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Da brennt sie, die erste Adventskerze. Die anderen sind noch aus. Mein Herz sehnt sich nach ihrem Licht in dieser dunklen Jahreszeit. Ich kann es kaum noch erwarten. So geht es uns, glaube ich, allen. Deshalb duftet es ja überall auch schon nach Zimt und Plätzchen, deshalb feiern wir die ersten Weihnachtsmärkte schon vor dem ersten Advent und das Gebäck zum Fest kaufen wir heimlich schon seit September im Laden. Das Warten fällt uns schwer. Mir auch.
Nun hat sie wenigstens endlich begonnen, die Adventszeit. Wir können endlich wieder die vertrauten Lieder singen. (Ist ja einfach komisch, wenn man das im April tut.) Wir sitzen hier und zünden die erste Kerze an. Und die Spannung steigt. War es heute das 2.357 Mal, dass man mir sagte, Advent heiße "Ankunft". Deine Ankunft ist nahe. Wie soll ich dich empfangen?
Kommst du denn überhaupt? Ist das nicht alles eine alte Geschichte? Vor 2.000 Jahren, ja, da haben sie gewartet. Sie kannten ja nur Gottes Verheißungen, dass irgendwann einer kommen solle. Lang war die Zeit geworden. Jahrhunderte vergingen, ohne dass die Versprechen der Prophet:innen irgendwann wahr wurden. Viele haben schon gezweifelt. Und dann bist du gekommen. Ganz unerwartet. Anders, als alle es dachten. Ein Engel kam zu einer Teenagerin in einem vergessenen Dorf in Galiläa. Eine Schwangerschaft unter fragwürdigen Umständen. Eine Geburt in einer prekären Lage, ohne Zuhause, ohne Bett, ohne Wärme und Geborgenheit. Nur stinkende Schafe und Fremde, die die Ruhe stören. Flucht, noch kurz darauf. Aber: Du bist gekommen. Die, die dich gesehen haben, haben Gottes Herrlichkeit gesehen. "Große Freude" und "Friede auf Erden". Die, die dabei waren, hat das für immer verändert.
Und jetzt? Kommst du denn überhaupt? "Dieser Jesus, der von euch weg in den Himmel aufgenommen wurde, wird wiederkommen – genauso wie ihr ihn habt in den Himmel gehen sehen.", hat ein anderer Engel damals gesagt (Apg. 1,11). Seither wartet deine Kirche. 2.000 Jahre schon. Und wir könnten den Friedenskönig wirklich gebrauchen. Die Zeit wird uns lang. Kommst du denn?
Und jetzt? Was, wenn es noch einmal 2.000 Jahre dauert, bis du kommst? Wie wird denn mir Advent, hier, 2024 in Gäufelden?
Die Kerze brennt und flackert im Luftzug. Ich werde leise. Ich denke nach. Wie begegn' ich dir, o aller Welt Verlangen?
Kommst du nicht heute, zu Henri, den wir getauft haben, ganz persönlich? Du sprichst doch zu ihm. Du gibst ihm dein Versprechen. Ihr gehört zusammen, du und er. Für immer. Du bist gekommen. Du hast dich an seine Seite gestellt. Da bleibst du, das ist sicher. Bis ans Ende der Welt.
Bist du nicht auch zu mir gekommen? In der Taufe? Im Abendmahl, immer wieder? Aber auch da, wo ich dich gar nicht vermutet habe--oft gar nicht wahrgenommen? Du bist da, an meiner Seite, in guten wie in schlechten Tagen. Du sprichst mich an, durch dein Wort, im Evangelium, dieser unendlich guten Nachricht, dass Gott mir freundlich gewogen ist durch dich. Du begegnest mir in anderen Menschen. Viele davon sitzen heute hier. In unserer Gemeinschaft bist du gegenwärtig. Ich sehe dich im Lächeln von süßen Kindern wie Henri. Und wenn ich bereit bin, dich zu sehen, dann treffe ich dich auch gerade in den Menschen, bei denen ich das am wenigsten vermutet hätte.
Wie soll ich dich empfangen...
