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Vom wahren Kampf | Von Rüdiger Lenz (Podcast)


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Ein Kommentar von Rüdiger Lenz.
Du hast keine Feinde, sagst Du?
Ach, mein Freund, Dein Prahlen ist armselig.
Wer sich ins Gefecht der Pflicht verstrickt, das die Tapferen erdulden,
muss sich Feinde schaffen!
Wenn Du keine hast, ist die Arbeit, die Du geleistet hast, gering.
Du hast keinen Verräter entlarvt,
Hast niemanden für einen Meineid bestraft,
Du verhalfst keinem zu seinem Recht,
Du warst ein Feigling im Gefecht.
Charles Mackay (1814 – 1889)
Einzig der Wahrheit folgen
Wer den guten und lieben Kampf im Gefecht des Lebens zu kämpfen versteht, kommt niemals höher als bis zum Olymp. Dort bekommst du dann dafür deine Medaillen und Auszeichnungen und du denkst, Heureka, was habe ich doch alles im Leben geschafft! Das alles sind Lügengebäude, der sportliche Wettkampf bis hin zum Gold. Es ist ein Erziehungsmittel für die Gesellschaft, damit möglichst viele von uns im Wetteifer, im Wettkampf und Wettbewerb bleiben und denken, dass es sich dabei um das ganz normale Leben handelt. Lange Zeit war ich einer von diesen Leistungssportlern und wurde mit Pokalen, Medaillen und Urkunden überhäuft. Im Kampfsport hatte ich es bis nach ganz oben geschafft, so dachte ich damals, was sich zwanzig Jahre später als Irrtum herauszustellen begann. Und das Schöne an diesem Irrtum war, dass ich ihn selbst herausfand und der Wahrheit und nicht meinem Weltbild folgte.
Ich sehe so manchen Kampfkünstler in all seinen Gürteln, Meister- und Großmeistergraden. Ich besitze ja selbst zwei Großmeistergrade und zwei Meistergrade in ostasiatischen Kampfkünsten, bin sogar ein Meister in der Kunst, das Schwert zu ziehen, dem Iaido. Bin international ausgezeichnet worden, habe mehrere Schulen aufgebaut, von denen ich dann von 1987 bis 2010 selbst eine leitete und damit mein Brot verdiente. Ich dachte wirklich, dass ich ziemlich gut kämpfen könne, und hatte bis 2001 den wahren und echten Kampf nie im Blick gehabt. Ich hatte Krafttraining absolviert, einen 45er Bizepsumfang geformt und XXL getragen. Heute reicht es gerade mal bis zur Größe L. Ja, der Sport, das war mein Ding, darin bin ich aufgegangen und hatte nichts anderes im Sinn. Ich trainierte sechs Tage in der Woche, manchmal auch sieben, was natürlich viel zu viel war, aber ich liebte es, mich zu trainieren und immer wieder an meinen Techniken zu feilen. Kampfsportler aus ganz Deutschland kamen in mein Dojang, nur um mich beim Training zu filmen. Es gab keine Fußtechnik, die ich nicht beherrschte und Sprungtechniken wurden meine Spezialität.
Mit dem Tymio-Momdollyo-Chagi, einem gesprungenen 180-Grad-Drehkick mit der Ferse, wurde ich derart erfolgreich, dass ich, nachdem ich wieder stand und meine Gegner noch in der Luft waren und zuckten, bemerkte, dass ich sie knockout geschlagen hatte, also K.o. schlug. Im Sprung konnte ich sechs Mal mit meinen Füßen zutreten, ohne vorher abzusetzen, ich konnte mit verbundenen Augen eine Ananas von der Stirn, eine Gurke von der Kehle und eine Wassermelone von der Stirn, also von drei Personen, mit einem Samuraischwert zerteilen, was tosenden Applaus hervorrief. Privat gab ich Vorstellungen vor Freunden meiner Geschwister, indem ich mir Steine vor die Stirn warf und sie zerbrachen, Nägel mit dem Kopf in Holz einschlug und Gussstahlplatten mit der Stirn zerteilte. Im Sicherheitsdienst in großen Diskotheken arbeitend ist jemand mit einer geladenen Pistole auf mich zu, einfach so, die ich ihm dann armbrechend entwendete. Zuhause angekommen stellte ich mir zum ersten Mal die Frage: Was machst du hier eigentlich? Du hast eine Frau und ein Kind, du Dummkopf. Das hätte auch schiefgehen können! Es ging nichts dabei schief und lief vollständig automatisch bei mir ab.
Hatte ich bis dato den echten und großen Kampf der Menschen erlebt, ihn gesehen oder erkannt? Nein, das hatte ich nicht. Zu voll war ich von meiner eigenen Größe, die mir das Kämpfenkönnen verlieh.
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