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Ralph Boes und das Grundgesetz | Von Jochen Mitschka


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Künstler – Vorboten für Veränderung?
Ein Standpunkt von Jochen Mitschka.
Große Veränderungen in den Zivilisationen der letzten Jahrhunderte wurden immer durch Künstler und ihre Aktionen gesellschaftlich „vorbereitet“. Sie gehörten einst zu den Intellektuellen, die man suchte, wenn man wissen wollte, wohin sich eine Gesellschaft entwickeln wird. Die letzte größere Welle von gesellschaftlicher Bewegung war wohl die 1968er Bewegung. Seitdem war es immer ruhiger um künstlerischen Aktivismus geworden. Heute sehen wir, wie Künstler, die es wagen, einem von den Herrschenden als wichtig angesehenes Narrativ zu widersprechen, beruflich zerstört werden. Zu gewaltig ist der Einfluss von Politik und Medien auf das Leben von Künstlern, als dass die meisten es noch wagen würden, auszubrechen. Es gibt eine Ausnahme. Je stärker er durch das System sogar mit physischer Vernichtung bedroht wird, desto größer wird sein Widerstandswille.
Ich freue mich, ein ferngesprächliches Interview mit Ralph Boes geführt zu haben, in dem ich ihn zu seinen früheren und seinem neuesten Kunstwerk in Hinsicht auf das Grundgesetz befragen konnte.
JOCHEN MITSCHKA: Die Zeit, da Kunst „Narrenfreiheit“ hat, ist spätestens vorbei, seit Künstler, die nicht dem offiziellen Narrativ folgen, vom Mainstream kalt gestellt werden, und dramatische Einbrüche bei ihren Einkommen sehen, Einbrüche, die oft existentielle Bedrohungen bedeuten. Herr Boes, Sie sind von vornherein einen anderen Weg gegangen und haben ganz offensichtlich gedacht „Einem Nackten, kann man nicht in die Tasche greifen“. D.h. Sie verweigern sich dem üblichen Klischee des bezahlten Künstlers und leben nur von Spenden. Ich kann mir vorstellen, dass dies dazu führt, dass man sich schwerer erpressbar macht. Gibt es noch andere Gründe, auf Wohlstand und Ansehen außerhalb seiner Anhänger zu verzichten?
RALPH BOES: Na ja, erpressbar sind wir inzwischen alle. Ein "falsches" – bzw. wahres – Wort, zum Beispiel in der sogenannten Corona-Krise – und du bist Job, Einkommen, gegebenenfalls Freunde und den gesamten bisherigen gesellschaftlichen Status los.
- Es ist gut dass es jetzt auch die Künstler trifft! Kunst sollte sich immer auf dem Boden der Realität bewegen und nicht in abgehobenen Luxusblasen. Und es gibt Zeiten, in denen der Künstler die Bedrohung seiner Existenz direkt als FÖRDERUNG seines Künstlertums begreifen sollte.
In meinem Falle ist das aber etwas anders: Ich habe den Standpunkt meines jetzt künstlerischen Handelns nicht auf dem Felde der Kunst sondern auf dem Felde der Verteidigung der Menschenrechte erlernt.
Seit 2011 habe ich mich darum bemüht, die Grundlagen zu schaffen, dass die unmenschlichen Bestrafungen, die sogenannten "Sanktionen" in Hartz IV, die die Menschen rechtlos zum Spielball der Ämter und der Wirtschaft gemacht hatten, vor das Bundesverfassungsgericht gelangen konnten, wo sie dann 2019 fast vollständig für menschenrechts- und verfassungswidrig erklärt worden sind.
Weil man ja nur als Betroffener zum Bundesverfassungsgericht gelangen kann, bin ich auf diesem Weg mit Massen von Sanktionen überzogen worden und habe 3 Jahre kein Geld für Essen, Wohnung und Krankenkasse erhalten und unglaubliche Hungerphasen in dieser Zeit durchlebt. Da hat sich die Frage nach Unerpressbarkeit äußerst scharf gestellt.
Wie ich und meine Freunde damit umgegangen sind, das wäre eine Erzählung, die den Rahmen hier jetzt sprengen würde. Aber, die innere Haltung, die ich da gefunden habe, die spielt jetzt natürlich auch eine Rolle in dem, was jetzt von uns auf künstlerische Art und Weise vollzogen wird.
Da ist es wichtig, dass nicht nur die Vernichtung der eigenen Existenz sondern auch die Vernichtung des Kunstwerkes in den Rahmen des Möglichen und in das Kunstwerk selbst mit aufgenommen wird …
JOCHEN MITSCHKA: Sie haben am Bundestag ein Kunstwerk zum Grundgesetz errichtet?
RALPH BOES: Ja.
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