Bevor Russland das Messer an die Kehle gesetzt wird, erfolgt der Präventivschlag. Ein Verlierer bei diesem Vabanque-Spiel steht jetzt schon fest: Westeuropa, und dabei ganz besonders Deutschland.
Ein Kommentar von Hermann Ploppa.
Wir alle haben uns daran gewöhnt, dass Russlands Präsident Putin sich vornehm zurückhält und immer wieder mit Engelsgeduld jede Frechheit der westlichen Wertegemeinschaft mit stoischer Ruhe als Aktion „unserer westlichen Partner“ bezeichnet.
Damit ist jetzt Schluss. Gerade schon wollte ich diese Tagesdosis schreiben, als sich die russischen Streitkräfte auf den Weg zu den abgespaltenen Republiken Donezk und Lugansk machten. Und schon traute ich meinen Ohren nicht, als plötzlich russische Fallschirmverbände bereits den Flughafen der ukrainischen Hauptstadt Kiew eroberten. Und russische Kampfverbände in Charkow gesichtet wurden. Kaum war das passiert, eroberten die Russen bereits den Zugang zu einem Kanal, der für die Wasserversorgung der Krim entscheidend ist. Und der von der Junta in Kiew abgesperrt wurde, um die Bevölkerung der Krim regelrecht auszutrocknen. Nun hat Russland sogar eine Insel im Donaudelta annektiert.
Das verschlägt uns die Sprache. Das ist nun unzweideutig ein Bruch des Völkerrechts. Es ist zwar eine unsägliche Heuchelei, wenn der selbstgerechte Wertewesten sich darüber künstlich aufregt. Denn es gab noch keine einzige Intervention des Westens, die nicht auf massiver Verletzung des Völkerrechts basierte. Und weil das so war, wurden immer neue Konstruktionen angeliefert, um diese Verstöße gegen das Völkerrecht der Öffentlichkeit schmackhaft zu machen. Der Wertewesten habe eine Schutzverantwortung (englisch: Responsibility to Protect), um bedrohte Minderheiten in einem souveränen Staat gegen die Existenzbedrohung durch die Regierung des betreffenden Landes zu schützen. Die bösen Serben hätten in der Bundesrepublik Jugoslawien andere Völkerschaften massakriert und in Konzentrationslager gesteckt. Da können wir doch nicht abseits stehen! Da müssen wir doch die jugoslawische Hauptstadt Belgrad bombardieren – im Namen der Menschlichkeit!
Und nun also der russische Präsident Putin. Er beruft sich im ersten Schritt auf seine Schutzverantwortung für die Bürger der von der Ukraine abgespaltenen Republiken Donezk und Lugansk.
Tatsächlich besitzen die meisten Bürger dieser Teilrepubliken russische Pässe, fallen also eindeutig in die Schutzverantwortung der Russischen Föderation. Und seit dem Maidan-Putsch von 2014 werden die Bürger der beiden Teilrepubliken immer wieder von ukrainischen paramilitärischen Terrormilizen ohne Anlass aus dem Hinterhalt erschossen und mit Granaten werden wichtige Gebäude zerstört. Dass jetzt allerdings russische Truppen in das ukrainische Kernland einbrechen, ist unstreitig ein Bruch geltenden Völkerrechts.
Der Westen reagiert bislang dennoch eher maßvoll auf die russischen Militäroperationen in der Ukraine. Russische Konten im Westen werden „eingefroren“. Steckbriefe werden veröffentlicht gegen führende russische Politiker und Geschäftsleute. Aber es geht nicht an das Eingemachte. US-Präsident Biden erklärte, dass Russland nicht aus dem weltweiten Kontoführungssystem SWIFT ausgeschlossen wird. Auch wollen die USA nicht auf billige Rohstoffe aus Russland verzichten. Sich selber von lebenswichtigen russischen Rohstoffen abzuschneiden, solche Harakiri-Manöver behält sich allein nur die depperte deutsche Bundesregierung vor, mit ihrem Aus für die Gaspipeline Nordstream 2.
Und der ukrainische Präsident Selenkij weint: Die NATO lässt ihn im Stich. Er habe alle 27 Staatschefs der NATO-Länder angerufen und um Hilfe gebeten. Alle Angerufenen erklären sich für nicht zuständig. Selenskij muss jetzt mit dem bösen russischen Bären alleine verhandeln. Denn Selenskij drohte auf der Münchner Sicherheitskonferenz damit, sein Land atomar zu bewaffnen. Was mit peinlichem Schweigen quittiert wurde.