1912 war Pierre Laval revolutionärer Sozialist, für den Sturz des bürgerlichen Staates durch die proletarische Revolution und in derselben Internationale organisiert wie Rosa Luxemburg. 1942 war er auf Druck der Nazis ins Amt gelangter französischer Regierungschef und wies seine Polizei an, JüdInnen zu jagen und in Züge Richtung Auschwitz zu setzen. Was den Fall Laval, einen der schockierendsten Fälle linker politischer Degeneration, besonders interessant und lehrreich macht, ist die Tatsache, dass er kein Renegat im Sinne Mussolinis oder Doriots war. Laval war auch 1942 seinen persönlichen ideologischen Überzeugungen nach kein Faschist und Antisemit, sondern folgte mindestens ab 1917 ziemlich geradlinig einer Linie als zunächst reformistisch-sozialdemokratischer, dann liberalkonservativer Republikaner. Was ist dann aber in diesen 30 Jahren geschehen, an deren Ende seine Regierung Transporte nach Auschwitz organisierte und kommunistische Oppositionelle massakrierte? Nun, Laval hat die sich aus Reformismus, Logik des "kleineren Übels", Affirmation des bürgerlichen Staates und "Realpolitik" logisch ergebenden Konsequenzen mit äußerster Stringenz durchexerziert. Gott sei Dank wird bei Weitem nicht jeder reformistische ex-Sozialist ein Laval - aber die Möglichkeit einer Entwicklung zum Laval unter extremen Bedingungen ist in jedem Reformismus, in jedem Frieden mit dem bürgerlichen Staat angelegt. Wie genau das vonstatten ging - darüber spreche ich in diesem Beitrag.