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Nazis? Aufklärer! | Von Roberto de Lapuente


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Den Demonstranten Nähe zu Nazis anzudichten, dient ja nur einem Zweck: Die gesamten Demonstranten als Nazis zu diskreditieren. Letztere waren Feinde der Aufklärung. Die, die heute auf die Straße gehen, sehen die Werte eben jener Aufklärung gefährdet. Eine sehr kurze Zusammenfassung zur Aufklärung und zur Gegenaufklärung.
Ein Kommentar von Roberto de Lapuente.
Nun, ich war jetzt schon mehrfach auf Demonstrationen gegen Corona-Maßnahmen: Aber Nazis oder Rechtsradikale habe ich keine gesehen. Wenn wir da so laufen, witzeln wir darüber natürlich. Da zeigt einer der Teilnehmer zum Beispiel ein gemaltes Herz – und wir rufen: »Das muss einer sein!« Dort tanzen welche freudetrunken: »Da haben wir sie ja, diese Spaßnazis!« Und manchmal gucken wir uns gegenseitig an, zeigen auf uns und rufen: »Da ist einer!« Neulich lief einer hinter mir, der rief im recht gebrochenen Deutsch, er wolle seine Freiheit zurück. Kann man so jemanden auch auf diese Weise diskreditieren? Man ist da ja schnell verunsichert. Kurz und gut: Gesehen habe ich da noch keinen. Aber selbst wenn: Welche Konsequenzen soll ich da ziehen? Auch diesen Menschen kann man die Straße nicht vorenthalten. Das Thema ist schon aus diesem Grunde eigentlich gar nicht zielführend.
Interessant ist an diese hanebüchenen Vorwürfen nur, was für eine völlig falsche Auffassung von dem herrscht, was ein Nazi – oder alternativ: ein Faschist – zu sein hat. Denn die waren ja nun nicht unbedingt Freunde von Grundrechten, von kontrollierter Macht oder mündigen Bürgern. Aber genau dafür gehen nun so oft in der Woche Hunderttausende auf die Straße. Der Protest nimmt ja noch zu. Die Frankfurter Medien, also FAZ und Rundschau, haben einige Wochen lang Teilnehmerzahlen genannt – mittlerweile tun sie es gar nicht mehr oder doch nur sehr zögerlich. Ob die dann präsentierten Zahlen stimmen, darf man zudem bezweifeln. Übrigens demonstrieren da auch viele gegen eine Medienlandschaft, die sie für nicht intakt und auch nicht ehrlich halten. Auch das entspricht nicht dem Portfolio des Nazis. Die Medien davon abzubringen wirklichkeitsgetreu zu berichten: Das war viel eher eines der Kernprogramme dieser braunen Leute von einst.
Einhegung politischer Macht
Die Aufklärung, jener Ausgang des Menschen aus seiner selbstverschuldeten Unmündigkeit, wie Immanuel Kant jenen Prozess nannte, beruht auf einer wesentlich Überlegung: Nämlich machtpolitische Exzesse einzuhegen. Sie zog ihre Einsichten aus den unmittelbaren Erfahrungen mit absolutistischen Herrschern, die sich selbst als Staat bezeichneten, Menschenleben verheizten und in Saus und Braus lebten, während das Fußvolk darbte. Diese Exzesse, die durch kein Checks and Balances begrenzt, von keiner Gewaltenteilung an die Leine genommen wurden, erzwangen gewissermaßen ungewollt eine Reaktion, ein neues freiheitliches Denken, das sich dem Gedanken widmete: Auf welchen Prinzipien muss ein Gemeinwesen beruhen, um künftig vor solcherlei Ausschweifungen und Zügellosigkeiten der Machthaber sicher zu sein?
Der Journalist Patrik Baab weist aktuell in seinem neuen Buch darauf hin, dass so gut wie alle Aufklärer ein Mittel als wesentliches Element betrachteten, um Machtmissbrauch zu unterbinden: Öffentlichkeit – und damit einen öffentlichen Debattenraum. An dieser Stelle formiert sich der eigentliche Auftrag der Medien. »Aufklären – das heißt in der Praxis: Recherchieren. Durch Recherchieren lassen sich Falschinformationen und Rechtfertigungslügen der Machteliten widerlegen. […] Investigatives Recherchieren bedeutet, Informationen gegen die Interessen und den Widerstand mächtiger gesellschaftlicher Kräfte zu beschaffen«, begründet Baab.
Was also ist Aufklärung? Die Reaktion auf jahrhundertealte Erfahrungen mit zügelloser Macht, die sich einer öffentlichen Betrachtung entzog. Die Jahrzehnte nach der Französischen Revolution, die sich den Werten der Aufklärung verpflichtet sah, dabei aber auch oftmals über die Stränge schlug – ...
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