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Sanktionskarussell: Blankoscheck für modernes Freibeutertum? | Von Wolfgang Effenberger


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Ein Standpunkt von Wolfgang Effenberger.
Am 27. Mai 2022 haben die iranischen Revolutionsgarden (IRGC) im Persischen Golf zwei griechische Öltanker festgesetzt.(1) Griechenland protestierte auf das Schärfste und sprach von einem Akt der Piraterie.(2) Doch die angebliche „Piraterie“ hat einen aufschlussreichen Vorlauf. Vorausgegangen war die Festsetzung des unter russischer Flagge fahrenden Tankers "Lana" in griechischen Gewässern durch die griechischen Behörden(3) nachdem sie festgestellt hatten, dass der Tanker der unter Sanktionen stehenden russischen Promswjasbank gehörte. Als klar wurde, dass die Bank den Tanker mit dem ursprünglichen Namen "Pegas"(4) bereits im März 2022 an eine nicht sanktionierte russische Bank verkauft hatte, hätte man ihn eigentlich weiterfahren lassen müssen. Inzwischen hatten jedoch US-Behörden festgestellt, dass der Tanker iranisches Öl transportierte und somit unter gegen den Iran verhängte Sanktionen verstieß.(5) Flugs wurde die Ladung auf das von der griechischen Reederei Dynacom betriebene und unter liberianischer Flagge fahrende Tankschiff "Ice Energy" umgeladen, um in die USA transportiert zu werden.(6) Vor zwei Jahren hatte Washington schon einmal vier für Venezuela bestimmte Ladungen iranischen Treibstoffs beschlagnahmt und auf zwei andere Schiffe umgeladen, die dann in die Vereinigten Staaten fuhren.(7)
Vor über 30 Jahren hatten die Vereinten Nationen die wirtschaftliche Totalblockade des Irak beschlossen, ohne sich um die Folgen zu kümmern – oder war es gar so gewollt?


Im Mai 1996 wurde die damalige US-Außenministerin Madeleine Albright im US-TV-Magazin »60 Minutes« zu den Folgen der auf Druck Washingtons verhängten UN-Sanktionen gegen den Irak befragt. 500.000 Kinder seien gestorben, „mehr als in Hiroshima“, hieß es in der Moderation. „Glauben Sie, dass es den Preis wert ist?“ Es sei eine „sehr schwere Entscheidung“ gewesen, meinte Albright und bekräftigte dann: „Wir denken, es ist den Preis wert.“(8)

Seit Inkrafttreten des US-Langzeitstrategiepapiers „Win in a Complex World 2020-2040“ im September 2014 - darin werden die US-Streitkräfte angewiesen, sich zunächst auf den Abbau der Bedrohung durch Russland und China und dann durch Nordkorea und den Iran vorzubereiten – nehmen die Sanktionen gegen diese Staaten kein Ende. Laut dem Islamwissenschaftler Fabian Goldmann sind sie „Krieg mit anderen Mitteln“(9)Die Zivilbevölkerung bezahlt den Preis vor allem mit ihrem Leib und Leben. Häufig provozieren diese Sanktionen auch Gegenmaßnahmen, wie jetzt im Iran oder in Moskau. Dort veröffentlichte am 21. Mai 2022 das russische Außenministerium eine Sanktionsliste mit den Namen von 963 US-Bürgern.(10)


Sanktionen sind zweifellos die Vorstufe für weitere Eskalationen, an deren Ende der Einsatz von militärischen Mitteln nicht mehr ausgeschlossen werden kann. Nachweislich steigern Sanktionen die Kriegsgefahr.

Das Gegenteil will die UN angeblich mit den Sanktionen bzw. Embargen erreichen. Nach Art. 39 und 40 der UN-Charta sollen sie bei Verstößen gegen Menschenrechte, bei Bedrohung des Friedens oder Friedensbruch oder bei Angriffshandlungen zur Erhaltung des Friedens sowie zur Lokalisierung bewaffneter Konflikte auf Empfehlung des Sicherheitsrats eingesetzt werden.(11) Auffällig ist nur, dass die völkerrechtswidrigen Angriffskriege und die ebenfalls völkerrechtswidrigen „Regime-Changes“ der USA bisher nicht zu Sanktionen geführt haben.
Nachdem am 24. März 1999 die USA mit einer „Koalition der Willigen“ völkerrechtswidrig Jugoslawien angegriffen hatten, verkündete die NATO zu ihrem 50. Jahrestag eine neue NATO-Doktrin. Unabhängig von einem NATO- oder OSZE-Mandat sollten nun US-amerikanische Interessen weltweit durchgesetzt werden. Die Schranke aus Artikel 5 des NATO-Vertrags („Einsatz nur zur Verteidigung des Bündnisgebiets“) hatte man damit aus den Angeln gehoben. Seitdem gilt das Faustrecht.
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