Ein Kommentar von Dirk Pohlmann.
Die Vergiftung des nationalistischen russischen Oppositionellen Alexej Nawalny wird genutzt, um die Beendigung des fast fertiggestellten Nordstream 2 Pipeline Projektes zu fordern, als Sanktion gegen Putins Russland.
Ein Vorschlag, der bisher nicht die Unterstützung der Mehrheit der Bevölkerung findet. 55% der Deutschen sind gegen eine Beendigung von Nordstream 2. Nur die Wähler der Grünen sind mehrheitlich der Ansicht der Spitzenpolitiker dieser Partei. Fraktionschefin Katrin Göring-Eckhart war die erste Bundestagspolitikerin, die forderte, Nordstream 2 zu stoppen, andere Grüne wie der mögliche Kanzlerkandidat Habeck, seine Kollegin Annalena Baerbock und der Europapolitiker Bütikofer schlossen sich ihrer Forderungen an: "Nord Stream 2 ist nichts mehr, was wir gemeinsam mit Russland vorantreiben können."
Es war eine Erinnerung, wie wenig die Grünen von Realpolitik halten, wie groß ihre Neigung zu außenpolitischen Masochismus ist, wie leicht sie am Nasenring durch die geopolitsche Arena geführt werden können, aber auch, wie selektiv ihre Moralität ist.
Das Verfahren gegen Julian Assange, ein Schauprozess, der die Axt an den fundamentalen Wert der Pressefreiheit legt, das erzwungene Exil von Edward Snowden, die Drohnenmorde via Ramstein, die Wiedereinführung der Folter in den USA, die Ermordung und Zerstückelung von Jamal Kashoggi in der saudischen Botschaft, extralegale Orte wie Guantanamo, eine Kette von verlogenen Regime Changes die zu gescheiterten Staaten führten, in denen nichts besser ist, als es vorher war, der katastrophale Angriff auf Libyen - nichts davon hat die Grünen dazu bewogen, Sanktionen gegen Geschäftspartner der NATO, Verbündete und westliche Staaten zu fordern, oder ernsthaft über den Austritt aus der NATO nachzudenken. Eine Forderung, die in ihrem ersten außenpolitischen Programm stand. Sie ist den heutigen Olivgrünen bestenfalls peinlich.
Es gibt eine Menge Fragen, die man zum Fall Nawalny stellen kann, wenn man davon ausgeht, dass Putin ein kühler Realpolitiker ist. Was man guten Gewissens tun kann.
Man kann zum Beispiel fragen, warum Putin kurz vor Fertigstellung der Pipeline einen nur in westlichen Medien bedeutenden Oppositionellen ermorden lassen sollte, der in Russland weder politische Wirksamkeit noch Popularität besitzt. Die wichtigste Opposition in Russland sind die Kommunisten, die zweitstärkste Kraft die rechtspopulistische LDPR von Wladimir Schirinowski. Beide kommen in den westlichen Medien nicht vor, weil sie nicht ins Bild passen. Man kann sich fragen, warum der russische Geheimdienst eine Substanz verwenden sollte, die medial wie ein Leuchtpfeil nach Russland weist, an den Fall Skripal erinnert, obwohl es so viele andere Gifte und Methoden gibt, die besser für einen spurlosen Mord geeignet wären. Man kann sich fragen, wieso das tödlichste Nervengift der Welt so oft versagt, warum aber weder Nawalny, noch die Stewardess, noch die Krankenschwester, die den sich erbrechenden Nawalny im Flugzeug versorgten, vom tödlichsten Kampfstoff Nowitschok dahin gerafft wurden. Warum nicht andere Passagiere und das Flugzeug kontaminiert sind. Man muss annehmen, dass beim russischen Geheimdienst nur noch Stümper am Werk sind. Amateure, die aber andererseits meisterhaft Computer hacken und US-Wahlen mit minimalen Geldsummen beeinflussen können, während die Millionenspenden der US Finanzmogule wirkungslos verpuffen.
Man könnte sich fragen, warum der FSB zulässt, dass Nawalny in einem russischen Krankenhaus gerettet und dann noch nach Deutschland ausgeflogen wird, wenn er doch liquidiert werden soll. Warum es so essentiell verschiedene Laborergebnisse zu seiner Vergiftung gibt. Warum angesichts dieser Merkwürdigkeit nicht Proben in einem neutralen Labor verglichen werden. Im Fall Skripal fand man das hochangesehene Schweizer Labor Spiez zum Beispiel BZ2 in den Proben der Skripals, ein Kampfstoff,