Erzählkünstler

"Nachtängste/Die Mutter" (Rainer Maria Rilke)


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Es ist sehr vieles geschrieben worden über Rilkes Roman „Die Aufzeichnungen des Malte Laurids Brigge“. Ein Werk voller vollkommen neuer Bilder, die niemand im deutschen Sprachraum auch nur erahnen konnte. So wie in dem Ausschnitt, der ab heute hier zu hören ist. Von der „Existenz des Entsetzlichen“ ist hier die Rede, von im menschlichen Körper und Unbewussten wirkenden, von außen stammenden Kräften. Eine Phantasie über den Einfluss der „Qual“ und des „Grauens“ auf den menschlichen Körper, über den buchstäblichen Eindruck, den sie dort hinterlassen: „Furchen im Gehirn“ (eine Formulierung, die später bei Kafka wiederkehrt). Bis dahin war all das unerhört, so etwas hatte die Welt noch nicht gelesen. Und dann, wie zur Beruhigung, im zweiten Absatz des Abschnittes, eine atemberaubende Mutter-Phantasie, eine Huldigung der Hüterin, der Bewahrerin, der Schützenden, die immer schon da ist, vor dem „Ungeheuren“, die es „überholt auf den Ruf hin, der dich bedurfte“, und es hinter sich hält. Eine Ansprache an die mächtige Mutter, ein Ideal-Bild. Das alles in einer sprachlichen Dichte, die in dieser Qualität äußerst selten zu lesen oder zu hören ist.

Die beiden Textabsätze – in kritischen Ausgaben „Nachtängste“ und „Die Mutter“ genannt – stammen aus dem „Ein Briefentwurf“ genannten, dritten Teil des Romans, der im Jahr 1910 erschien und den Rainer Maria Rilke selbst schlicht Prosabuch nannte. Das Werk war für das Lesepublikum in deutscher Sprache jedenfalls eine Sensation und ist es in weiten Teilen auch heute noch. Es liest Volker Drüke.

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ErzählkünstlerBy Volker Drüke