Vielleicht liegt dein "Kommen" zu mir ja gerade in dem, dass ich dich wahrnehme, der du doch immer bei mir bist. Dass ich innehalte. Mein Herz aufmache. Meine Ohren öffne für dein Reden. Meine Augen öffne für deine Gegenwart. Meine Sinne öffne für den Frieden, den du bringst. Ob es gar mir gilt, was wir immer wieder beten, beim Abendmahl: "... wo du einkehrst, da kehrt Friede ein?"
Wie soll ich dich empfangen und wie begegn’ ich dir, o aller Welt Verlangen, o meiner Seelen Zier?Ich schaue mich um, was andere tun. Mein Blick fällt auf die, die dir damals begegnet sind. Die, die dich ganz real als den Friedenskönig in ihrer Mitte aufgenommen haben. Ihre Erwartungen waren groß. Ihre Freude über dein Kommen auch...
Dein Zion streut dir Palmen und grüne Zweige hin...
Das war ein Fest, als du, groß gewordenes Kind von Betlehem, erwartet wurdest in Jerusalem. Matthäus erzählt das so:
1 Kurz vor Jerusalem kamen Jesus und seine Jünger nach Betfage am Ölberg. Da schickte Jesus zwei seiner Jünger voraus 2 und sagte zu ihnen: »Geht in das Dorf, das vor euch liegt. Dort findet ihr gleich eine Eselin angebunden, zusammen mit ihrem Jungen. Bindet sie los und bringt sie mir. 3 Und wenn euch jemand fragt: ›Was soll das?‹, dann sagt: ›Der Herr braucht sie.‹ Dann wird er sie euch sofort geben.« 4 So ging in Erfüllung, was Gott durch den Propheten gesagt hat: 5 »Sagt zu der Tochter Zion: ›Sieh doch: Dein König kommt zu dir! Er ist freundlich und reitet auf einem Esel, einem jungen Esel – geboren von einer Eselin.‹« 6 Die Jünger gingen los und machten alles genau so, wie Jesus es ihnen aufgetragen hatte. 7 Sie brachten die Eselin und ihr Junges herbei und legten ihre Mäntel über sie. Jesus setzte sich darauf. 8 Die große Volksmenge breitete ihre Mäntel auf der Straße aus. Andere schnitten Palmzweige von den Bäumen ab und legten sie ebenfalls auf die Straße. 9 Die Volksmenge, die vor Jesus herging und ihm folgte, rief unablässig: »Hosianna dem Sohn Davids! Gesegnet sei, wer im Namen des Herrn kommt! Hosianna in himmlischer Höhe!« 10 So zog Jesus in Jerusalem ein. Die ganze Stadt geriet in Aufregung. Die Leute fragten sich: »Wer ist er nur?« 11 Die Volksmenge sagte: »Das ist Jesus, der Prophet aus Nazaret in Galiläa.« (Matthäus 21,1-11)Das mit den Eseln, das ist ihm wichtig, dem Erzähler. Das merkt man. Klar: Er kannte ja die alte Prophezeiung. Lange war es her, da hatte der Prophet Sacharja einen neuen Davidskönig in Israel vorhergesagt. Einen, dessen Königreich anders sein würde, als alles, was man kannte. Einen, der Frieden bringen würde und Gerechtigkeit für alle. "Freundlich" würde er sein. Zugewandt. Da für die Menschen. "Freundlich, und reitet auf einem Esel, einem jungen Esel." Die anderen dort, an diesem Tag, die kannten diese Worte auch. Sie sahen sie vor ihren Augen in Erfüllung gehen. Jetzt! Jetzt war er endlich da.
Sie konnten ihre Gefühle nicht mehr unterdrücken. Es brach geradezu aus ihnen heraus! "Gesegnet sei, wer im Namen des Herrn kommt!" Gott ist gut, der das heute tut! Welch ein Tag! ... Und: "Hosianna!" "hōschī‘āh nā’" ist ein Psalmzitat (Ps. 118,25). "Hilf doch!" riefen die Menschen dir zu. Wenn du der Daviskönig bist, der Frieden bringt--dann jetzt! "Hilf doch!" Die jüdischen Ohren hörten ja die Anklänge auch in deinem Namen. Jesus. Jeschua. "Gott hilft", heißt das ganz wörtlich.
