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Selbsthass unterm Regenbogen | Von Roberto J. De Lapuente


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Ein Kommentar von Roberto J. De Lapuente.
Lange Zeit war der deutsche Nationalismus ein europäisches Problem — jetzt ist es der deutsche Antinationalismus, der den europäischen Nachbarn zusetzt und sie befremdet.
Deutschland bekennt Farbe. Nur eben nicht die eigene. Die Farbkombination aus Schwarz, Rot und Gold erscheint einigen Deutschen mittlerweile als etwas, dessen man sich schämen müsste. Zumindest auf dem internationalen Parkett werden diese Farben analog zu den nationalen Interessen negiert. Stattdessen rühmt sich Deutschland in seiner Außendarstellung einer vermeintlich Hypertoleranz im Zeichen des Regenbogens. Ob ausufernder Nationalismus in der Vergangenheit oder ein gegenteiliger Antinationalismus in der Gegenwart — Deutschland stellt abermals seine Gabe unter Beweis, den Ideologiedrehzahlmesser bis in den roten Extrembereich hochzujagen.
Schätzen Sie sich glücklich, falls Sie den Eurovision Song Contest nicht geguckt haben. Denn traditionell war er wieder mal eine Beleidigung für alle Sinne. Und eine politisch ziemlich abgeschmackte Show war es außerdem. Als man in der Halle zu Liverpool – der Contest konnte ja nicht beim Vorjahressieger in der Ukraine ausgetragen werden – laut anfing, mit „You‘ll never walk alone“ die Hymne der ortsansässigen Weltfußballklubs zu schmettern, war die Propaganda auf ihrem Höhepunkt angelangt: Die Zuschauer grölten, die Moderatoren und Contest-Teilnehmer marschierten auf die Bühne und sangen laut mit, und am Ende gab es einen Schwenk nach Kiew, wo Menschen ukrainische Fahnen zum Song flattern ließen.
Selten war so viel Inszenierung. So viel Choreographie. Es hatte etwas von einer stalinistischen Aufführung, triefte vor Pathos und der Ästhetik von sozialistischem Realismus. Nur ohne Sozialismus, versteht sich. Mittendrin die deutschen Teilnehmer, eine Band namens Lord of the Lost, mehr oder minder junge geschminkte Männer, die immer dann mit der Regenbogenfahne wedelten, wenn das Kameraobjektiv auf sie gerichtet wurde.

Im Vorfeld des Contests ließen sich alle Teilnehmer für ein Plakat fotografieren: Jeder mit der Fahne seiner Nation. Nur die androgynen Glamourdeutschen nicht: Die ließen sich mit der bunten Farbenpracht der Regenbogenfahne ablichten.
Somewhere over the rainbow
Schwarz-Rot-Gold: Das waren mal die Farben der Bundesrepublik – oder Deutschlands, wenn man, mit Blick auf das Hambacher Fest von 1832, historisch genauer sein möchte. Heute sind sie es ganz offensichtlich nicht mehr. Wo immer man die deutschen Farben vermeiden kann, vermeidet man sie auch. Und man geht noch einen Schritt weiter und ersetzt die ursprüngliche Farbentrias durch die farbliche Vielfalt des Regenbogens.
Noch so eine ästhetisch beleidigende Szene: Denken wir uns zurück in den November 2022, als Innenministerin Nancy Faeser mal eben nach Katar jettete, um die deutschen Farben zu repräsentieren. Also jene, die alle Farbspektren beinhalten. Innen-Nancy lief dort mit einer bunten Armbinde auf, präsentierte dem muslimischen Volk ihre unbedeckten Oberarme under the rainbow. Die Welt schwankte zwischen Verwunderung und Spott. Insbesondere auch deshalb, weil die Nationalmannschaft einen riesigen Aufriss um die Regenbogenbinde machte, auf dem Platz jedoch nur triste Grautöne lieferte und sich ganz und gar nicht aufriss.
Deutschland hat in den letzten Monaten eine neue Farbenlehre erhalten. Natürlich schmückten sich Ministerien schon vormals damit. Um Zeichen zu setzen: „Symbolpolitik“ nannten das die Kritiker. Die Fürsprecher erklärten dieses Zurschaustellen zum großen Wurf.

Welchem Mindestlohnbezieher geholfen ist, weil vor dem Arbeitsministerium das volle Farbspektrum wedelt, wurde bis dato nie gänzlich aufgeklärt. Mancher munkelt gar, dass das genau die Absicht der Symbolpolitik ist: So tun als ob – und ja nichts verbessern.
Regenbogen-Deutschland streitet sich um Identitäten – nicht um Entitäten: Um sozialpolitisc...
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