Klassischerweise kann man die Entwicklungsverläufe des kindlichen Spracherwerbs auf unterschiedlichen Ebenen beschreiben. Man schaut sich also an, wie ein Kind Laute erkennt, unterscheidet und produziert (also die Ebene der
Phonetik und der
Phonologie), wie es Wörter versteht, speichert und abruft (also die Ebene des
Lexikons und der
Semantik), wie es mit Wörtern dann Sätze bildet (also die Ebene der
Syntax) und schließlich wie es seine sprachlichen Fähigkeiten dann in der Kommunikation einsetzt (das wäre dann die Ebene der
Pragmatik).
Die kindliche Sprachentwicklung beginnt jedoch bereits lange vor dem ersten Wort. Babys haben bereits wenige Tage nach der Geburt eine besondere Vorliebe für menschliche Stimmen. Experimente zeigen, dass Säuglinge ihre Muttersprache schon knapp nach der Geburt von anderen Sprachen unterscheiden können, und dass sie diese an ihrer Melodie erkennen. Säuglinge sind ebenfalls sehr gut darin, zwischen Lauten zu unterscheiden. Doch diese anfängliche Fähigkeit auch noch so geringe phonetische Unterschiede wahrzunehmen, lässt sich mit der Zeit nach und pendelt sich am Ende des ersten Lebensjahres auf das Lautinventar der Muttersprache ein.
Außerdem zentral für den Spracherwerb ist die Fähigkeit zu segmentieren. Das Kind muss lernen, einen auf den ersten Blick unkontrollierten Strom aus Sprachlauten so zu zerlegen, dass einzelne Einheiten hörbar werden, die es später selbst zu solch unkontrollierten Sprachströmen zusammensetzen kann. Das macht es unter anderem durch das Beobachten und Verarbeiten des Sprachrhythmus, phonotaktischer Regularitäten und Inhalts- oder hochfrequenter Funktionswörter.
Wenn ein Kind einzelne Wörter identifiziert hat, folgen zwei wichtige Schritte: Erstens muss es diese Lautpakete mit Bedeutung versehen und zweitens muss es sie kategorisieren.
Neben Verhaltensbeobachtungen gibt es mittlerweile auch eine ganze Reihe an bildgebender Verfahren, mit denen die Prozesse in kindlichen Gehirn dargestellt werden können, die ablaufen, während sie sprachliche Stimuli verarbeiten. Die Ergebnisse weisen darauf hin, dass das kindliche Gehirn in den ersten drei Lebensjahren ähnlich auf diese Stimuli reagiert wie das erwachsene.
Viele Spracherwerbsforscher·innen gehen davon aus, dass es sich bei all diesen Fähigkeiten um sogenannte Prädispositionen handelt, spezifische Veranlagungen, die entweder angeboren sind oder sehr früh ausgebildet werden. Diese würden die Aufmerksamkeit des Kindes auf jene Merkmale des Sprachangebots lenken, die es in bestimmten Entwicklungsphasen vorrangig verarbeiten bzw. verarbeiten kann.
Studie aus der Folge: das Pronk-Experiment
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