So haben sie dich empfangen. Mit Lob und mit Vertrauen. Und mit Zweigen von den Bäumen...
Dein Zion streut dir Palmen und grüne Zweige hin...Mir scheint, es ist ihnen aufgefallen in diesem Moment, dass sie ja gar nicht vorbereitet waren. Wäre wirklich "offiziell" ein König eingezogen, dann hätte es eine Parade gegeben. Mit Palmzweigen hätte man ihm gewinkt, dem neuen Herrscher. Sie stehen mit leeren Händen hier. Schnell wird Abhilfe geschaffen. Wo es keinen roten Teppich gibt, da müssen die Kleider der Wartenden herhalten. Manche klettern schon auf die Bäume, um deren Zweige abzuhauen. Man muss ihn doch angemessen begrüßen, den der da kommt. Den Einen! Den von Gott gesandten. Den Friedenskönig, der alles verändern wird.
Wie soll ich dich empfangen und wie begegn’ ich dir, o aller Welt Verlangen, o meiner Seelen Zier?Ich habe den Verdacht, dass grüne Zweige allein es nicht tun werden--auch wenn wir sie noch so schön zu Adventskränzen binden. Du kommst. Zu uns. Zu mir. Wohl kaum, dass wir dir mit Reisig winken.
Wie soll ich dich empfangen und wie begegn’ ich dir, o aller Welt Verlangen, o meiner Seelen Zier?Mein Herz soll dir grünen.
Mein Herze soll dir grünen in stetem Lob und Preis und deinem Namen dienen, so gut es kann und weiß.Lass mein Herz, mein Innerstes, mein Alles -- lass mein Leben den grünen Zweig sein, der dich willkommen heißt bei mir. Bei uns. Das klingt gut, wenn Paul Gerhardt es dichtet. Es klingt noch besser, wenn es konkret wird, hier bei mir.
So soll dieser Advent mein Empfang für dich werden, König Jesus, Friedefürst:
Mein Herz soll dir grünen.
Ich will dir mein Herz aufmachen. Möchte mir bewusst sein, dass du da bist. Nicht nur am Adventssonntag im Gottesdienst. Nicht nur da, wo Kerzen brennen. Sondern gerade da, wo es dunkel ist. Da will ich dich immer wieder neu bei mir wissen, bei mir empfangen, will Gedanken und Sinne ausrichten auf dich. Im Vertrauen auf dich will ich meine Schritte gehen. Will dich wieder ganz kindlich für selbstverständlich nehmen, da, bei mir, einfach weil du es versprochen hast. So, wie ich es Henri wünsche, für die nächsten Jahre. Aus diesem Vertrauen, an deiner Hand, will ich diese Tage leben. Getrost. In deinem Frieden.
Mein Herz soll dir grünen.
Vielleicht heißt das auch, mich erst einmal frei zu machen, von manchem, was mich belastet oder ablenkt von dir. Nicht umsonst war Advent früher eine Fastenzeit. Das kann ich mir heute, zwischen Weihnachtsmarkt und Backorgien, kaum vorstellen. Vielleicht kann es für mich dieses Jahr eine Zeit werden, in der ich loslasse. In der ich alte Verletzungen dir bringe und mich von dir heilen lasse. In der ich neu beginne--in Beziehungen zu anderen und zu mir selbst.
Mein Herz soll dir grünen.
Ich will dir den Mund aufmachen. "Gesegnet sei, wer im Namen des Herrn kommt!" So stimme ich neu und von Herzen mit ein in die alten Lieder (und in die neuen auch). Ich nehme mir Zeit in diesen Adventstagen, dich zu loben, zu singen und zu erzählen von dem Guten, das du tust. Nicht nur in der beschaulichen Stille eines kerzenerleuchteten Kirchraums. Nein, auch und gerade im rauen Alltag, in der Begegnung mit anderen. Überall, wo der Friedenskönig neu "einziehen" muss, will ich reden von dir, von dem, auf den ich vertraue. Ich will die Hoffnung, die ich habe, mit anderen teilen, damit auch sie getrost werden, in deinem Frieden.
Mein Herz soll dir grünen.
