Sehr wahrscheinlich bist Du im tiefsten Inneren nicht die Person, für die Du Dich hältst. Dein Ego – das, was Du “Ich” nennst – ist ein Konstrukt. Etwas, das Du seit dem Tag Deiner Geburt gestaltet hast. Es ist ein komplexes Geflecht aus äußeren und inneren Beurteilungen, Erwartungen, Hoffnungen und Ängsten. Und es ist größtenteils erfunden. Aber es ist eine Erfindung, die Du wahr gemacht hast. Weil Du sie jeden Tag lebst.

In gewisser Weise ist nichts davon wirklich. Genauso, wie alles wirklich ist. Derartige Kategorien haben keine Bedeutung. Das Einzige was zählt, ist Tiefe. All Deine Empfindungen sind wirklich, zumindest für Dich. Aber manche davon sind viel tiefgründiger als andere.

Versuche, Dich an eine Empfindung zu erinnern, die nur Minuten, oder gar Sekunden anhielt. Wie damals, als Du Dich ärgertest, dass Dir eine Büroklammer herunter fiel. Das belastete Dich nicht jahrelang, nicht wahr?

Dann denk zurück an ein Gefühl, das vor langer Zeit entstand, aber noch immer nicht abgeklungen ist. Wie, zum Beispiel, die Liebe für Dein Kind.

Nun frage Dich: Welche dieser Empfindungen ist Dir wichtiger?

Ich überlasse Dich einen Moment diesem Gedanken.

Für Dich sind all Deine Gefühle wahrhaftig. Aber sie alle sind entweder mehr oberflächlich oder tiefgründig. Je oberflächlicher eine Empfindung ist, umso schneller wird sie verklingen. Deine tiefsten Gefühle werden Dich für immer begleiten.

Wie lange eine Empfindung anhält, wirst Du selbstverständlich erst im Nachhinein feststellen. Wenn Du aber hier und jetzt wissen willst, wie wichtig ein Gefühl für Dich ist, frage Dich einfach: Wie tiefgründig ist es?

Das führt vielleicht nicht sofort zu einem klaren Ergebnis. Doch ich verspreche Dir, mit der Zeit kannst Du lernen, die Tiefe Deiner Gefühle sofort zu erkennen.

Das wird Dir gewaltig helfen bei all Deinen Entscheidungen. Denn selbstverständlich macht es keinen Sinn, Dein ganzes Leben an oberflächlichen Empfindungen auszurichten. Dein “Lebensplan” sollte auf dauerhaften Gefühlen begründet sein, oder?

Daher liegt Deine eigene Wahrheit in der Tiefe Deines Selbst. Um Deine Wahrheit zu finden, suche immer in der Tiefe. Versuche zu ergründen, was Du fühlst, viel tiefer, als Du es jemals zuvor empfunden hast. Dann suche tiefgründiger. Und wenn Du denkst, Du könntest nicht tiefer fühlen, suche noch tiefgründiger.

Denn es gibt keine wahrnehmbare Grenze Deiner Tiefe. Falls Du denkst, Du hättest diese Grenze erreicht, das hast Du nicht. Was Du vielleicht erreicht hast, ist die Grenze Deiner Bereitschaft, Dich zu öffnen.

Fühle immer tiefer. Es wird sich lohnen. Denn dort wirst Du Deine tiefste Wahrheit finden.

Um eine vorherige Aussage umzuformulieren: Deine wahre Lebensaufgabe ist, Dein tiefstes Selbst zu sein.

Im Mutterleib kennen wir keine Grenzen. Die Gefühle der Mutter sind die eigenen. Ihre Freude, Deine Freude. Ihre Wut, Deine Wut. Ihre Angst, Deine Angst. Es gibt keinen Unterschied zwischen „Ich“ und „Du“. Keinerlei Trennung. Alles ist eins. So werden wir geboren.

Dann beginnen wir zu „lernen“.

Wir lernen – von fast jedem, der uns begegnet – Mauern zu errichten. Mauern gegen den Schmerz. Mauern gegen die Wut. Mauern gegen die Scham. Mauern gegen die Angst. Mauern sind die „Lösung“ für alles. Mauern in uns. Mauern zwischen uns. Trennung wird zum definierenden Element unserer Existenz. Unsere ganze Lebensart ist ein Ausdruck eines zutiefst gespaltenen Geistes.

Die Entfremdung von unserem eigenen Selbst erzeugt eine dunkle Leere in uns. Verzweifelt versuchen wir, diese Leere zu füllen. In der Wohlstandsgesellschaft gibt es dazu scheinbar reichlich Gelegenheit: Parties, Social Media, Drogen oder eine Million anderer Dinge. Die überhaupt nichts bewirken, außer uns vorübergehend zu betäuben. Denn nichts wird uns jemals wirklich efüllen, solange wir nicht bereit sind, die Mauern in uns abzuschütteln.

Ohne Offenheit ist nicht nur Sex oberflächlich und leblos. So ist alles, wenn wir diesem Pfad folgen. Es gibt einen ganz einfachen Grund, warum unsere Kultur besessen zu sein scheint mit „Zombies“. Sie spiegeln treffend unser Dasein wider: Die meiste Zeit sind wir nichts anderes als wandelnde Kadaver.

Vielleicht erkennen wir das noch nicht einmal. Denn wir folgen diesem Weg schon so lange, dass wir bereits vergessen haben, wie es sich anfühlt, wahrhaftig lebendig zu sein. Wir haben bereits unsere wahre Natur vergessen. Denn nichts an dieser leblosen Existenz ist natürlich. Im Gegenteil. Es ist nur das Ergebnis jahre- oder jahrzehntelanger Gewohnheiten.

Die großartige Nachricht ist: Jede Gewohnheit kann auch wieder rückgangig gemacht werden. Ja, meistens braucht es dafür Geduld und Ausdauer. Aber es ist wie im Sport. Wenn man regelmäßig und lange genug an sich arbeitet, wird man Fortschritte machen.

In diesem Zusammenhang bedeutet Fortschritt letztendlich, Dein natürliches Selbst zu werden. Vertraue niemals irgendeiner Philosophie, Ideologie, oder Religion, die Deine eigentliche Natur verändern will. Sie werden Dich nur in die Irre führen.

Deine Lebensaufgabe ist, das zu werden, was Du wirklich bist.