Ein Standpunkt von Wolfgang Effenberger.
Offensichtlich setzen die USA im 21. Jahrhundert die Globalstrategie des langgedienten und einflussreichen polnischstämmigen US-Sicherheitsberaters Zbigniew Brzezinski mit ihrer Road-Map ins „Empire“ konsequent um.
Grobe Entwürfe einer globalistischen Road-Map skizzierte schon der britische Geograph Alfred Mackinder mit seiner 1904 veröffentlichten Theorie der drei Schritte zur Weltherrschaft:
Über Osteuropa, das russische Herzland (ostwärts des Urals, südlich des Eismeeres bis zum Kaukasus) und die Weltinsel (Eurasien) zur Herrschaft über die Welt. Vor allem geht es nach Mackinder darum, die Beherrschung der Weltinsel Eurasien durch andere Mächte als USA und GB zu verhindern. Denn wer die Weltinsel beherrsche, beherrsche die Welt.
Um die weitere Feinarbeit an dieser Road-Map ins Empire hat sich der langgediente und einflussreiche polnischstämmige US-Sicherheitsberater Zbigniew Brzezinski verdient gemacht und vor allem die demokratische Elite – von Präsident Jimmy Carter bis Barack Obama – nachhaltig geprägt. In seinem 1997 erschienen Buch „Die einzige Weltmacht: Amerikas Strategie der Vorherrschaft“ (Englisch: The Grand Chessboard. American Primacy and ist geostrategic Imperatives) erläutert Brzezinski im Hinblick auf den „Gewinn“ von Eurasien eine umfassende und in sich geschlossene Geostrategie“. Schon auf der ersten Seite der Einleitung heißt es:
''Inwieweit die USA ihre globale Vormachtstellung geltend machen können, hängt davon ab, wie ein weltweit engagiertes Amerika mit den komplexen Machtverhältnissen auf dem eurasischen Kontinent fertig wird - und ob es dort das Aufkommen einer dominierenden gegnerischen Macht verhindern kann."(1)
Von zentraler Bedeutung für die künftige amerikanische Außenpolitik sei der Raum von Lissabon bis Wladiwostok. Es gelte zu verhindern, dass „in Eurasien eine Macht entstehen kann, die die Vorrangstellung der USA in Frage stellen könnte, ja nicht einmal die Schiedsrichterrolle der USA darf aufhören“(2). Das erfordert nach Brzezinski ein hohes Mass an Taktieren und Manipulieren. Letztlich sollen die europäischen Staaten für die USA den Brückenkopf darstellen, um ganz Eurasien unter Kontrolle zu halten. Und nicht nur das: Sie sollen als Vasallen der USA die Beherrschung des eurasischen Kontinents bezahlen und durchsetzen. Dabei wird Frankreich und Deutschland eine besondere Stellung eingeräumt. Sie sollen die Avantgarde in Europa darstellen und zusammen mit Polen und der Ukraine von den USA mit besonderen Vorrechten bedacht werden.(3)
Außerdem solle der Prozess der EU-Erweiterung und der Ausdehnung des transatlantischen Sicherheitsbündnisses in wohlüberlegten Etappen voranschreiten.(4)
Visionär sieht Brzezinski die kommenden Entwicklungen in Europa: Der Zeitrahmen zwischen 2005 und 2015 solle für eine sukzessive Eingliederung der Ukraine ins Auge gefasst werden.(5)
Die Vorgabe Brzezinskis war wohl etwas zu euphorisch: „Nach Rumänien und den baltischen Staaten werden nach 2005 auch Schweden und Finnland und bis 2010 die Ukraine den USA untergeordnet“(6).
Das mögliche Stocken der NATO-Erweiterung bedeutet laut Brzezinski das Ende einer umfassenden amerikanischen Politik für ganz Eurasien. „Ein solches Scheitern würde die amerikanische Führungsrolle diskreditieren, es würde den Plan eines expandierenden Europa zunichte machen“.(7)
Das Vorwort für die deutsche Ausgabe schrieb der umtriebige deutsche Politiker Hans-Dietrich Genscher (FDP) – u.a. von 1974 bis 1992 fast ununterbrochen Bundesaußenminister. Gleich eingangs wies er auf das Ende der Bipolarität nach dem kalten Krieg und die damit aufgekommenen neuen globalen Herausforderungen hin: „Es geht darum, eine stabile Weltordnung im Zeitalter der Globalisierung zu gestalten“ und Brzezinskis Plädoyer, den Raum von Lissabon bis Wladiwostok als Einheit zu betrachten, zu beherzigen.(8)