Ich will meine Arme öffnen für die, die eine Umarmung brauchen. Vielleicht besuche ich einen einsamen Menschen. Vielleicht lasse ich mich überzeugen, für einen guten Zweck etwas zu tun oder zu spenden. Vielleicht nehme ich mir einfach Zeit, jemandem zuzuhören. Vielleicht schaffe ich bewusst Raum für bedeutungsvolle Momente in meiner Familie. Vielleicht wird es auch dadurch "grün", dass ich mir überlege, wie das Schenken und das Feiern nicht auf Kosten deiner guten Schöpfung geht--mit weniger Konsum. Vielleicht mit mehr Selbstgemachtem.
Mein Herz soll dir grünen.
Da bin ich ja nicht allein. Ich bin Teil einer Gemeinschaft von Menschen, die dich erwarten, dich empfangen, die sich an dir freuen, mit mir. Wie die eine Kerze den Weg frei macht für viele, so leuchtet das Licht deines Evangeliums an ganz vielen Stellen auf in unserem Advent. Wir sind verbunden und stärken uns miteinander an dem, was wir bei dir finden: Frieden. Zuversicht. Mut zum Leben. Zukunft. Mein grünendes Herz erinnert mich: Ich bin Teil einer Hoffnungsgemeinschaft. Das soll in mir wachsen und grünen in diesem Advent.
Mit grünendem Herzen, im Vertrauen auf dich und gemeinsam mit denen, die mit mir auf dich hoffen, will ich Teil werden, von denen, die dich freudig und lautstark grüßen. Lass Herz und Mund und Hände meine Zweige sein, mit denen ich denen zuwinke, die noch ohne diese Zuversicht sind. Wo "Hosianna", "hilf uns", noch der Ruf der Zeit ist, da lass mich, lass uns antworten von dem, was unser Herz ergrünen lässt:
Das schreib dir in dein Herze, du hochbetrübtes Heer, bei denen Gram und Schmerze sich häuft je mehr und mehr; seid unverzagt, ihr habet die Hilfe vor der Tür; der eure Herzen labet und tröstet, steht allhier.Amen.
By Christoph FischerDa brennt sie, die erste Adventskerze. Die anderen sind noch aus. Mein Herz sehnt sich nach ihrem Licht in dieser dunklen Jahreszeit. Ich kann es kaum noch erwarten. So geht es uns, glaube ich, allen. Deshalb duftet es ja überall auch schon nach Zimt und Plätzchen, deshalb feiern wir die ersten Weihnachtsmärkte schon vor dem ersten Advent und das Gebäck zum Fest kaufen wir heimlich schon seit September im Laden. Das Warten fällt uns schwer. Mir auch.
Nun hat sie wenigstens endlich begonnen, die Adventszeit. Wir können endlich wieder die vertrauten Lieder singen. (Ist ja einfach komisch, wenn man das im April tut.) Wir sitzen hier und zünden die erste Kerze an. Und die Spannung steigt. War es heute das 2.357 Mal, dass man mir sagte, Advent heiße "Ankunft". Deine Ankunft ist nahe. Wie soll ich dich empfangen?
Kommst du denn überhaupt? Ist das nicht alles eine alte Geschichte? Vor 2.000 Jahren, ja, da haben sie gewartet. Sie kannten ja nur Gottes Verheißungen, dass irgendwann einer kommen solle. Lang war die Zeit geworden. Jahrhunderte vergingen, ohne dass die Versprechen der Prophet:innen irgendwann wahr wurden. Viele haben schon gezweifelt. Und dann bist du gekommen. Ganz unerwartet. Anders, als alle es dachten. Ein Engel kam zu einer Teenagerin in einem vergessenen Dorf in Galiläa. Eine Schwangerschaft unter fragwürdigen Umständen. Eine Geburt in einer prekären Lage, ohne Zuhause, ohne Bett, ohne Wärme und Geborgenheit. Nur stinkende Schafe und Fremde, die die Ruhe stören. Flucht, noch kurz darauf. Aber: Du bist gekommen. Die, die dich gesehen haben, haben Gottes Herrlichkeit gesehen. "Große Freude" und "Friede auf Erden". Die, die dabei waren, hat das für immer verändert.
