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Verflechtung zwischen Staat und Gesellschaft | Von Paul Soldan


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Ein Standpunkt von Paul Soldan.
Bringen unterschiedliche Arten von Einschränkung und Unterdrückung diametrale Freiheitsbedürfnisse hervor?
Was treibt Menschen an, ihre Heimat zu verlassen und ihr Glück an einem anderen, meist unbekannten Ort zu suchen? Die Gründe dafür sind vielfältig. Neben Neugier auf das Fremde dürfte auch die Suche nach einer besseren Lebensperspektive eine erhebliche Rolle spielen. Deutschland verzeichnet seit dem Jahr 2015 einen durchgehenden Höchststand an Fortzügen. Jedes Jahr verließen immer mindestens 1 Million Menschen das Land – ein Wert, den es seit Bestehen der Bundesrepublik bis dahin nie gegeben hat <1>.
In Gesprächen mit aus Deutschland und Europa Fortgezogenen erfuhr der Autor, der seit mehr als einem Jahr mehrere Länder auf dem afrikanischen Kontinent besucht hat, dass von ihnen viele, trotz enormer Unterschiede und Schwierigkeiten, in der neugewählten Heimat ein stärkeres Gefühl der persönlichen Freiheit verspürten. Der Staat halte sich aus dem Leben der Menschen weitgehend heraus, sodass der Alltag ohne extreme gesetzliche Einschränkungen verbracht werden könne. Die Verflechtung zwischen Staat und Gesellschaft sei noch nicht so eng wie in Deutschland. Die meisten Gesprächspartner empfanden diesen Unterschied als sehr befreiend.
Staat und Gesellschaft
Laut Staatslexikon bezeichnen die Begriffe „Staat“ und „Gesellschaft“ nach rechtswissenschaftlicher Auffassung eine „spezifische Ordnungsstruktur“ innerhalb eines nationalen Rahmens. Der Begriff Staat meine das politische Gemeinwesen, in dem die hoheitliche Herrschaftsgewalt konzentriert und gemäß Verfassung begrenzt ist. Dem Staat gegenüber stehe die Gesellschaft als „Inbegriff des freien, pluralistischen Spektrums zwischenmenschlichen Zusammenwirkens“ aus Politik, Wirtschaft und Kultur. Das Begriffspaar Staat und Gesellschaft stellt somit den „Spannungsbogen von staatlicher Herrschaft und gesellschaftlicher Freiheit“ dar. Letztere entsteht und entfaltet sich dabei außerhalb der staatlichen Herrschaftsgewalt und soll von dieser gleichermaßen ermöglicht und geschützt werden. In diesem Sinn liegt zwischen Staat und Gesellschaft ein polares Zuordnungsverhältnis zugrunde, das keiner gegensätzlichen Beziehung entspricht, sondern als unterschiedlicher, sich ergänzender Teil eines gesamten Gemeinwesens zu verstehen ist. <2>
Im Deutschland des 19. Jahrhunderts war dies noch anders. Zur Beurteilung und Analyse der „politisch-sozialen Wirklichkeit“ galt damals maßgeblich das Prinzip des Dualismus. Gemäß dieses Prinzips wurden Staat und Gesellschaft als „eigene, einander gegenüberstehende und voneinander weithin unabhängige Sachbereiche aufgefasst“ <3>. Den „Staat bildeten die Krone, die Beamtenschaft, das Militär und teilweise der Adel“ – heute sind dies Regierung, Rechtsstaat, Beamtenapparat, Militär, Polizei und zum Teil auch das Parlament. Zur „staatsfreien Gesellschaft gehörten das Handel und Gewerbe treibende Bürgertum, die Bauern, die aufkommende Arbeiterschaft sowie die Vertreter von Kultur, Wissenschaft und Kunst“ – bis heute hat sich daran nicht wesentlich etwas geändert. Durch die Republikanisierung des politischen Systems und den aufkommenden National- und Sozialstaat wurde die Auffassung der „prinzipiellen Trennung“ im 20. Jahrhundert aber nach und nach durch die des polaren Zuordnungsverhältnisses abgelöst.
Die Bezeichnung Verflechtung zwischen Staat und Gesellschaft meint den Grad staatlicher Einflussnahme auf die Gesellschaft sowie das Leben des Einzelnen. In reicheren Ländern ist tendenziell eine engere Verflechtung zu beoba...
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