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Heute geht’s um den Kern des Ganzen. Um das Wesentliche. Um die Grundlage der schriftstellerischen Erzählkunst und die unseres Podcasts. Michel de Montaigne schreibt vom Schreiben, und er tut dies in einer speziellen Form. Er gilt als Erfinder, Erstautor der auch heute noch unter Schriftstellern beliebten Textgattung Essay. Dass sie beliebt ist, ist alles andere als verwunderlich, denn das Programm, das Montaigne in seinen Texten entwickelt, lässt viele individuelle Freiheiten. Wie jedes literarische Genre hat auch die Essay-Form über die Jahrhunderte hinweg an Strenge verloren. Schließlich erschienen Montaignes „Essais“ (so im französischen Original) ab dem Jahr 1580 bis ins Jahr 1595. Es begann also vor mehr als 440 Jahren! Und doch gelten einige Formregeln weiterhin.
Der Essayist sollte stets induktiv vorgehen, also vom Besonderen, vom Einzelfall ausgehen. Er sollte multiperspektivisch seinen Gegenstand betrachten, (scheinbar) unsystematisch, stattdessen assoziativ vorgehen, ihn eher umkreisen als scharf konturieren. Und er sollte eben auch so schreiben können. Eine für die Wirkung eines Essays ganz entscheidende Voraussetzung. Denn der schönste Essay-Plan wäre sinnlos, wenn der Schreiber oder die Schreiberin nicht in der Lage wäre, das Publikum zu unterhalten – auf welcher intellektuellen Ebene auch immer. Michel de Montaigne jedenfalls war ein außerordentlich klar und präzise schreibender Autor, der aufgrund einiger gewagter Vergleiche und Metaphern stets zu unterhalten wusste. Und: Bis dahin hatte keine Textgattung so sehr auf das Ich gesetzt, so stark Ich-Empfindungen und -Wahrnehmungen ins Zentrum gestellt.
In dem Werk, das wir heute vorstellen, nennt Montaigne das Ergebnis des essayistischen Schreibens „das Protokoll (…) unfertiger und mitunter gegensätzlicher Gedanken“. Es sei „nie fest“, sondern „ständig in Erprobung“, und er schildere als Essayist „nicht das Sein“, sondern „das Unterwegs-Sein“. Ach, schön! Auch lesen wir von der Wandelbarkeit und Widersprüchlichkeit, die im Autor selbst und im Leser wirken, vom natürlichen Wanken und Schwanken der Welt, von der Beständigkeit, die ihm „bloß ein verlangsamtes Schaukeln“ ist. Alles schwankt, wankt, schaukelt. Auch der Autor.
Es gehört zum Essay, Fragen offenzuhalten. In diesem Sinne schweigen wir an dieser Stelle – selbst ein wenig schwankend, da wir doch noch so vieles mehr schreiben könnten … Der Vorleser des Textes ist der unvergleichliche Otto Sander. Die Übersetzung stammt von Hans Stilett.
Heute geht’s um den Kern des Ganzen. Um das Wesentliche. Um die Grundlage der schriftstellerischen Erzählkunst und die unseres Podcasts. Michel de Montaigne schreibt vom Schreiben, und er tut dies in einer speziellen Form. Er gilt als Erfinder, Erstautor der auch heute noch unter Schriftstellern beliebten Textgattung Essay. Dass sie beliebt ist, ist alles andere als verwunderlich, denn das Programm, das Montaigne in seinen Texten entwickelt, lässt viele individuelle Freiheiten. Wie jedes literarische Genre hat auch die Essay-Form über die Jahrhunderte hinweg an Strenge verloren. Schließlich erschienen Montaignes „Essais“ (so im französischen Original) ab dem Jahr 1580 bis ins Jahr 1595. Es begann also vor mehr als 440 Jahren! Und doch gelten einige Formregeln weiterhin.
Der Essayist sollte stets induktiv vorgehen, also vom Besonderen, vom Einzelfall ausgehen. Er sollte multiperspektivisch seinen Gegenstand betrachten, (scheinbar) unsystematisch, stattdessen assoziativ vorgehen, ihn eher umkreisen als scharf konturieren. Und er sollte eben auch so schreiben können. Eine für die Wirkung eines Essays ganz entscheidende Voraussetzung. Denn der schönste Essay-Plan wäre sinnlos, wenn der Schreiber oder die Schreiberin nicht in der Lage wäre, das Publikum zu unterhalten – auf welcher intellektuellen Ebene auch immer. Michel de Montaigne jedenfalls war ein außerordentlich klar und präzise schreibender Autor, der aufgrund einiger gewagter Vergleiche und Metaphern stets zu unterhalten wusste. Und: Bis dahin hatte keine Textgattung so sehr auf das Ich gesetzt, so stark Ich-Empfindungen und -Wahrnehmungen ins Zentrum gestellt.
In dem Werk, das wir heute vorstellen, nennt Montaigne das Ergebnis des essayistischen Schreibens „das Protokoll (…) unfertiger und mitunter gegensätzlicher Gedanken“. Es sei „nie fest“, sondern „ständig in Erprobung“, und er schildere als Essayist „nicht das Sein“, sondern „das Unterwegs-Sein“. Ach, schön! Auch lesen wir von der Wandelbarkeit und Widersprüchlichkeit, die im Autor selbst und im Leser wirken, vom natürlichen Wanken und Schwanken der Welt, von der Beständigkeit, die ihm „bloß ein verlangsamtes Schaukeln“ ist. Alles schwankt, wankt, schaukelt. Auch der Autor.
Es gehört zum Essay, Fragen offenzuhalten. In diesem Sinne schweigen wir an dieser Stelle – selbst ein wenig schwankend, da wir doch noch so vieles mehr schreiben könnten … Der Vorleser des Textes ist der unvergleichliche Otto Sander. Die Übersetzung stammt von Hans Stilett.