Ein Kommentar von Rüdiger Rauls.
Die Anzahl der sogenannten alternativen Medien wächst und doch ist ihre Bekanntheit bei der Bevölkerung nicht sehr groß. Im Vergleich mit den Mainstream-Medien ist ihr Einfluss gering. Weil sie unabhängig sind von Werbung und Konzernen, verstehen sie sich auch als unabhängig in ihrer Meinungsäußerung. Wie erklärt sich dieser Widerspruch aus einerseits unabhängiger Berichterstattung und andererseits geringer Verbreitung in der Gesellschaft?
Berührung mit der Wirklichkeit
Eine Erklärung liegt in dem gesellschaftlich geringen Interesse großer Kreise der Bevölkerung an politischen und gesellschaftlichen Themen. Dieses Desinteresse scheint zu wachsen, da das Gefühl der Hilflosigkeit zunimmt. Andererseits aber könnte dies gerade ein Treibsatz für die alternativen Medien sein. Dass dies nicht der Fall ist, liegt weniger an der Qualität der Beiträge sondern vielmehr an ihren Themen, ihrem Denken und ihrer Sprache. Diese haben nur wenig Berührungspunkte mit dem Alltag der sogenannten einfachen (1) Leute.
Die alternativen Medien befinden sich weitgehend in ihrer eigenen Blase. Wollen sie Einfluss gewinnen bei den einfachen Leuten, müssen sie volkstümlicher werden. Die Sprache ist oftmals zu intellektuell, die Themen teilweise zu psychologisch oder gar esoterisch. Befindlichkeit hat bei vielen eine hohe Bedeutung. Das ist weit weg von der Welt der einfachen Leute. Das sind nicht die Themen, die sie umtreiben.
Nicht durch andere Inhalte sondern durch anderen Umgang mit den Inhalten sollten sich alternative Medien von den Hoheitsmedien des Mainstream abheben. Das Darstellen der Zustände, das Herausarbeiten von Zusammenhängen, sowie das Einordnen in erkennbare Entwicklungen sollten im Vordergrund stehen: Was sind die Fakten, wie sind sie zu deuten und was drückt sich darin aus, welche Entwicklung ist darin zu erkennen? Wie es Rosa Luxemburg in kraftvoller Einfachheit ausdrückte: „Zu sagen, was ist, bleibt die revolutionärste Tat.“
Um an einem Beispiel zu verdeutlichen, was damit gemeint ist, soll in diesem Zusammenhang der Text der jungen Autorin Madita Hampe (2) erwähnt werden. Er orientiert sich streng an den Fakten. Hampe lässt die Akteure sprechen, analysiert anhand dieser Aussagen sehr gekonnt deren Denken und Handeln, ihre politische Haltung und Interessen. Sehr feinsinnig legt sie die Widersprüche offen zwischen Denken, Anspruch und Handeln und all das in einer leichten und gut verständlichen Sprache.
Im Gegensatz zu dieser soliden Vorgehensweise Hampes wird in vielen Beiträgen alternativer Medien häufig der Boden der Realität unnötig verlassen und Visionen und Prognosen der Vorzug gegeben. In dem sehr guten Text von Peter Haisenko (3) werden am Schluss Voraussagen gemacht über den Zustand der Ukraine am Ende des Krieges.
Damit hat er seinem ansonsten sehr lesenswerten Beitrag keinen Gefallen getan. Seine Analyse über die russische Kriegstaktik ist hervorragend und sehr lehrreich. Der Text ist leicht verständlich und dann am Ende: Voraussagen, deren Grundlagen nicht erkennbar sind. Kein noch so guter Analyst weiß, was die Zukunft bringt! Keiner! Jetzt schon Voraussagen zu machen über den Zustand der Ukraine nach dem Krieg, wo der Krieg noch in vollem Gange ist, ist schlichtweg gewagt und vor allem überflüssig. Denn diese Prognosen erklären nichts.
Jeder Leser wird seine eigene, vermutlich abweichende Voraussage für das Ende des Krieges haben. Diese unterschiedlichen Aussichten haben dann das Zeug, zum Streitpunkt zu werden. Unnötig werden Gräben aufgerissen und Widersprüche geschaffen, die beim Lesen der Analyse nicht vorhanden waren. Denn hier ging es um die Darstellung der Wirklichkeit.