Ein Standpunkt von Wolfgang Effenberger.
Öffnet Putins Ukraine-Krieg das Tor für einen Weltbrand?
Am fünften Kriegstag erscheint es so, dass die russischen Truppen – trotz Lufthoheit – in der Ukraine kaum vorankommen. Das stärkt den Widerstand in der Ukraine und vermutlich auch in Russland. Es darf davon ausgegangen werden, dass Putin einen "Blitzkrieg" mit einer schnellen Einnahme von Kiew und einem Regimewechsel ohne viel Blutvergießen wollte.2)
Nun befindet sich die russische Armee in heftigen Straßenkämpfen und wird wohl selbst schwere Verluste erleiden. Hat sich Putin verrechnet? Dazu müssten seine Beweggründe bekannt sein. Die vom Westen vorher aufgeklärten 190.000 russischen Soldaten in der Nähe der ukrainischen Grenze waren nicht geeignet, einen derartigen "Blitzkrieg" zu führen. Warum sich Putin trotzdem zu diesem Schritt entschlossen hat, darüber kann nur gerätselt werden. Stand die Aufnahme der Ukraine in die NATO im Raum?
Am Sonntag, dem 27. Februar, stellte die EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen dem ukrainischen Präsidenten Selenskij die EU-Mitgliedschaft in Aussicht. Diese Zusage wird Frau von der Leyen nicht ohne Hintergrundwissen gemacht haben.2) Zugleich sicherte die EU Waffenlieferungen an die Ukraine in Höhe einer halben Milliarde Euro zu, und Deutschland versprach, schwere Waffen in das Krisengebiet zu liefern – da scheint der NATO-Bündnisfall nicht mehr weit zu sein. Und die westlichen Medien flankieren diese Entwicklung erfolgreich. Glenn Greenwald, der im Juni 2013 die von Edward Snowden übermittelten streng geheimen NSA-Dokumente im britischen Guardian veröffentlichte, stellt in den USA fest, dass „der Diskurs so einmütig und frei von Meinungsverschiedenheiten ist wie seit den Tagen nach 9/11 nicht mehr.“3)
Jedes Wort, das auf CNN gesendet oder in der New York Times über den Konflikt gedruckt wird, stimme perfekt mit den Botschaften der CIA und des Pentagons überein. Diese Botschaften hätten die öffentliche Meinung in den USA radikal und schnell verändert.
Eine am 2. Kriegstag, dem 25.2.2022, durchgeführte Gallup-Umfrage ergab, dass "52 % der Amerikaner den Konflikt zwischen Russland und der Ukraine als eine kritische Bedrohung für die lebenswichtigen Interessen der USA ansehen", wobei es fast keine parteipolitische Spaltung gibt (56 % der Republikaner und 61 % der Demokraten), dass "85 % der Amerikaner Russland jetzt negativ sehen, während 15 % eine positive Einstellung haben." Davor hatte eine große Mehrheit der Amerikaner ein größeres Engagement der USA in der Ukraine ablehnt.
Mit Erfolg fordern führende Anti-Russland-Falken wie der ehemalige Obama-Botschafter Michael McFaul, dass "Putin-Propagandisten" (diejenigen, die den Konflikt differenziert sehen) keine Plattform erhalten dürfen.4) Inzwischen hat das Medienunternehmensportal Sky „Russia Today“ von der Plattform genommen.
Die Kriegsbegeisterung amerikanischer Politiker und Politikerinnen machte Greenwald an dem von den Medien gehätschelten Kongressabgeordneten Adam Kinzinger (R-IL) deutlich, der z. B. forderte, dass das US-Militär in die Ukraine entsandt wird, um eine "Flugverbotszone" einzurichten. Dieses Vorgehen hatte sich ja auch schon im Libyenkrieg bewährt. Doch nun stehen sich die beiden Mächte mit den größten Atomwaffenbeständen der Welt direkt gegenüber.
Auf affektiertes Empörungsmanagement verstehen sich auch deutsche Politiker. So forderte der deutsche EU-Politiker Peter Weber unter anderem, „Russland auch aus der internationalen Gemeinschaft“ auszuschließen.5)
Peter Weber scheint nicht bewusst zu sein, dass der Krieg in der Ukraine mit dem vom Westen orchestrierten Putsch 2014 begonnen hat, und nicht vor fünf Tagen. Im Osten der Ukraine tobt dort seitdem ein vom Westen geduldeter, andauernder bewaffneter Konflikt, der durch stetige Schritte der beidseitigen Eskalation in den ostukrainischen Oblasten Donezk und Luhansk bis zu Putins Einmarsch tobte.