Was löst der Tod in uns aus und warum sollten wir Trauer zulassen? Welche Rituale helfen und wie können Kinder mit Verlusten umgehen lernen? Können wir von anderen Kulturen lernen und welchen Stellenwert hat Tod in unserer Gesellschaft? Darüber sprechen der Freie Theologe Marcel Redling aus Darmstadt und der Freie Redner Dr. Tobias D. Höhn aus Leipzig in der neuen Folge von "Momentgestalter". Echter deep talk, aber trotzdem wird auch zwischendurch gelacht. Denn beide Redner erzählen aus ihrer Berufspraxis, es wird persönlich und am Ende steht die Frage: "Wie soll dein Abschied aussehen?"
Der Tod ist kein Tabu-Thema
Tod und Trauer sind Themen, die die meisten von uns ausklammern. Weil es so etwas Endgültiges hat, weil es nicht in unsere Lifestyle-Gesellschaft passt, weil wir kaum etwas davon wissen. Außer vielleicht, dass es immer traurig ist. Und wer will sich damit schon belasten? Marcel Redling ist Pastor, Freier Theologe und Sozialarbeiter im Gefängnis. Im Alter von 23 Jahren war er erstmals mit dem Tod konfrontiert, als sein Vater gestorben war. Eine Zäsur für die gesamte Familie. Bis er seine erste eigene Trauerfeier als Pastor gestalten durfte oder musste, vergingen etliche Jahre.
Gottesdienst und weltliche Trauerfeier
Ob Gottesdienst oder weltliche Trauerfeier – beide haben vieles gemein und sollen den Angehörigen und Zugehörigen helfen mit dem Abschied umzugehen. In einer Rede, die das Leben würdigt, den Verstorbenen ehrt, aber auch manche Baustellen des Lebens aufarbeitet. Beide Trauerredner sind sich einig: Eine Trauerfeier soll Familien und Freunden Halt und Orientierung geben – ein Punkt, der häufig unterschätzt wird. "Rituale helfen Struktur zu geben, können sinnstiftend und identitätsstiftend sein", sagt Marcel Redling. Gerade in einer Zeit, in der viele Rituale verloren gingen. Früher war es üblich, dass Menschen Zuhause im Kreis der Familie sterben, heute sterben die meisten Menschen im Krankenhaus oder anderen Einrichtungen, Bestatter und Trauerredner übernehmen die erste seelsorgerische Versorgung.
Abschiedsworte und Gebete
Marcel Redling und Tobias Höhn berichten von ihren Erfahrungen als Trauerredner: komplexe Familienaufstellungen, Biografien voller Brüche, Gewalt und herzzerreißende Geschichten. Um dabei die richtigen Worte zu finden, braucht es einen professionellen Redner. Gerade der Blick des Externen sei hier eine Chance. Und sie erklären, wie Abschiedsworte oder Gebete Mut machen können, das erste Schritt zum Loslassen und für den Start eines neuen Weges sind. Auch, wenn es gar nicht mehr die Möglichkeit gab, sich vom Verstorbenen persönlich verabschieden.
Trauerkultur im Wandel
Der Blick auf den Tod unterliegt genauso wie die Trauerkultur dem Wandel. Wo früher ein Jahr lang Schwarz getragen wurde als äußeres Zeichen der Trauer, finden sich heute schon in der Trauerfeier bunte Farben. Der Leichenschmaus und das Kaffeetrinken im Anschluss an die Trauerfeier werden weniger, dafür kommen neue Rituale hinzu. Aus der Trauerfeier wird die Abschieds- oder Lebensfeier. Eine Feier auf das Leben aus Dankbarkeit – auch ein Learning aus anderen Kulturen, die mit dem Tod ganz anders umgehen als hierzulande. Und auch Kinder bekommen die Chance, sich zu verabschieden – vom Bemalen des Sarges bis hin zur konkreten Ansprache. Ein für Freie Redner wichtiger Aspekt: Wie integriere ich Kinder in die Lebensfeier und wie gelingt eine altersgerechte Ansprache ohne den Schmerz zu vergrößern.
Denn, so sind sich die beiden Trauerprofis einig: Jeder sollte aus der Trauerfeier etwas ganz Konkretes mit nach Hause nehmen. Das ist trotz Digitalisierung, Online-Trauerportalen und Chatbots auch das Plädoyer von Marcel Redling: Echte Trauerrituale können digitale Formate nicht ersetzen, auch wenn sie ein hilfreiches Tool sein können. Wenn zum Beispiel die Trauerfeier gestreamt wird, um Menschen aus anderen Ländern teilhaben zu lassen.
Bleibt nur noch die Frage: Haben der Freie Theologe und der Freie Redner – beide Familienväter in der Mitte der 40er Jahre – schon mal selbst über ihren Abschied nachgedacht? Haben sie und auch schon eine kleine Playlist nebst Abschiedsgruß.