Propaganda und Manipulation von der „eigenen Seite“
Ein Kommentar von Anke Behrend.
Von Anfang an sah die Seite der Coronakritiker sich dem Vorwurf der Vereinnahmung aus dem rechten Spektrum beziehungsweise der Querfront ausgesetzt. Man mache mit Nazis und Reichsbürgern gemeinsame Sache, dies würde die gesamte Bewegung diskreditieren – eine Propaganda-Blaupause für alle späteren regierungskritischen Proteste.
Völlig klar, die plumpen wie hilflosen Nazivorwürfe sollten von der inhaltlichen Debatte ablenken. Ja, es hatte Fahnen in Schwarz-Weiß-Rot gegeben und ja, das Bekenntnis von der Demobühne herab, nicht links und nicht rechts zu sein, hält niemanden von der Teilnahme ab. Gesinnungsprüfungen sind weder demokratisch noch umsetzbar. Wie beweist man, dass man kein Nazi ist, wenn allein das Ansinnen, an einer regierungskritischen Demo teilnehmen zu wollen, schon rechts ist? Wenn die Antifa am Rand „Nazis raus“ brüllt, und unbescholtene Bürger mit berechtigten Fragen meint?
Schnell war der Nazivorwurf allgegenwärtig. Mit dem Grundgesetz auf der Straße stehen? Nazi. Kinder mit Herzchenluftballons? Rechts. Eine selbstergriffene junge Frau aus Kassel, die vorgab, sich wie Sophie Scholl zu fühlen – Holocaustleugnung (1). Anzeige ist raus!
Hinter der Coronakritik versammelten sich jenseits von Weltanschauungen, Religion und politischen Lagern die verschiedensten Gruppen, so auch Linke. Aber da der Kurs der GroKo inklusive CDU/CSU von „ganz rechts“ als „links“ etikettiert worden war und man in der Rolle politisch korrekter Weltverbesserer mit Regenbogenfahnen und der großzügigen Ausschüttung von Opferdividenden die ehemals aufmöpfigen Linken sediert hatte, blieb vom linken Protestpotenzial nur ein jämmerlicher Rest. Als „Siechenhaus“ war die AfD zum illegitimen Auffangbecken für alle Ausgestoßenen und Frustrierten stilisiert worden. Hier konnte man ungehemmt die linksgrünen Tabus brechen. Für Politik und Medien der perfekte Ort, Kritiker verbal dorthin abzuschieben, nahm die AfD sich alsbald der Heimatlosen an und bewirtschaftete die neue Zielgruppe mit Zuspruch, während die Gegenseite sich in Diskursverweigerung und Beschimpfungen gefiel.
So bejubelten die kritischen Kritiker bald unkritisch jeden, der sich gegen die Maßnahmen zu Wort meldete, ohne den politischen Background zu berücksichtigen. Zu wichtig war das Anliegen, als dass man Unterstützer hätte abweisen wollen. Und war die Stimmung auf den Demos in Berlin nicht unbeschreiblich gewesen? Menschen aller politischen Lager friedlich vereint, über das Nazi-Framing erhaben. Den Vorwurf, Menschen wegen ihrer Meinung zu canceln, mussten „wir“ uns jedenfalls nicht gefallen lassen!
So war die Szene der ideale Unterschlupf für tatsächliche Nazis. Denn, und das wird manche überraschen, es gibt sie, die Rechtsextremen, mit denen man bei aller Offenheit besser nichts zu tun haben will. Die vielen anderen, die seit Monaten diffamiert worden waren, fragten sich inzwischen, ob man diesen Leuten nicht auch nur übel mitgespielt und sie zu Unrecht in die rechte Ecke gestellt hatte. Immerhin waren sie auf unserer Seite, nette Leute zudem. Und war „rechts“ nicht auch eine legitime Position, gleichbedeutend mit wohlklingenden Attributen wie bürgerlich, traditionell oder bodenständig? Und schon verschwanden die Rechtsradikalen in der Masse und konnten sich im Bedarfsfall darauf berufen, der linken Cancel Culture zum Opfer gefallen zu sein, wie so viele rechtschaffene Bürger.
Medien und Politik konnten ihre kontraproduktive Strategie nicht verlassen und auch das Nazi-Framing nahm bald absurde Züge an. Im Mai 2022 lachten wir über einen Zeit-Artikel mit dem Titel „Rechtsextreme Wanderlust“. „Für manche Neonazis gibt es nichts Schöneres, als gemeinsam wandern zu gehen.“ (2) Jetzt sind also alle, die in den Wald gehen, Rechtsextreme.