Best of SZ: Das Thema und In aller Ruhe

„Socialised to desire“ – Manon Garcia bei Carolin Emcke über Sexualität und Unterwerfung


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Der Missbrauchsfall Gisèle Pelicot hat die Öffentlichkeit erschüttert. Nachdem sie jahrelangen Vergewaltigungen durch ihren Ehemann und viele weitere Männer öffentlich gemacht hatte, wurde sie zu einer Symbolfigur für den Kampf gegen sexualisierte Gewalt. In einem viel beachteten Prozess sprach ein französisches Gericht im vergangenen Jahr 51 Männer wegen Vergewaltigung schuldig. Darunter auch Pelicots Ex-Mann Dominique. Er bekam die Höchststrafe von 20 Jahren, weil er seine damalige Frau jahrelang mit Medikamenten betäubt, missbraucht und anderen Männern zur Vergewaltigung angeboten hatte.

Die französische Philosophin Manon Garcia hat ihre unmittelbare Erschütterung über den Pelicot-Prozess in einem Buch verarbeitet: „Mit Männern leben“. In dieser Folge von „In aller Ruhe“ spricht sie mit der Publizistin Carolin Emcke darüber, wie sie den Prozess im Gerichtssaal erlebt hat. Und sie erklärt, wie sie zu der Kernfragestellung ihres Buches kam: Liegt es in der Natur des Mannes zu vergewaltigen?

Garcia, geboren 1985 in Frankreich, lehrt praktische Philosophie an der Freien Universität in Berlin. Nach dem Erwerb ihres Doktortitels an der Sorbonne-Universität in Paris arbeitete sie zunächst an Universitäten in den USA: in Chicago, Harvard und Yale. In ihrer Forschung beschäftigt sie sich mit dem Verhältnis von Männern und Frauen, insbesondere in Fragen der Sexualität.

Generelle gesellschaftliche Verwirrung über den Zusammenhang von Gewalt und Sexualität

Im Gespräch mit Carolin Emcke erzählt Manon Garcia, dass sie sich bei ihren Besuchen im Gerichtssaal immer wieder dieselbe Frage gestellt hat: Warum fanden es diese Männer erregend, eine bewusstlose Frau zu vergewaltigen? „Ein Effekt, den dieser Prozess auf mich hatte, war die Erkenntnis, dass es da etwas im männlichen Begehren gibt, das ich und viele andere Frauen tief verstörend finden.“ Auffällig findet die Philosophin dabei, wie viele Frauen das Gefühl hatten, dass der Pelicot-Prozess etwas darüber aussagt, was es gesellschaftlich bedeutet, eine Frau zu sein. Während nur wenige Männer sagten, dass der Prozess etwas über Männerbilder aussagt. „Das kann nicht sein.“

Garcia reflektiert im Podcast über die komplexen Dynamiken von Unterwerfung und Zustimmung, die das gesellschaftliche Bild von Sexualität prägen, und wie sie zustande kommen. „Kann es sein, dass sich Frauen unterwerfen, weil sie wissen, dass sie ansonsten gezwungen werden?“ Die Philosophin spricht darüber, wie zurückhaltend die Psychologie die Befürwortung von sexueller Gewalt als Perversion einstuft: „Sie sehen es als normalen Teil männlicher Sexualität.“ Warum das für Manon Garcia für eine generelle gesellschaftliche Verwirrung hinsichtlich sexueller Rollenbilder spricht, erläutert sie im Gespräch mit Carolin Emcke.

Empfehlung von Manon Garcia

Die Philosophin empfiehlt die Apple-Serie „Krank Berlin“, die hyperrealistisch davon erzähle, wie der Mensch am Gesundheitssystem leidet. „Eine der besten Serien, die ich in diesem Jahr gesehen habe“, sagt Manon Garcia. Außerdem empfiehlt sie ein Buch der Autorin Neige Sinno, die darin ihre eigenen Erfahrungen mit sexualisierter Gewalt aufarbeitet: „Trauriger Tiger“.

Moderation, Redaktion: Carolin Emcke

Redaktionelle Betreuung: Ann-Marlen Hoolt, Johannes Korsche
Produktion: Imanuel Pedersen
Bildrechte Cover: Heike Steinweg/Bearbeitung SZ

Sie erreichen die Redaktion dieses Podcasts unter [email protected] – wir freuen uns über Anregungen, Lob oder Kritik.

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Best of SZ: Das Thema und In aller RuheBy Süddeutsche Zeitung