchen Situation zweitrangig. Um sie soll es hier nicht gehen. Eine realistische, sprich das Leben auf den Kriegsboden zurückbringende Einschätzung tut Not. Die Losung dafür: Land für Frieden, also Grenzveränderungen, um die Waffen zum Schweigen zu bringen. Mit anderen Worten: die seit 2014 in ihrer Territorialität gescheiterte Ukraine in anderer, kleinerer Form auferstehen lassen.
Der Aufschrei dagegen wird laut sein. „Das wäre eine Niederlage für die Ukraine“, werden jene tönen, die sich seit über einem Jahr ohne Wenn und Aber und mit enormen Geldsummen Kiew an die Brust geworfen haben. Gemessen an den ersten beiden Kriegszielen des Kreml, nämlich der Angliederung des Donbass an die Föderation und dem Herauslösen möglichst großer Teile Neurusslands aus der ukrainischen Staatlichkeit, haben sie recht.
Aber die Ukraine könnte ohne ihre östlichen und südlichen Gebiete bestehen bleiben. Sie hat, daran darf hier erinnert werden, seit ihren Anfängen im Jahre 1917 schon mehrere, anfangs auch gleichzeitig nebeneinander bestehende und einander überlappende Staatlichkeiten erlebt.
Das wohl schlagendste Argument für den Abtausch Land gegen Frieden liegt in der Bevölkerungsstruktur des Landes, um das es geht, begründet. Die Mehrheit der Menschen im von Russland annektierten Donbass hat mit der Ukraine denkbar schlechte Erfahrungen gemacht. Sie sprechen nicht nur russisch, sie verstehen sich oft auch als Russen. Und Städte wie Odessa und Cherson, typische Siedlungen des unter den Zaren besiedelten Landstrichs, wurden nach der ukrainischen Unabhängigkeit 1991 von den national inspirierten Kiewer Regierungen grob vernachlässigt.
Der Autor dieser Zeilen erinnert sich noch an einen Besuch in...
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