Rom und Wien wollen mit Sozialpunkten und Smart Cities „ein neues Gesellschaftskonzept“ umsetzen.
Ein Standpunkt von Norbert Häring.
Die digitalen Pilotprojekte zur hoheitlichen Manipulation des Bürgerhandelns schießen wie Pilze aus dem Boden. Ist es wirklich Zufall, dass neben Bologna und Bayern, annähernd gleichzeitig auch Wien und Rom ihre Bürger mit Sozialpunkten für tugendhaftes Verhalten belohnen wollen und die EU-Kommission im Eiltempo den digitalen Euro auf den Weg bringen will?
Wie üblich sind es die Digitalisierungsbehörden, die das vorantreiben und wie üblich gibt es den Zusammenhang mit einem sogenannten Smart-City-Programm.
Die Digitalisierer der Stadtverwaltung Roms schreiben zu ihrem Projekt:
"Die Citizen Wallet (Bürger-Brieftasche, Anm. des Autors) ist eine Belohnungsplattform, die tugendhaftes Verhalten der Stadtnutzer fördert, um die ökologische, soziale und wirtschaftliche Nachhaltigkeit der Stadt im Einklang mit den Zielen der Agenda 2030 zu verbessern.“
Es geht also um Ökologie und Soziales. Und was ist für diejenigen, die Rom zur Smart City machen wollen, ökologisch und sozial verantwortliches Verhalten, das mit Sozialpunkten für Tugendhaftigkeit zu belohnen ist? Für den Anfang ist das:
Die Verwaltungsangestellten nicht zu behelligen und stattdessen Dienste online in Anspruch zu nehmen und danach zu bewerten, und
Tickets für die Metro bargeldlos mit dem überwachungsfreundlichen tap&go-System kaufen.
Im Laufe der Zeit will man natürlich noch andere „tugendhafte“ Verhaltensweisen prämieren. Für die Punkte bekommt man geldwerte Prämien von der Stadt und von Kooperationspartnern.
Tugendhaft und nachhaltig sind diese Verhaltensweisen, weil sie den römischen Smart City Plan befördern, der angeblich das Nonplusultra in Sachen Lebensqualität und Nachhaltigkeit ist. Das Projekt Roma Smart City, in das das Citizen Wallet eingebettet ist, wird beschrieben als:
"Das Projekt Roma Smart City zielt darauf, die Bedürfnisse und Bedarfe der Stadtnutzer ins Zentrum zu rücken, indem die folgenden Aspekte betont werden: Nachhaltigkeit, Förderung öffentlich-privater Partnerschaften (…), Datenregulierung um Informationen zu teilen, die strategische Entscheidungen leiten.“
Übersetzt: Gewinnmöglichkeiten für die IT-Konzerne schaffen.
An anderer Stelle schreiben die Digitalisierer Roms noch verräterischer:
"Aber was ist eine intelligente Stadt? Die digitale Innovation ist nicht ausschließlich ein technologisches Thema, denn sie betrifft nicht nur die Verwaltung von Informationssystemen oder Infrastrukturen, die Menschen, Sensoren oder Maschinen miteinander verbinden. Es geht um die Schaffung eines neuen Gesellschaftskonzepts, bei dem die Digitalisierung zusammen mit der nachhaltigen Entwicklung und der sozialen und geschlechtsspezifischen Eingliederung einer der Grundpfeiler ist.“
In ihrer Hybris wollen sie tatsächlich Menschen und Maschinen verbinden und ein neues Gesellschaftskonzept umsetzen. Das ist ziemlich genau das technokratisch-mechanistische Menschen- und Gesellschaftsbild von Klaus Schwab, dem Chef des Weltwirtschaftsforums. Er nennt es auch Transhumanismus, die Überwindung der menschlichen und gesellschaftlichen Schwächen durch Technik.
Ich würde sagen, eine begründete Vermutung, wer hinter den aus dem Boden sprießenden Sozialpunkteprojekte steht, ist gefunden: Das Weltwirtschaftsforum und die großen IT-Konzerne als dessen mächtigste Träger. Sie haben schließlich über verschiedenste öffentliche-private Partnerschaften Sponsoring und Beratung intimste Kontakte und größten Einfluss auf die Digitalisierungsbehörden. Nicht ohne Grund legte das Weltwirtschaftsforum 2022 – und wohl auch schon vorher – bei der Auswahl seiner Einflussagenten Young global Leaders einen Schwerpunkt auf die Unterwanderung der Digitalisierungsbehörden.