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Tagesdosis 8.2.2020 – Grundsatzfragen sind keine Frage (Podcast)


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Wie durch medial erzeugte Pseudobetroffenheit von menschlichen Grundwerten abgelenkt wird.
Ein Kommentar von Christiane Borowy.
Coronavirus, Wahl in Thüringen, Julian Assange sitzt im Gefängnis, Markus Lanz macht schlechtes Fernsehen – mehr hat die Berichterstattung in den letzten Tagen thematisch nicht zu bieten. In jedem Medium werden die gleichen paar Themen und nachrichtentechnische Luftnummern wiedergekäut. Dabei sollen Emotionen geschürt werden, doch an echter Empathie und dem Stellen grundsätzlicher gesellschaftlich relevanter Fragen wird schlichtweg vorbeigeschrieben. Die wesentlichen Fragen kommen nicht auf den Tisch, denn schließlich ist man ja schon „am Puls der Zeit“.
Die Abnutzung des Nachrichtenwertes entsteht schon beim Studieren der Schlagzeilen. Wen überrascht es denn ernsthaft noch, dass bei Wahlen Vorabsprachen getroffen werden, damit man an die Macht kommt? Ist jemand erstaunt, dass es Ärger gibt, wenn sich jemand nicht an diese Vorgaben hält? Wen überrascht es heute noch, dass es immer wieder einmal Grippeviren gibt, resistente Keime, oder neue Zivilisationskrankheiten? Welcher informierte Mensch staunt tatsächlich darüber, dass Julian Assange im Gefängnis sitzt und sowohl sein Leben als auch die Pressefreiheit in Gefahr ist?
So werden wir schön in Pseudobetroffenheit eingelullt, und ehe wir es uns versehen, empören wir uns nicht mehr darüber, dass menschliche Grundwerte in diesem medialen Nebel verblassen.
Eine Hoffnung schien es zu geben. Am 06.02.2020 berichtet die Tagesschau (1) am frühen Abend über einen unter anderem von dem Journalisten Günter Wallraff initiierten Aufruf zur Freilassung von Julian Assange, dem sich 130 Künstler, Journalisten und Sigmar Gabriel angeschlossen haben. Man bezieht sich auf den UN-Sonderberichterstatter Nils Melzer, der vor einiger Zeit offiziell bestätigt hat, dass Assanges Gesamtzustand so schlecht ist, dass sein Leben bedroht ist und dass er Anzeichen psychischer Folter zeigt.
Das ist natürlich eine Riesenüberraschung, denn kaum sind beinahe 8 Jahre für Assange ohne Freiheit und frische Luft vergangen, fällt es den Hauptmedien auf, dass es um die Pressefreiheit geht. Man hat das Thema Assange und Pressefreiheit mainstream-medial so lange vom Tisch gewischt, bis Assange durch einen UN-Sonderberichterstatter, durch Assanges Eltern, Freunde und die so genannten „alternativen Medien“ als halbtot deklariert wurde, um dann „hochinformativ“ aber die Hälfte aussparend zu berichten, dass Assange seit einem Jahr im Gefängnis in Belmarsh sitzt. Es entsteht der Eindruck: Das ist ja noch nicht so lange, und wir Medien sind in der Berichterstattung ganz vorne. Was für eine Riesen-Heuchelei!
Sigmar Gabriel gehört zu den Unterzeichnern der prominent besetzten Kampagne. Er sehe die Rechtssicherheit gefährdet. Gabriel faselt dabei allerdings irgendetwas von britischem Recht, nach dem man handeln müsse. Assange müsse das Grundrecht zugebilligt werden, sich auf seine Verteidigung vorzubereiten. Das sei nicht gegeben. Ach so, das ist das Problem im Fall Assange? Aha.
Welche rechtlichen Absurditäten in dem gesamten Fall untersucht werden müssten, wird nicht einmal erwähnt. Wie es überhaupt sein kann, dass die USA die Auslieferung eines australischen Bürgers fordern ist nicht interessant. Im Gegenteil wird im Bericht lückenhaft und das gängige Narrativ zum Fall Assange wiederkäuend der Eindruck vermittelt, Assange hätte sich 2012 aus Angst vor rechtlichen Konsequenzen für den Verrat von Militärgeheimnissen in die ecuadorianische Botschaft geflüchtet und gleich daran wird berichtet, dass zu damaliger Zeit ein schwedischer Haftbefehl wegen Vergewaltigung gegen ihn vorlag. Mit keiner Silbe wird erwähnt, dass bereits zweimal ein schwedisches Verfahren gegen ihn eingestellt werden musste.
Assange hat geholfen, Informationen, die er selbst erhalten hat zu veröffentlichen. Das wird ignoriert.
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