Ein Standpunkt von Nicolas Riedl.
Mindestabstände sind fester Bestandteil der sogenannten „neuen Normalität“, die wohl von „vorübergehend dauerhaftem“ Bestand sein dürfte. Die Bürgerinnen und Bürger, die unter dem Gesundheitsregime von Merkel leben, beziehungsweise überleben, sind dazu aufgefordert zu all ihren Mitmenschen einen Mindestabstand von 1,5 Meter einzuhalten. Die Gesellschaft wird durch die Abstände atomisiert und durch die BH-Hälften im Gesicht anonymisiert. Die Corona-Maßnahmen sind das Mentos-Bonbon in der Cola-Flasche der Demokratie. Das Zusammentreffen, das Sich-Zusammen-Organsieren in der analogen Welt wurde kriminalisiert und damit eine elementare Grundlage der Demokratie nachhaltig geschädigt.
Als wären die Gräben zwischen den einzelnen Individuen der Bürger nicht schon groß und tief genug, schickt man sich in Berlin nun an, einen weiteren Sicherheitsabstand zu etablieren. Ein Sicherheitsabstand von 10 Metern Weite und 2,5 Metern Tiefe soll in Gestalt eines Burggrabens um den Bundestag die – darin was auch immer verrichtenden – Volksvertreter vor der Bevölkerung schützen, die sie per Wahl in das Amt gehievt hat. Für Besucher soll ein Tunnel unter diesem Graben durchführen. (1) Ob eine Zugbrücke für Lobbyisten ebenfalls Teil des Vorhabens ist, wurde noch nicht bestätigt.
Mit erschreckender Geschwindigkeit transformieren sich Ideen in reale Vorhaben, die man zuvor allenfalls in Drehbüchern zu Monty-Python-Filmen gefunden hätte. Man muss sich diese Abstrusität einmal langsam auf der Zunge zergehen lassen. Auf der Fassade des Deutschen Bundestages steht geschrieben: „Dem deutschen Volke“. Dem deutschen Volke, welches nun unter die Erde gehen muss, möchte es den Ort besuchen, an dem die von ihnen gewählten Volksvertreter vermeintlich ihren Wählerauftrag erfüllen. Der Austragungsort demokratischer Prozesse wird gegenüber dem eigentlichen Souverän einer Demokratie, dem Volk, abgeschirmt. Die gläserne Reichstagskuppel als Symbol für Transparenz bleibt am Ende eben nur ein Symbol. Denn wirklich in das hinein zu blicken, was sich darin abspielt, war bislang äußerst mühselig und wird durch einen Graben nicht sonderlich erleichtert.
Seit 2018 befindet sich jedoch nicht nur im Parlamentssaal des Bundestages ein Adler, sondern auch über der Reichstagskuppel. Dieser Adler kreist über diesen und scannt mit seinen Adleraugen mittels einer digitalen Kontaktlinse alles, was sich im Bundestag abspielt. Und dieser Adler wird es – dank seiner Flügel – auch noch tun können, wenn der Bundestag von einem Graben umgeben ist. Dieser Adler hört auf den Namen „DEMOCRACY App“.
Die seit 2018 vom gemeinnützigen Verein DEMOCRACY Deutschland e.V. angebotene App liefert ihren Nutzern die Transparenz, die der Staat seinen Bürgerinnen und Bürgern schuldig bleibt. (2) Detailliert gibt die DEMOCRACY App Auskunft darüber, welche Gesetze geplant, beziehungsweise in welchem Verhandlungsstatus diese befindlich sind. Doch eine der wesentlichen Funktionen – und das ist hier ganz entscheidend – ist die Möglichkeit der User, selber über die Gesetzentwürfe mit einer Zustimmung, einer Ablehnung oder einer Enthaltung abzustimmen. Die Ergebnisse können dann mit der Community deutschlandweit und im eigenen Wahlkreis verglichen werden.
Die Ergebnisse sind sehr häufig erstaunlich, ob ihrer Diskrepanz zu den teilweise arg gegenteiligen Abstimmungsergebnissen aus dem Bundestag. Dies zeigt sich in besonders gravierender Form bei Gesetzentwürfen im Bezug auf Corona.
Lassen wir die nachfolgenden Vergleiche einfach mal für sich sprechen:
Für den Antrag zur „Soforthilfe für pflegende Angehörige während der Covid-19 Pandemie“ stimmten von 3.787 Usern 82 Prozent dafür, im Bundestag 56 Prozent dagegen. (3)
Ein Antrag mit dem Namen „Medienvielfalt und Journalismus in der Corona-Krise schützen - Demokratie braucht kritische Öffentlichkeit“ befürworteten von 6.526 Usern 83 Prozent,