Ein Standpunkt von Hossein Pur Khassalian.
Redaktioneller Hinweis: Der folgende Text wurde von Dr. Hossein Pur Khassalian entworfen, und von Jochen Mitschka exklusiv für die Nutzung als apolut-Podcast gekürzt und überarbeitet. Hossein gehört zu der Generation von Exil-Iranern, welche noch unter dem Schah-Regime nach Deutschland flüchteten. Im Gegensatz zur Mehrheit der Exil-Iraner, welche nach der Revolution von 1979 das Land verließen und von denen bzw. ihren Nachkommen heute ein nicht unwesentlicher Teil einen Regime Change im Sinne der US-Interventionen fordern. Trotz seiner deutschen Karriere als Arzt und verheiratet mit einer deutschen Frau, hat der Autor dieses Textes nie aufgehört die Menschen seines Landes, welche besonders unter den Sanktionen der USA leiden, zum Beispiel durch die Finanzierung einer Mädchenschule zu unterstützen. Aufgrund seiner Vita, seiner Liebe zum Iran einerseits und seiner Zuneigung zu Deutschland andererseits, eignet sich der Autor besonders, um über die derzeitige Situation im Iran zu berichten. Bei der Bearbeitung wurde versucht, stilistisch möglichst wenig zu ändern, um die Authentizität des Textes zu erhalten.
Vorwort
Nach dem tragischen Schicksal einer 22-jährigen Frau, Mahssa Amini, die nach der Verhaftung durch die Sittenpolizei im Iran starb, entstand weltweit Mitgefühl bei vielen Menschen. Die Nachrichten über die Niederschlagung der Proteste im Iran, in den Tagen nach dem 16.10.2022, lösten bei Millionen Menschen Wut und Abscheu gegen die Machthaber der Islamischen Republik aus. Als Kenner meiner ersten Heimat habe ich aus zweierlei Gründen gelitten und leide noch. Zum einen schäme ich mich dafür, dass es den Frauen vorgeschrieben wird, wie sie sich zu kleiden haben, ganz zu schweigen von möglichen Strafen, falls sie sich nicht an die Gebote halten. Zum zweiten nehme ich aber auch mit Bedauern wahr, wie Medien und Persönlichkeiten aus der Politik und Kirche mit Nachdruck die Abschaffung der Islamischen Republik fordern. Hinzu kommt, dass die Reformer des Irans und deren Meinung, in den westlichen Medien nicht gehört oder sogar abgelehnt werden.
Ich will versuchen nachzuweisen, dass das Anwachsen der Macht der muslimisch-radikalen Fundamentalisten das größte Problem darstellt, [Anmerkung: und maßgeblich gefördert wird durch die „Politik des maximalen Drucks“ des Westens]. Es ist eine Gruppe, die im Iran infolge der destruktiven Politik der US-Republikaner und Israels Likud Partei an Boden gewonnen hat. Ich werde aufzeigen, dass die radikalen Fundamentalisten, nach dem sie zwei Mal die Präsidentschaftswahlen verloren, für sich eine Art Parallel-Staat aufbauten, und derzeit den Staat beherrschen, sodass der Führer der Islamischen Republik mehr und mehr an Macht und Einfluss verliert. Es wird weiterhin gezeigt, dass ein Regimewechsel, selbst unter noch größerem Blutvergießen, nicht leicht zu erreichen ist, und die Gefahr heraufschwört, ein Chaos hervorzurufen. [Anmerkung: siehe Libyen] Hingegen bestehen noch Chancen das vorhandene Regime zu reformieren.
Regimewechsel, wer wünscht ihn sich? Wer hat die meisten Chancen?
Nach meiner Einschätzung sind zurzeit über 80% der Menschen im Iran unzufrieden. Doch nicht alle befürworten die Abschaffung des Regimes.
Radikale Fundamentalisten, moderate Fundamentalisten, Reformer, Linke mit Liberalen und Säkulären und schließlich die radikale Opposition machen jeweils ca. 20% der Gesellschaft aus. Während die beiden extremen Positionen auch bereit sind, Blut zu vergießen, sehen alle anderen eine gewaltlose Veränderung des Systems als wünschenswert an, nicht aber eine von außerhalb des Landes gesteuerte „Revolution“. (Siehe Tabelle 1)
Es ist anzumerken, dass unter den radikalen Gegnern des Regimes sich zwei Gruppen besonders hervorheben: Monarchisten und die Volksmudschaheddin. Wobei, wenn die Mudschaheddin die kaiserliche Iranfahne (Trikolore mit einem Löwen, Sonne und Schwert) schwenken,