Ökonomische Hintergründe des Ukraine-Krieges
Ein Kommentar von Christian Kreiß.
Fragestellung
Die weltweiten Schulden sind so hoch wie noch nie. Die führenden Notenbanken der Industrieländer haben so viel frisches Geld gedruckt wie noch nie. Während Corona wurden ungeheuer viele Schecks auf die Zukunft gezogen, die unmöglich jemals eingelöst werden können. In irgendeiner Form muss ein Geld- und Schuldenschnitt kommen. Wäre ein großer Ukraine-Krieg eine Lösung für unsere Finanzprobleme?
Die ökonomische Entwicklung seit 1980
Seit etwa 1980 sehen wir in den USA, aber auch in vielen anderen Industrienationen, eine zunehmende Ungleichverteilung. Die Schere zwischen arm und reich, genauer, zwischen den Wohlhabenden und der Mittelschicht bzw. den unteren Einkommensschichten ist aufgegangen. Das war auch politisch durchaus so gewollt. Von der „konservativen Revolution“, die 1980 in den USA und Großbritannien begann, ging das Motto aus: Macht die Reichen reicher, entlastet die Unternehmen steuerlich, dann wird mehr investiert und das Wachstum steigt. Das hat auch funktioniert, allerdings unter Inkaufnahme zunehmender Ungleichverteilung, das heißt, dass ein großer Teil des zunehmenden materiellen Wohlstands nach oben, zu den ohnehin schon Wohlhabenden geflossen ist.1
Massenproduktion ist aber nur möglich bei Massennachfrage und diese setzt wiederum Massenkaufkraft voraus. Aber just die Massenkaufkraft ist nur sehr wenig gestiegen, da die Löhne zurückgeblieben sind. Wie war also das starke Wirtschaftswachstum überhaupt möglich? Wer hat mit welchem Geld die ganzen zusätzlichen Produkte und Dienstleistungen gekauft? Das funktionierte nur über zunehmende Schulden.2 Die weltweiten Schulden sind derzeit mit 296 Billionen Dollar, das entspricht 353 Prozent der weltweiten Wirtschaftskraft, so hoch wie noch nie3 und können unmöglich jemals zurückbezahlt werden.
Was ist also von 1980 bis heute geschehen? Das zusätzliche Geld und Kapital hat sich mehr und mehr bei einer kleinen Oberschicht konzentriert. Von dieser wurde es wieder renditemaximierend in neue Investitionen gesteckt, für die eigentlich die Massen-Nachfrage gefehlt hat. Die Massennachfrage hat man dann über zusätzlich Kredite geschaffen. Es hat also ein nicht organisches, nicht gesundes, sondern krankes, krebsartiges Wachstum stattgefunden.
2007 war ein unhaltbarer Zustand dieser Entwicklungen erreicht. Die Schulden waren zu hoch geworden und insbesondere die Immobilienmärkte (aber nicht nur diese) waren krebsartig gewachsen. Das führte zu der Finanzkrise 2007 bis 2009, die die Welt an den Rand eines Zusammenbruchs des Weltfinanzsystems führte. Das Schuldenproblem wurde „gelöst“, indem neue Schulden aufgenommen wurden. Das war möglich, weil die Notenbanken in fast allen Industriestaaten die Zinsen auf oder nahe Null gesetzt und frisches Geld in noch nie dagewesenem Maße gedruckt haben – der Fachausdruck dafür ist quantitative easing, quantitative Lockerung bzw. Geldmengenausweitung. Die USA haben die Zentralbankgeldmenge seit 2007 grob verelffacht, die EZB etwa verneunfacht.
So stehen wir heute nicht nur vor einem unlösbaren Schuldenproblem, sondern auch vor einer riesigen Geldblase, die beide das finanzielle Spiegelbild des eigentlich zu Grunde liegenden ökonomischen Problems sind: Die Massennachfrage ist zu gering, die Produktionskapazitäten sind, gemessen an den Masseneinkommen viel zu hoch, weil die Ungleichverteilung ständig gestiegen ist. Ein großer Teil des Wirtschaftswachstums der letzten 40 Jahre war krebsartiges, ungesundes, schuldenfinanziertes und daher nicht nachhaltiges Wachstum.
Krieg als Lösung der ökonomischen Probleme? Welche Interessen haben die USA?
„Die“ Lösung „der“ Finanzmarkt- oder Überkapazitätsprobleme ist zu allgemein. Ich möchte daher auf ganz bestimmte, konkrete Interessenlagen eingehen. Wie stellt sich die polit-ökonomische Lage aus US-Sicht dar?