Und jetzt? Kommst du denn überhaupt? "Dieser Jesus, der von euch weg in den Himmel aufgenommen wurde, wird wiederkommen – genauso wie ihr ihn habt in den Himmel gehen sehen.", hat ein anderer Engel damals gesagt (Apg. 1,11). Seither wartet deine Kirche. 2.000 Jahre schon. Und wir könnten den Friedenskönig wirklich gebrauchen. Die Zeit wird uns lang. Kommst du denn?
Und jetzt? Was, wenn es noch einmal 2.000 Jahre dauert, bis du kommst? Wie wird denn mir Advent, hier, 2024 in Gäufelden?
Die Kerze brennt und flackert im Luftzug. Ich werde leise. Ich denke nach. Wie begegn' ich dir, o aller Welt Verlangen?
Kommst du nicht heute, zu Henri, den wir getauft haben, ganz persönlich? Du sprichst doch zu ihm. Du gibst ihm dein Versprechen. Ihr gehört zusammen, du und er. Für immer. Du bist gekommen. Du hast dich an seine Seite gestellt. Da bleibst du, das ist sicher. Bis ans Ende der Welt.
Bist du nicht auch zu mir gekommen? In der Taufe? Im Abendmahl, immer wieder? Aber auch da, wo ich dich gar nicht vermutet habe--oft gar nicht wahrgenommen? Du bist da, an meiner Seite, in guten wie in schlechten Tagen. Du sprichst mich an, durch dein Wort, im Evangelium, dieser unendlich guten Nachricht, dass Gott mir freundlich gewogen ist durch dich. Du begegnest mir in anderen Menschen. Viele davon sitzen heute hier. In unserer Gemeinschaft bist du gegenwärtig. Ich sehe dich im Lächeln von süßen Kindern wie Henri. Und wenn ich bereit bin, dich zu sehen, dann treffe ich dich auch gerade in den Menschen, bei denen ich das am wenigsten vermutet hätte.
Wie soll ich dich empfangen...
Vielleicht liegt dein "Kommen" zu mir ja gerade in dem, dass ich dich wahrnehme, der du doch immer bei mir bist. Dass ich innehalte. Mein Herz aufmache. Meine Ohren öffne für dein Reden. Meine Augen öffne für deine Gegenwart. Meine Sinne öffne für den Frieden, den du bringst. Ob es gar mir gilt, was wir immer wieder beten, beim Abendmahl: "... wo du einkehrst, da kehrt Friede ein?"
Wie soll ich dich empfangen und wie begegn’ ich dir, o aller Welt Verlangen, o meiner Seelen Zier?Ich schaue mich um, was andere tun. Mein Blick fällt auf die, die dir damals begegnet sind. Die, die dich ganz real als den Friedenskönig in ihrer Mitte aufgenommen haben. Ihre Erwartungen waren groß. Ihre Freude über dein Kommen auch...
Dein Zion streut dir Palmen und grüne Zweige hin...
