Ein Kommentar von Rüdiger Rauls.
Seit Wochen gibt es kaum ein innenpolitisches Thema, das mehr Aufmerksamkeit auf sich zieht als die Gründung einer neuen Partei durch Sahra Wagenknecht. Von der Bildzeitung bis hin zu weiten Teilen der Bevölkerung stehen viele einer Neugründung erwartungsvoll gegenüber. Ist diese die passende Antwort auf die Stimmungen in der Gesellschaft und die politische Lage im Land?
Sommerloch und Sommergewitter
Was man sich bei BILD und anderen Medien denkt, Wagenknecht fast zur Parteigründung zu tragen, wissen nur die Medien selbst. Immerhin waren diese bisher nicht für Kapitalismuskritik bekannt so wie Wagenknecht. Auffällig ist, dass eher Wagenknecht den Sturm und Drang mancher Medien bremst als umgekehrt. Man könnte fast meinen, dass diesen Medien mehr an einer neuen Partei gelegen ist als der Gründerin selbst.
Hatte sie erste Spekulationen noch mit dem Hinweis auf die Schwierigkeiten einer Parteigründung und ihren gesundheitlichen Zustand abgewiegelt, so steht das Ob einer Neugründung anscheinend nicht mehr zur Diskussion, nur noch das Wann. Sicherlich aber wäre diese Partei eine ernsthafte Konkurrenz nicht nur für die AfD, sondern auch für all die anderen, die sich im sogenannten linken Milieu tummeln. Für die Linkspartei selbst dürfte sie der letzte Sargnagel sein, der ihr langes Siechtum besiegelt.
Andererseits könnten aber solche von den Medien angefachten Diskussionen nichts weiter sein als eine Überbrückungshilfe für das ereignislose Sommerloch. Jedoch ist das Thema schon zu lange Gesprächsstoff und Hoffnungsanker in der Gesellschaft, als dass es nur als eine Medienkampagne anzusehen ist. Andererseits ist nicht klar, welche politischen Überlegungen dahinter stecken, dass manche Redaktionen eine Wagenknecht-Partei immer wieder zum Thema machen.
Dass die Meinungsmacher besser versorgt sind mit Informationen als der Durchschnittsdeutsche, bedeutet nicht, dass sie die klügeren Schlüsse aus ihrem Informationsvorsprung ziehen. Man sehe sich nur die massiven Fehleinschätzungen in den Kommentarspalten des Mainstream an zu Afghanistan, dem Nahen Osten, der Sahelzone und natürlich auch zum Ukrainekrieg. Die Schwächen im politischen Denken staatstreuer Kommentatoren offenbaren sich in deren Einstellung zu den westlichen Sanktionen, die doch schon längst zum Untergang Russland geführt haben sollten.
Dennoch haben viele Medien das Ohr dichter am Volk als so mancher Politiker. Befürchtet man aus diesem Grund, dass sich Unmut in der Gesellschaft auftürmt und zu einem Gewitter zusammenbraut? Hat man in den Redaktionsetagen und auch in so manchen anderen politischen Kreisen im Backstage der Gesellschaft Angst davor, dass sich aus diesem Gewitter Blitze entladen könnten, die mehr Schaden anrichten als das Donnergrollen einer drohenden Wagenknecht-Partei?
Spricht man deshalb einer neuen Partei das Wort, um dem Unmut eine neue Heimat anzubieten? Denn Parteien sind leichter zu kontrollieren als ein Schwelbrand, der sich im Unterholz der Gesellschaft ausbreitet. Wer aber sollte neben den Medien mit ihrem Geschäftsmodell, aus Krawall Umsatz zu machen, sonst noch ein Interesse haben, Unmut durch eine neue Partei zu entschärfen?
Geheimdienste und Militär kämen dafür aus politischen Erwägungen in Frage. Aber gerade aufgrund ihrer ausgeprägten Analysefähigkeit und Einschätzungsvermögen von gesellschaftlichen Vorgängen dürften sie kaum Gefahren für die bestehende Ordnung durch unkontrollierte Proteste sehen. So bleibt das Treiben der Meinungsmacher weiterhin ein Rätsel.
Zankäpfel
Aber eine Frucht bringt diese Diskussion bereits hervor: Große Teile der Bevölkerung setzen ihre Hoffnungen auf diese neue Partei. Die Erwartungen steigen und damit auch die Spekulationen. Mit all diesen Wünschen keimt aber gleichzeitig auch die Saat der Zwietracht auf. Das ist nicht anders zu erwarten, denn zu viele Hoffnungen von zu vielen Hoffnungslosen sind mit d...