Mutation der Grünen / Bündnis 90 von einer Friedenskraft hin zur Kriegspartei
Ein Kommentar von Wolfgang Effenberger.
Die ehemalige Parteiikone der Grünen, Pfarrerin und Pädagogin, Antje Vollmer, gehörte 1983 der ersten Bündnis 90-Bundestagsfraktion an und war von 1994 bis 2005 Vizepräsidentin des Deutschen Bundestages. Als Publizistin gab sie Mitte November 2022 Harald Neuber, dem Chefredakteur des Online-Magazins Telepolis, das zu den Heise-Medien gehört, ein Interview über die Glaubwürdigkeit der Grünen als Friedenskraft. Am Parteitag der Grünen / Bündnis 90 Mitte Oktober 2022 im Saal "New York" des World Conference Center Bonn, scheute sich die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock nicht, die Parole zu wiederholen:
„ … Wir liefern Waffen, weil wir eine Friedens- und Menschenrechtspartei sind“1).
Für diese mehr als erstaunliche Logik erhielt sie tosenden Beifall von den Delegierten. Mit überwältigender Mehrheit sprach sich dann der Parteitag für die Lieferung weiterer Waffen an die Ukraine aus. Anträge dagegen waren chancenlos. So stellte Neuber eine zentrale Passage aus der grünen Grundsatzschrift "Wir stehen ein für Frieden und Menschenrechte" an den Anfang des Interviews mit Antje Vollmer: "Unsere Politik zielt ab auf die Verhinderung gewaltsamer Konflikte, die Beseitigung von Gewalt- und Fluchtursachen sowie auf eine aktive zivile Krisenprävention und Konfliktlösung."2) Für Frau Vollmer haben die Grünen heute ihren historischen Platz preisgegeben und neigen dazu „…sich voreilig auf die Seite der vermuteten Sieger der Geschichte zu stellen“3). Weiter sieht sie in den Beteuerungen, eine Friedenspartei zu sein, erst einmal nur Behauptungen, welche auf „die Zeit danach" (also die Zeit nach dem Ukraine-Krieg und somit nach dem Sieg im Systemkonflikt) verschoben werden“4). Vollmer vermisst eine inhaltliche Debatte über die jetzt brennende Frage: „Wie kommen wir denn zum Frieden hin? Für mich hat der Krieg in den Köpfen spätestens 2008 und erst recht 2014 begonnen.“5) Erklärtes Ziel der NATO sei es von jeher (nämlich schon seit 1949, dem Gründungs-jahr der NATO) gewesen, Russland von Europa auszuschließen 6). „Es ging demnach darum“, so Vollmer in aller Offenheit,
„die USA dauerhaft als Führungsmacht in Europa zu verankern, Deutschland dauerhaft einzuhegen und zu kontrollieren sowie Russland dauerhaft draußen zu halten. Aber die Entspannungspolitik, die Öko- und Friedensbewegung und Gorbatschow haben darauf reagiert, indem sie gesagt haben: Unsere Vision ist ein anderes Europa. Es wird keinen dauerhaften Frieden in Europa geben, wenn man Russland ausschließt.“7)
Trotz dieser klaren Erkenntnis grübelt Vollmer über keine Entwicklung mehr nach als über „das umfassende Kippen des Bewusstseins, das die alte Bundesrepublik bis in die 1990er-Jahre geprägt hat und das von Entspannungspolitik und Gerechtigkeitsfragen doch sehr durchdrungen war.“ Hatte Frau Vollmer 1990 (als Berufspolitikerin) etwa gar nicht mitbekommen, wie US-Präsident G.H. Bush am 11. September 1990 den Kalten Krieg mit dem Niedergang der Sowjetunion für beendet erklärte und seine Vision einer "New World Order" vorstellte, mit der er die Welt in eine Zukunft in Frieden, Sicherheit und Wohlstand führen wollte?8) Vorher sollte die Welt von Kriegen geschüttelt werden. Bereits ab dem 16. Januar 1991 führten die USA im 1. Golfkrieg (2. Irakkrieg) eine „Koalition der Willigen“ an, die damals noch durch die Resolution 678 des UN-Sicherheitsrates gedeckt war, die allerdings auf der sogenannten "Brutkastenlüge" beruhte. Dann folgten die Auslandseinsätze der Deutschen Bundeswehr, die erst 1994 vom Bundesverfassungsgericht unter dem "Parlamentsvorbehalt" standen. Das hätte Frau Vollmer als Bundestagsvizepräsidentin eigentlich nicht entgehen dürfen! Der "Krieg in den Köpfen" begann also schon im Jahr 1991, unmittelbar nach dem Zerfall der UdSSR.