apolut Podcast Archive - apolut.net

Tagesdosis 21.05.2020 – Ein halber Kampf, aber ein ganzer Raubzug (Podcast)


Listen Later

Ein Kommentar von Dagmar Henn.
Deutschland, so die allgemein verbreitete Ansicht, habe sich ja bisher ganz gut geschlagen bei der Bekämpfung der Pandemie. Man könne wieder Lockerungen wagen, und die ganze Welt blicke neiderfüllt auf diese Erfolge.
Dabei ist die deutsche Strategie höchst unvollkommen. Denn ein Lockdown ist eigentlich nur ein Zeitgewinn, auf den Maßnahmen folgen müssten, die nicht nur die Ausbreitung des Virus verringern, sondern ihn tatsächlich verbannen.
Das hätte bedeutet, die Zeit des Lockdown zu nutzen, um dann durch massive Tests die vorhandenen Cluster zu identifizieren und dann auszutreten. Massive Tests? Die günstigste Meldung spricht von der Möglichkeit von 800 000 Tests pro Woche. Da würde es immerhin noch hundert Wochen oder zwei Jahre brauchen, um einmal die Bevölkerung durchgetestet zu haben; wenn man die Tatsache ignoriert, dass an besonders sensiblen Punkten, Krankenhäusern und Pflegeheimen etwa, immer wieder erneut getestet werden muss.
Ginge das denn überhaupt? Würde diese Frage in der politischen Landschaft von irgendjemand aufgegriffen (was leider nicht der Fall ist), dann lautete die Antwort vermutlich, so schnell so viele Tests bereitzustellen sei leider nicht möglich.
So wie es zwar möglich war, eine Pflicht zum Gebrauch eines Mundschutzes einzuführen, aber nicht, entsprechende Mengen für alle zu einem für eine Industriegesellschaft realistischen Preis (also jenem, der vor der Pandemie üblich war) zur Verfügung zu stellen. Ja, es gab Versuche, die vorhandene Industrie zur Produktion zu bewegen. Und wie sah das aus? Adidas produziert in seinen vollautomatischen Fabriken nach wie vor Turnschuhe und Kleidung; die großzügig angebotenen Masken werden von Näherinnen in Heimarbeit (1) gefertigt, wie im 19. Jahrhundert...
Das Ergebnis des wahrhaft heroischen Einsatzes: ganze 12 000 Masken... Nebenbei bemerkt, zuvor hatte sich Adidas einen Hilfskredit von bescheidenen 2,4 Milliarden (2)geholt. Die Bilanz für die bundesdeutsche Bevölkerung, die ja die Kredite finanzieren muss, beläuft sich also auf eine Maske für je zwei Millionen. Das kommt davon, wenn man sich im Gegenzug zu staatlicher Stützung keine Entscheidungsrechte holt.
Am chinesischen Beispiel lässt sich sehen, wie es anders geht. In Wuhan ist in den letzten Tagen ein neuer Brennpunkt von Infektionen (von ganzen sechs Fällen!) entdeckt worden. Da das chinesische Ziel Ausrottung des Virus heißt, besteht die Reaktion darin, jetzt die gesamte Bevölkerung (3) der Megastadt zu testen. „PCR-
Wir werden es beobachten können – spätestens in drei Wochen haben die ihre Tests durch.
In Deutschland wird es als Gnade empfunden, wenn endlich nicht mehr belegt werden muss, Kontakt zu einem nachgewiesen Infizierten gehabt zu haben, um getestet werden zu dürfen. Der Grund dafür? Obwohl die realen Kosten für den Test schon ganz zu Beginn der Pandemie bekannt wurden (10 Euro), lassen sich die Krankenkassen deutlich mehr (4) dafür abknöpfen: „Geschätzte 20 Millionen Corona-Tests in diesem Jahr würden rund 1,6 Milliarden Euro an zusätzlichen Ausgaben bedeuten.“
Das sind, man höre und staune, ganze 80 Euro je Test. Klar, dass zu diesem Preis eine Massentestung nicht zu haben ist. Man müsse die Beiträge erhöhen, lautet es bereits. Die privatisierten Kliniken mussten schließlich auch noch gerettet werden, indem man ihnen die Bereitstellung dann zum Glück doch nicht genutzter Intensivbetten mit 500 Euro pro Tag entlohnte. Statt schlicht zu erklären, wer meine, dass Gesundheit ein Geschäftsmodell sei, müsse eben auch mit den dazugehörigen Risiken leben, zu denen Pandemien nun einmal gehören.
Wer das nicht könne, habe auf diesem Markt nichts zu suchen... ein echtes öffentliches Gesundheitssystem jedenfalls hätte diese Probleme nicht.
Aber ist es wirklich nur der feste Glauben an den Markt, der hier vernünftiges Handeln und vernünftige Preise verhindert?
...more
View all episodesView all episodes
Download on the App Store

apolut Podcast Archive - apolut.netBy apolut Podcast Archive - apolut.net