Ein Standpunkt von Jochen Mitschka.
Zu Beginn eines weiteren Berichtes über das Leben in Namibia möchte ich einen Artikel erwähnen, der vom pensionierten Generalmajor JB Tjivikua der namibischen Polizei in The Namibian veröffentlicht wurde. (1) Es geht um die Einigung für eine Entschädigung wegen deutscher Verbrechen während der Kolonialzeit an insbesondere zwei Volksgruppen in Namibia, aber indirekt auch um die afrikanische Sicht auf die Ukraine-Krise. Deutschland hatte sich ursprünglich bereit erklärt, dem Staat verstärkt Entwicklungshilfe und eine Entschädigung zukommen zu lassen. Aber die betroffenen Volksgruppen hatten andere Vorstellungen, insbesondere hinsichtlich der Aufteilung, aber auch der Höhe der Entschädigungen. Dann folgt die Beschreibung alltäglicher Ereignisse in Namibia aus der Sicht eines deutschen Zugereisten.
Kolonialzeit war nicht nur glorreich
Tjivikua analysiert die derzeitige Situation in den Verhandlungen über die Wiedergutmachung für deutsche Kolonialverbrechen relativ neutral und gibt damit wohl die Ansicht der Mehrheit der Namibier wieder. Deshalb finde ich es sinnvoll, diese Meinung auch Deutschen zugänglich zu machen.
Er beginnt seinen Artikel damit, darauf hinzuweisen, dass der deutsche Bundeskanzler Olaf Scholz eine „Zeitwende“ ankündigte, um zu unterstreichen, dass Deutschland bereit sei, drastische Maßnahmen zur Unterstützung der Ukraine zu ergreifen. Deutschland, das wirtschaftliche Kraftzentrum Europas, wie der Autor das Land nennt, sei nun in einen Zermürbungskrieg an seiner Ostgrenze verwickelt und nicht in der Lage, das Problem des Völkermords in Namibia angemessen zu lösen.
Außerdem drohe die deutsche Wirtschaft wegen des Krieges in diesem Jahr um fast 2 % zu schrumpfen. Deutschland könnte auch eine Rezession drohen, wenn der Krieg eskaliert und weitere Einschränkungen hinsichtlich des Energieverbrauches auslöst. Das Embargo auf russische Kohle, Öl und Gas würde zu Einschränkungen für Energieversorger und Industrie führen, während weitere Sanktionen katastrophale Folgen für den globalen Energiemarkt hätten.
Es bestehe ein hohes Risiko, so Tjivikua, dass die Eskalation des russischen Angriffs auf die Ukraine verschärfte Sanktionen und Gegensanktionen auslöst, wobei ein vollständiges Verbot des Bezuges von Energie aus russischen Quellen größte Auswirkungen auf das Wirtschaftswachstum haben dürften. Das habe weitreichende Folgen für die Energiepreise, die Marktstrukturen und die weltweite Ernährungssicherheit.
„Zaudernde" Verpflichtung
So könnte Deutschland bei den Verhandlungen mit Namibia über den Völkermord „ins Wanken geraten“, da die Reparationszahlungen angesichts der schwindenden Ressourcen nicht mehr ganz oben auf der Prioritätenliste stünden.
Tatsache sei, dass niemand wisse, wie lange dieser Krieg dauern wird. In der Zwischenzeit habe Deutschland die Strategie gewählt, „dem Beispiel seiner Partner zu folgen“, und tue eher zögerlich, was seine Verbündeten tun, z. B. ein Wirtschaftsembargo gegen Russland zu verhängen, während es der Ukraine Finanzhilfe und Waffen liefere.
Unterdessen, so der Artikel weiter, suche Bundeskanzler Scholz verzweifelt nach Verbündeten für die Wirtschaftsstrategie seines Landes in anderen Ländern. Um für Deutschlands Energiequellen zu finden und seine Wirtschaft anzukurbeln, hoffe er, in Zukunft die Gasreserven des Senegal anzapfen zu können.
All dies könne die unmittelbaren Aussichten auf Verhandlungen zwischen Namibia und Deutschland über den Völkermord schmälern. Es sei keine Überraschung, dass der deutsche Bundeskanzler auf seiner Reise von Westafrika nach Südafrika die namibische Hauptstadt überflog. Seit drei Jahrzehnten bemühe sich Deutschland um Wiedergutmachung für die Gräueltaten,