Das war ein Fest, als du, groß gewordenes Kind von Betlehem, erwartet wurdest in Jerusalem. Matthäus erzählt das so:
1 Kurz vor Jerusalem kamen Jesus und seine Jünger nach Betfage am Ölberg. Da schickte Jesus zwei seiner Jünger voraus 2 und sagte zu ihnen: »Geht in das Dorf, das vor euch liegt. Dort findet ihr gleich eine Eselin angebunden, zusammen mit ihrem Jungen. Bindet sie los und bringt sie mir. 3 Und wenn euch jemand fragt: ›Was soll das?‹, dann sagt: ›Der Herr braucht sie.‹ Dann wird er sie euch sofort geben.« 4 So ging in Erfüllung, was Gott durch den Propheten gesagt hat: 5 »Sagt zu der Tochter Zion: ›Sieh doch: Dein König kommt zu dir! Er ist freundlich und reitet auf einem Esel, einem jungen Esel – geboren von einer Eselin.‹« 6 Die Jünger gingen los und machten alles genau so, wie Jesus es ihnen aufgetragen hatte. 7 Sie brachten die Eselin und ihr Junges herbei und legten ihre Mäntel über sie. Jesus setzte sich darauf. 8 Die große Volksmenge breitete ihre Mäntel auf der Straße aus. Andere schnitten Palmzweige von den Bäumen ab und legten sie ebenfalls auf die Straße. 9 Die Volksmenge, die vor Jesus herging und ihm folgte, rief unablässig: »Hosianna dem Sohn Davids! Gesegnet sei, wer im Namen des Herrn kommt! Hosianna in himmlischer Höhe!« 10 So zog Jesus in Jerusalem ein. Die ganze Stadt geriet in Aufregung. Die Leute fragten sich: »Wer ist er nur?« 11 Die Volksmenge sagte: »Das ist Jesus, der Prophet aus Nazaret in Galiläa.« (Matthäus 21,1-11)Das mit den Eseln, das ist ihm wichtig, dem Erzähler. Das merkt man. Klar: Er kannte ja die alte Prophezeiung. Lange war es her, da hatte der Prophet Sacharja einen neuen Davidskönig in Israel vorhergesagt. Einen, dessen Königreich anders sein würde, als alles, was man kannte. Einen, der Frieden bringen würde und Gerechtigkeit für alle. "Freundlich" würde er sein. Zugewandt. Da für die Menschen. "Freundlich, und reitet auf einem Esel, einem jungen Esel." Die anderen dort, an diesem Tag, die kannten diese Worte auch. Sie sahen sie vor ihren Augen in Erfüllung gehen. Jetzt! Jetzt war er endlich da.
Sie konnten ihre Gefühle nicht mehr unterdrücken. Es brach geradezu aus ihnen heraus! "Gesegnet sei, wer im Namen des Herrn kommt!" Gott ist gut, der das heute tut! Welch ein Tag! ... Und: "Hosianna!" "hōschī‘āh nā’" ist ein Psalmzitat (Ps. 118,25). "Hilf doch!" riefen die Menschen dir zu. Wenn du der Daviskönig bist, der Frieden bringt--dann jetzt! "Hilf doch!" Die jüdischen Ohren hörten ja die Anklänge auch in deinem Namen. Jesus. Jeschua. "Gott hilft", heißt das ganz wörtlich.
So haben sie dich empfangen. Mit Lob und mit Vertrauen. Und mit Zweigen von den Bäumen...
Dein Zion streut dir Palmen und grüne Zweige hin...Mir scheint, es ist ihnen aufgefallen in diesem Moment, dass sie ja gar nicht vorbereitet waren. Wäre wirklich "offiziell" ein König eingezogen, dann hätte es eine Parade gegeben. Mit Palmzweigen hätte man ihm gewinkt, dem neuen Herrscher. Sie stehen mit leeren Händen hier. Schnell wird Abhilfe geschaffen. Wo es keinen roten Teppich gibt, da müssen die Kleider der Wartenden herhalten. Manche klettern schon auf die Bäume, um deren Zweige abzuhauen. Man muss ihn doch angemessen begrüßen, den der da kommt. Den Einen! Den von Gott gesandten. Den Friedenskönig, der alles verändern wird.
Wie soll ich dich empfangen und wie begegn’ ich dir, o aller Welt Verlangen, o meiner Seelen Zier?Ich habe den Verdacht, dass grüne Zweige allein es nicht tun werden--auch wenn wir sie noch so schön zu Adventskränzen binden. Du kommst. Zu uns. Zu mir. Wohl kaum, dass wir dir mit Reisig winken.
Wie soll ich dich empfangen und wie begegn’ ich dir, o aller Welt Verlangen, o meiner Seelen Zier?Mein Herz soll dir grünen.
Mein Herze soll dir grünen in stetem Lob und Preis und deinem Namen dienen, so gut es kann und weiß.Lass mein Herz, mein Innerstes, mein Alles -- lass mein Leben den grünen Zweig sein, der dich willkommen heißt bei mir. Bei uns. Das klingt gut, wenn Paul Gerhardt es dichtet. Es klingt noch besser, wenn es konkret wird, hier bei mir.
So soll dieser Advent mein Empfang für dich werden, König Jesus, Friedefürst:
Mein Herz soll dir grünen.
