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Unerschwingliche Mieten? Hintergründe und Lösungen | Von Christian Kreiß


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Ein Kommentar von Christian Kreiß.
Vonovia kündigt steigende Mieten an
Am 1. Juni sagte Vonovia-Chef Rolf Buch in einem Interview, dass bei einer Inflation von dauerhaft vier Prozent auch die Mieten künftig jährlich dementsprechend ansteigen müssten. In den ersten drei Monaten 2022 seien die Mieten bei Vonovia bereits um 3,1 Prozent gestiegen.1 2021 hatten sich die Mieten bei Vonovia laut Handelsblatt im Durchschnitt um 2,4 Prozent erhöht2, laut Angaben des Deutschen Mieterbundes dagegen um 3,8 Prozent, in Berlin gar um acht Prozent.3
Der Protest erfolgte umgehend: Der Präsident des Deutschen Mieterbundes Lukas Siebenkotten kritisierte, dass Mieterinnen und Mieter nun für den eingebrochenen Aktienkurs von Vonovia und höhere Zinsen am Kapitalmarkt herhalten müssten. Das Geschäftsmodell börsennotierter Wohnungskonzerne sei unsozial und spekulativ. Am Ende würden alles die Mieterinnen und Mieter zahlen.4 Vonovia hat derzeit etwa 505.000 eigene Wohnungen in Deutschland.5 Darin dürften etwa 1,4 Millionen Menschen wohnen.6 Künftige Mieterhöhungen des DAX-Konzerns würden also eine erhebliche Anzahl von Menschen betreffen. Zum Vergleich: Laut Vonovia-Geschäftsbericht 2021 stiegen die Mieten in den Jahren 2017 bis 2021 um 4,2, 4,4, 3,9, 3,1 und 3,8 Prozent, jeweils gegenüber dem Vorjahr.7 Offenbar sollen sie künftig stärker steigen, sonst würde die Äußerung von Vorstand Buch wenig Sinn machen.
Üppige Dividendenzahlungen: Wohin fließen sie und wer zahlt sie?
In den letzten fünf Jahren erzielte Vonovia recht gute Gewinne, sodass die Dividende 2021 „zum achten Mal in Folge gesteigert“8 werden konnte, zuletzt auf 1,66 Euro pro Aktie. 2022 wurden mit 1,289 Milliarden Euro Dividende 34,8 Prozent mehr ausgeschüttet9 als 2021, als es 956 Millionen waren10. Zum Vergleich: Die Mieteinnahmen betrugen bei Vonovia 2020 3,069 Milliarden Euro, 2021 3,465 Milliarden.11 Die Dividenden belaufen sich also auf etwa ein Drittel der Mietzahlungen. Die Mieteinnahmen stellen über 95 Prozent der liquiditätswirksamen regulären Konzerneinnahmen dar.12 Letztlich kommen langfristig betrachtet praktisch alle liquiditätswirksamen Umsätze und Gewinne von Vonovia aus Mietzahlungen.
Die Dividenden fließen zu 96 Prozent an Großanleger, die zu 89,8 Prozent im Ausland sind13, und die vermutlich nicht so genau wissen, wo sich ihre vielen hunderttausend Wohnungen eigentlich befinden. Würde man die Dividenden, statt sie an die anonymen großen Kapiteleigentümer auszuschütten, den Mietern zurückgeben, woher sie ja stammen, könnte man die Mieten um etwa ein Drittel senken14 statt sie ständig weiter zu erhöhen. Vonovia hatte Ende 2020, vor der Übernahme von Deutsche Wohnen, 415.700 eigene Wohnungen.15 Die Dividende für das Jahr 2020 betrug wie erwähnt 956 Millionen Euro. Pro Wohnung wurden von den Mietern also 2.300 Euro Dividende gezahlt, das sind im Monat 192 Euro. Jeder Mieter von Vonovia zahlte also jeden Monat 192 Euro Extra-Miete, um die leistungslosen Dividenden an die Großeigentümer zu finanzieren.
192 Euro sind der Betrag netto nach Ertragssteuern. Setzt man vorsichtig einen Ertragssteuersatz von 30 Prozent an16, so müssen brutto, vor Steuern, 275 Euro Mietzahlungen fließen, um netto, nach Abzug von 30 Prozent Ertragssteuern 192 Euro Dividende ausschütten zu können. Also aus Mietersicht bedeutet das, dass von den Mietern jeden Monat im Durchschnitt etwa 275 Euro Mietaufschlag gezahlt werden müssen, um die Dividenden möglich zu machen. Andersherum ausgedrückt: Wenn man die Dividenden einstellen würde, wenn Vonovia beispielsweise eine Wohnungsgenossenschaft im Eigentum der darin wohnenden Genossen wäre, könnten die Durchschnittsmieten rechnerisch um etwa 275 Euro pro Monat gesenkt werden.
Die Gretchenfrage: Die Bodenrenten
Und das führt uns zu einem Grundproblem des deutschen (und internationalen) Immobilienmarktes. Ein großer Teil der Mieten stellt reine Rentenzahlungen dar: „Bodenrenten sind leistungslose...
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