Ein Kommentar von Peter Haisenko, Betreiber des Portals anderweltonline.com.
Vor einem Jahr zog eine Flut einen Korridor der Verwüstung durch das Ahrtal. Schnelle Hilfe wurde versprochen, aber weder die Reparaturen noch der angekündigte und notwendige Hochwasserschutz kommen zufriedenstellend voran. Vor wenigen Wochen wurde Mariupol befreit und bereits jetzt befinden sich Neubauten als Ersatz für die zerstörten Wohnhäuser im Bau.
Im Ahrtal und auch im Erfttal sind die Schäden der Flutkatastrophe nach einem Jahr immer noch allgegenwärtig. Nicht einmal die Elementarversorgung, Wasser, Strom, Gas und Telefon, ist vollständig wiederhergestellt. Versicherungen wollen nicht bezahlen und Handwerker sind Mangelware. Die Ämter selbst, die schnelle und unbürokratische Hilfe versprochen hatten, verzetteln sich im Gezänk um Zuständigkeiten und Verantwortung. Wer sehen will, wie Katastrophenmanagement nicht funktioniert, dem sei eine Reise ins Ahrtal empfohlen. Die Menschen dort sind wütend, verzweifelt und hoffnungslos. Ja, wir leben im besten aller Deutschlands und sind nicht einmal in der Lage, innerhalb eines Jahres die Folgen einer Katastrophe zu reparieren.
In Mariupol haben die Asow-Banden auf Befehl Kiews verbrannte Erde hinterlassen. Sie haben sich in Wohngebäuden, Krankenhäusern, Kindergärten und Schulen mit schweren Waffen verschanzt, Zivilsten so als Geiseln genommen und alles getan, dass so viel wie irgend möglich zerstört wird. Frühzeitig wurde die Elementarversorgung sabotiert. Was wir nicht behalten dürfen, das muss zerstört werden, war die Maxime und die wird überall dort angewendet, wo Kiew die Kontrolle verliert. Große Teile Mariupols liegen in Trümmern. Die Wohnungsnot ist groß.
In Mariupol werden schon neue Häuser gebaut
Betrachtet man nun die aktuellen Bilder und Reportagen aus Mariupol, – Alina Lipp sei hierfür besonders gedankt – stellt man fest, dass die Straßen weitgehend von Schutt befreit sind. Strom und Wasser fließt wieder in die meisten Ecken der Stadt. Der Hafen und der Strand sind von Minen befreit, die die Asow-Banden hinterlassen hatten. Der Hafen ist wieder in Betrieb und einige Frachtschiffe beladen mit Getreide haben abgelegt. Am bemerkenswertesten empfinde ich aber, dass schon Wohnhäuser neu gebaut werden. Es handelt sich um ein Projekt für 1.000 Wohnungen und die sind zum Teil in ihrem Baufortschritt schon über das dritte Stockwerk hinausgewachsen. Bis zum Herbst werden sie bezugsreif sein. Was also läuft in Mariupol anders, besser, als im Ahrtal?
In Deutschland ersticken wir am Anspruch der Perfektion. Daran, alles bis ins Letzte durchdenken zu wollen, bevor auch nur ein Finger gerührt werden darf, um nur ja keinen Fehler zu machen. Dazu kommt ein ewiges Kompetenzgerangel und der Unwille, für irgendetwas Verantwortung übernehmen zu wollen. Für jede Entscheidung müssen Dutzende „Fachleute“ aus ebenso vielen Fakultäten angehört werden. Das geschieht nicht etwa koordiniert. Der eine legt etwas auf den Tisch, um es dann von einem Bedenkenträger eines anderen Amts wieder zerlegen zu lassen. Haben Sie auch dies und das bedacht, wird eingeworfen.
Es gibt keine kompetenten Entscheider
Hat man natürlich nicht, denn zumeist handelt es sich um Nebensächlichkeiten, wie zum Beispiel den gefährdeten Lebensraum einer Ersatzschnepfe. So fängt man nach Anhörung der nächsten „Fachberatung“ wieder ganz von vorn an. Schließlich will ja niemand Gefahr laufen, anschließend von Dutzenden Bedenkenträgern vor Gericht gezerrt zu werden, weil man ausgerechnet ihren Einwand mißachtet hat und der war natürlich der wichtigste, der elementarste. Über dem Ganzen liegt dann noch länderübergreifendes Kompetenzgerangel wie Mehltau und das Ergebnis heißt Stillstand. Siehe Flughafen Berlin, Stuttgart 21 oder die Zulaufstrecken der Bahn durch das Rhein- oder Inntal. Unser gesamtes System der Perfektion und der Bedenkenträger legt sich in allen Bereichen lahm.