Ich will dir mein Herz aufmachen. Möchte mir bewusst sein, dass du da bist. Nicht nur am Adventssonntag im Gottesdienst. Nicht nur da, wo Kerzen brennen. Sondern gerade da, wo es dunkel ist. Da will ich dich immer wieder neu bei mir wissen, bei mir empfangen, will Gedanken und Sinne ausrichten auf dich. Im Vertrauen auf dich will ich meine Schritte gehen. Will dich wieder ganz kindlich für selbstverständlich nehmen, da, bei mir, einfach weil du es versprochen hast. So, wie ich es Henri wünsche, für die nächsten Jahre. Aus diesem Vertrauen, an deiner Hand, will ich diese Tage leben. Getrost. In deinem Frieden.
Mein Herz soll dir grünen.
Vielleicht heißt das auch, mich erst einmal frei zu machen, von manchem, was mich belastet oder ablenkt von dir. Nicht umsonst war Advent früher eine Fastenzeit. Das kann ich mir heute, zwischen Weihnachtsmarkt und Backorgien, kaum vorstellen. Vielleicht kann es für mich dieses Jahr eine Zeit werden, in der ich loslasse. In der ich alte Verletzungen dir bringe und mich von dir heilen lasse. In der ich neu beginne--in Beziehungen zu anderen und zu mir selbst.
Mein Herz soll dir grünen.
Ich will dir den Mund aufmachen. "Gesegnet sei, wer im Namen des Herrn kommt!" So stimme ich neu und von Herzen mit ein in die alten Lieder (und in die neuen auch). Ich nehme mir Zeit in diesen Adventstagen, dich zu loben, zu singen und zu erzählen von dem Guten, das du tust. Nicht nur in der beschaulichen Stille eines kerzenerleuchteten Kirchraums. Nein, auch und gerade im rauen Alltag, in der Begegnung mit anderen. Überall, wo der Friedenskönig neu "einziehen" muss, will ich reden von dir, von dem, auf den ich vertraue. Ich will die Hoffnung, die ich habe, mit anderen teilen, damit auch sie getrost werden, in deinem Frieden.
Mein Herz soll dir grünen.
Ich will meine Arme öffnen für die, die eine Umarmung brauchen. Vielleicht besuche ich einen einsamen Menschen. Vielleicht lasse ich mich überzeugen, für einen guten Zweck etwas zu tun oder zu spenden. Vielleicht nehme ich mir einfach Zeit, jemandem zuzuhören. Vielleicht schaffe ich bewusst Raum für bedeutungsvolle Momente in meiner Familie. Vielleicht wird es auch dadurch "grün", dass ich mir überlege, wie das Schenken und das Feiern nicht auf Kosten deiner guten Schöpfung geht--mit weniger Konsum. Vielleicht mit mehr Selbstgemachtem.
Mein Herz soll dir grünen.
Da bin ich ja nicht allein. Ich bin Teil einer Gemeinschaft von Menschen, die dich erwarten, dich empfangen, die sich an dir freuen, mit mir. Wie die eine Kerze den Weg frei macht für viele, so leuchtet das Licht deines Evangeliums an ganz vielen Stellen auf in unserem Advent. Wir sind verbunden und stärken uns miteinander an dem, was wir bei dir finden: Frieden. Zuversicht. Mut zum Leben. Zukunft. Mein grünendes Herz erinnert mich: Ich bin Teil einer Hoffnungsgemeinschaft. Das soll in mir wachsen und grünen in diesem Advent.
Mit grünendem Herzen, im Vertrauen auf dich und gemeinsam mit denen, die mit mir auf dich hoffen, will ich Teil werden, von denen, die dich freudig und lautstark grüßen. Lass Herz und Mund und Hände meine Zweige sein, mit denen ich denen zuwinke, die noch ohne diese Zuversicht sind. Wo "Hosianna", "hilf uns", noch der Ruf der Zeit ist, da lass mich, lass uns antworten von dem, was unser Herz ergrünen lässt:
Das schreib dir in dein Herze, du hochbetrübtes Heer, bei denen Gram und Schmerze sich häuft je mehr und mehr; seid unverzagt, ihr habet die Hilfe vor der Tür; der eure Herzen labet und tröstet, steht allhier.Amen.

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