Ein Kommentar von Wolfgang Effenberger.
Anfang Dezember 2021, also vor einem Jahr, habe ich mit meinen beiden Artikeln "Kalter Krieg Reloaded"1) und "Ermuntert die Nachgiebigkeit Putins die USA zum Krieg?"2) auf die gefährlichen US-Machtspiele hingewiesen, die Putin zum Krieg provoziert haben könnten.
Nun, nach einem Jahr, wurden die dort aufgezeigten Entwicklungstendenzen aufs Schrecklichste bestätigt, wobei der Angriff Russlands am 24.2.2022 auf die Ukraine für manche systemunabhängigen Analysten außerhalb jeder Vorstellung lag.
Bundeskanzler Olaf Scholz nannte dann rasch diesen völkerrechtswidrigen Angriff der Vetomacht Russland eine Zeitenwende. Doch die wurde bereits 21 Jahre zuvor, am 24.3.1999, mit dem völkerrechtswidrigen Angriff (ohne UN-Resolution) der Vetomacht USA auf Restjugoslawien eingeläutet. Seither mandatieren die USA ihre Interventionen weltweit ohne UN-Resolution: das Völkerrecht wurde durch das Faustrecht ersetzt. Die Beerdigung des Völkerrechts fand also nicht erst am 24.2.2022 statt. Und auch der aktuelle Krieg hat seine Vorgeschichte!
So geht es im Ukrainekrieg in der Summe um gebrochenes Versprechen, die Stationierung von Patriot Waffensystemen in Rumänien und in Polen, ein Ultimatum der EU, einen Staatsstreich orchestriert von den USA, den Artilleriebeschuss russischstämmiger Bevölkerung im Donbass seit 2014 mit annähernd 14.000 Toten, die fehlende Durchsetzung der Minsker Abkommen, wo Deutschland als Garantiemacht fungierte, und die Weigerung, über von Russland geforderte Sicherheitsgarantien zu verhandeln.
Insgesamt geht es um die Durchsetzung einer brutalen Geopolitik mit dem Ziel der unipolaren Weltordnung.
Gebrochenes Versprechen:
Der Fall der Berliner Mauer am 9.11.1989 führte zu Verhandlungen über die Wiedervereinigung der beiden - nach dem Zweiten Weltkrieg entstandenen - deutschen Staaten.
Am 31.1.1990 erklärte der westdeutsche Außenminister Hans-Dietrich Genscher öffentlich: "Was immer im Warschauer Pakt geschieht, eine Ausdehnung des NATO-Territoriums nach Osten, das heißt, näher an die Grenzen der Sowjetunion heran, wird es nicht geben“3), so Frank Elbe, damals Bürochef von Hans-Dietrich Genscher, Leiter des Planungsstabes des Auswärtigen Amtes und späterer Botschafter.
Dazu gibt es nach Aussage von Elbe ein offizielles Dokument, nämlich den Brief von US-Außenminister Baker, der am 7./8. Februar …. zu Gesprächen mit Gorbatschow in Moskau war, an Helmut Kohl – der einen Tag später nach Moskau reiste. Für den Juristen Elbe ist der Brief schon eine Zusage, ein Versprechen, aber kein völkerrechtlicher Vertrag.
Bakers Aussage in Moskau über unumstößliche Garantien, „dass die NATO-Rechtsprechung oder die NATO-Streitkräfte nicht verlagert würden („ironclad guarantees that NATO’s jurisdiction or forces would not move“) alarmierte in Washington die Mitarbeiter des Nationalen Sicherheitsrates.
So setzte sich der Nationale Sicherheitsrat ziemlich schnell mit Baker in Verbindung und sagte ihm, „dass diese Formulierung falsch interpretiert werden könnte“4), erinnerte sich Condoleezza Rice, damals sowjetische Beraterin von Präsident George H. Bush (sen.) und spätere Außenministerin von Präsident George W. Bush (jun.), in einem Interview für eine Biographie über Baker. Baker verstand und begann, seine Worte zurückzunehmen.
Der westdeutsche Bundeskanzler Helmut Kohl wies die Formulierung von Herrn Genscher ebenfalls zurück.
Am 11.9.1990 hielt Präsident George H. Bush (sen.) eine geschichtsträchtige Kongressrede. In den Mittelpunkt stellte er eine neue Partnerschaft unter den Nationen. Die ernste Krise am Persischen Golf (Husseins Einmarsch nach Kuwait) würde die seltene Gelegenheit bieten, eine historische Phase der Zusammenarbeit einzuleiten. „Aus diesen unruhigen Zeiten kann unser fünftes5) Ziel - eine neue Weltordnung - erwachsen: Eine neue Ära - freier von der Bedrohung durch den Terror,