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Tagesdosis 31.1.2020 – Ja, ich hasse (Podcast)


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Ein Kommentar von Dagmar Henn.
Die Klasse der Oligarchen, die ihre Reichtümer mit Hunger und Kriegen mehrt. Ihre politischen Lakaien. Ihre professionellen Gehirnvernebler.
Und ich hetze. Weil ich will, dass die Menschen dieses Joch abschütteln.
Ich hasse die Kriegstreiber der NATO. Und ich verbreite diesen Hass gerne. Es wäre mein Wunsch, dass man ihnen in den Arm fällt, ihr Treiben beendet.
Führt das nun dazu, dass morgen die Villen brennen? Ich glaube kaum. Die Wirkung meiner hetzerischen Bemühungen sind sehr begrenzt, ich kann noch so oft das Schicksal der Marie Antoinette als leuchtendes Beispiel bemühen, die Guillotine vor dem Reichstagsgebäude bleibt unerrichtet. Warum? Weil die Verbindung zwischen Wort und Tat nicht so einfach ist, weder im Positiven noch im Negativen.
Ich schreibe das nur, weil diese Begriffe 'Hass' und 'Hetze' in den letzten Jahren eine Art Leatherman zur Einschränkung demokratischer Rechte geworden sind. Ja, ich meinte meine oben getroffenen Aussagen ernst. Ich meinte sie aber auch als illustrierendes Beispiel, wie unklare Begriffe etabliert wurden, die bei Bedarf über fast jede deutlichere politische Aussage gestülpt werden können. Facebook würde Tucholsky löschen, und sich dabei auf das Netzwerkdurchsetzungsgesetz berufen.
Die Liste der Paragraphen (1), auf deren Grundlage Netzwerkbetreiber zur Zensur aufgefordert werden, ist lang. Wer will, kann sie nachschlagen. Es ist eine interessante Lektüre, wenn man sie ein wenig gegen den Strich liest. So geht es etwa im § 86 des Strafgesetzbuchs um „Verbreiten von Propagandamitteln verfassungswidriger Organisationen“, darunter wird aber auch definiert, was solche Propagandamittel sind – "Schriften, deren Inhalt gegen (...) den Gedanken der Völkerverständigung gerichtet ist." Wenn man dies ernst nähme, würde die gesamte Berichterstattung der Konzernmedien der letzten Jahre zum Thema Russland unter diesen Paragrafen fallen. In diesem Falle erkennt ein Blinder mit Krückstock, dass das so vom Gesetzgeber nicht gemeint ist.
Interessant ist in diesem Falle auch der § 100a die “landesverräterische Fälschung”. Wer “unwahre Behauptungen tatsächlicher Art, die im Falle ihrer Echtheit oder Wahrheit für die äußere Sicherheit oder die Beziehungen der Bundesrepublik Deutschland zu einer fremden Macht von Bedeutung wären, (...) öffentlich bekanntmacht, um einer fremden Macht vorzutäuschen, daß es sich um echte Gegenstände oder um Tatsachen handele, und dadurch die Gefahr eines schweren Nachteils für die äußere Sicherheit oder die Beziehungen der Bundesrepublik Deutschland zu einer fremden Macht herbeiführt” - wie war das noch einmal mit dem Tiergartenmord? Wurde da nicht behauptet, Russland habe nicht zu den Ermittlungen beigetragen, ohne dass ein entsprechendes Ersuchen überhaupt vorlag? Wurden nicht auf Grundlage dieser falschen Behauptung zwei russische Diplomaten ausgewiesen? Kann man eine solche Ausweisung anders bezeichnen denn als “einen Nachteil für die Beziehungen der Bundesrepublik Deutschland zu einer fremden Macht”?
Wie auch immer, mit Sicherheit werden in diesen Fällen weder Ermittlungen wegen der Straftaten eingeleitet noch werden entsprechende Beiträge in den sozialen Netzen gelöscht werden. Die Beispiele reichen aber hoffentlich aus, um zu belegen, was man mit diesen Paragrafen alles anstellen kann, wenn man will. Und genau da liegt das Problem. Es geht nämlich um die Meinungsfreiheit.
Das, was sich als politische Linke begreift, hat sich nämlich aufs Glatteis führen lassen, mit den Worten 'Hass' und 'Hetze'. Es wurde vergessen, dass das Wort 'Hetzer' historisch eines war, das Nazis für Kommunisten verwendeten. Man mag einmal die Deutsche Symphonie von Hanns Eisler anhören, mit der Vertonung des Brecht-Gedichts 'Begräbnis des Hetzers im Zinksarg' (2), um da das Gedächtnis etwas aufzufrischen. Ja, mit Eifer hat man an einer Waffe mitgeschmiedet, in die man sich ebensogut gleich selbst stürze...
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