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Nur die ganz großen Themen? | Von Roberto J. De Lapuente


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Eine junge Frau, die einem gebührenfinanzierten Kanal ungeniert von ihrer großen Liebe erzählt, nämlich einem Modell einer Boeing 737, soll nur eine Kuriosität sein, die man besser nicht mal kommentiert? Das ist falsch: Denn hinter solchen Sujets steckt mehr als nur Sensationssucht – sie sind Programm.
Ein Standpunkt von Roberto J. De Lapuente.
Neulich präsentierte der Online-Sender Funk – ein öffentlich-rechtlicher Kanal von ARD und ZDF – eine junge Frau, die in einer Beziehung mit einem Boeing-737-Modell lebt. Nein, das ist kein Schreibfehler. Die Frau hat wohl sogar Sex mit der fluguntüchtigen Maschine. Sie erzählt weiters , dass sie nie Liebe zu Menschen empfunden habe, Annäherungsversuche nicht gut aushalten konnte. Aber die Boeing, die sei nun immer für sie da. Funk wollte freilich aufklären und die sagenhafte Vielfalt der menschlichen Sexualität dokumentieren. Objektophilie ist nur eine weitere Spielart, von der junge Menschen wissen sollten, damit sie auch dafür brutalstmögliche Toleranz entwickeln.
In einem kurzen Kommentar bei Telegram habe ich darauf reagiert; ich schrieb, dass ich mich hier festlegen wolle: Dieses Phänomen hier sei eine emotionale Störung. Eine junger Mensch, der keine Nähe zu einem anderen Menschen zulassen kann, ist grundsätzlich psychologisch auffällig. Dass er dazu schätzt, wenn ein Ding als Kuschelobjekt immer verfügbar ist, zeigt auf, dass da jemand Angst vor Kontrollverlust hat. Kurz und gut, die Frau eignet sich nicht dafür, sexuelle Vielfalt abzubilden, denn sie ist verhaltensauffällig – man sollte sie nicht falsch ermutigen. Meinen kurzen Eintrag bei Telegram hat man nicht etwa kritisiert, nur eine Rückmeldung äußerte sich kritisch: »In Anbetracht der sonstigen Realität«, so hieß es da, sei so ein Thema »völlig nebensächlich«. Ich solle »bitte nicht den Ablenkungen der Debattensetzer in Politik und Medien folgen«, beriet man mich. Aber was heißt hier eigentlich nebensächlich?
Von einer Boeing gestreift?
Dass Heterosex eine perverse Praktik ist, habe ich ja unlängst schon mal flott abgehandelt. Es war die taz, die uns mit diesem geistigen Erguss beglückte. Man könnte sagen, jener Artikel von Lou Zucker war sogar mal ein bisschen Abwechslung zum olivgrünen Parka, den das Blatt sonst so trägt – dass es neben einem unrasierten, langhaarigen Hippie ausgerechnet jene Tageszeitung aus dem alternativen Milieu sein würde, die die vermeintliche Friedfertigkeit der Bundesregierung bemängelt, hätte sich ja vor einigen Jahren keiner ausmalen können. Und damals war das grüne Biotop schon nicht unbedingt dafür bekannt, auf Skandale und Doppelmoral zu verzichten. Jedenfalls bot Frau Zucker ein bisschen Schonkost in diesen kriegsbedingt kargen Tagen.
Warum ich noch immer so viele Artikel der taz über Facebook und Twitter vorgelegt bekomme, weiß ich gar nicht. Aber ich würde auch was verpassen, wenn ich es blockierte. Ein Text aus den letzten Wochen blieb mir nicht etwa wegen des Inhalts in Erinnerung, ich habe sogar völlig vergessen, worum es ging. Was ihn memorabel macht: An einigen Stellen des Teasers konnte man ein kleingeschriebenes maus erspähen. maus hier, maus da. Das musste doch ein Fehler sein! Nein, war es nicht. Statt man oder frau, glaubte maus wohl, dass maus die Geschlechterfrage adäquat umschiffe. Nebenher hat man freilich frei von der Leber weg entmenschlicht, zu einem Nager stilisiert – aber Menschlichkeit, ach herrje: Die ist doch überbewertet!
Dann gab es noch einen Artikel, in dem man sich besorgt zeigte. Die Ohrfeige von Will Smith gehe noch immer viral, hieß es da. Und das sei besorgniserregend, liebe LeserInnen, schrieb die taz. Denn so würden BIPoC-Jungs vielleicht ihren Machismo entdecken. BIPoC sind »Black, Indigenous, People of Color« – ich gebe zu, ich wusste es auch nicht, musste es nachblättern. Übersetzt meinte die taz folglich, dass junge schwarze Männer und Indianerknaben zu toxischer Männlichkeit neigen – auch so ein Beg...
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