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Gnade mit euch und Friede von Gott, dem Vater, und von Jesus Christus, unserem Herrn!
1 Nehmt gerade den Menschen an, der im Glauben unsicher ist! Streitet nicht mit ihm über eure unterschiedlichen Auffassungen! 2 Der eine glaubt, alles essen zu dürfen. Aber wer unsicher ist, isst nur noch Gemüse. 3 Wer alles isst, soll den nicht verachten, der nicht alles isst. Und wer nicht alles isst, soll den nicht verurteilen, der alles isst. Gott hat ihn doch angenommen. 4 Wer bist du denn, dass du den Diener eines anderen verurteilst? Es liegt allein im Ermessen seines Herrn, ob er mit seinem Tun besteht oder nicht. Aber er wird gewiss bestehen. Denn der Herr sorgt dafür, dass er es tut. 5 Der eine unterscheidet bestimmte Tage. Der andere macht zwischen den Tagen keinen Unterschied. Jeder soll fest zu seiner eigenen Auffassung stehen! 6 Wer einen bestimmten Tag besonders beachtet, tut dies, um den Herrn zu ehren. Wer alles isst, tut dies ebenso, um den Herrn zu ehren. Und er dankt Gott bei seinem Mahl. Wer nicht alles isst, tut das, um den Herrn zu ehren. Und auch er dankt Gott bei seinem Mahl. 7 Keiner von uns lebt nur für sich selbst und keiner stirbt nur für sich selbst. 8 Denn wenn wir leben, leben wir für den Herrn. Und wenn wir sterben, sterben wir für den Herrn. Ob wir nun leben oder ob wir sterben – immer gehören wir dem Herrn! 9 Denn dafür ist Christus gestorben und wieder lebendig geworden: Er sollte der Herr sein über die Toten und die Lebenden. 10 Du Mensch, was bringt dich nur dazu, deinen Bruder oder deine Schwester zu verurteilen? Und du Mensch, was bringt dich dazu, deinen Bruder oder deine Schwester zu verachten? Wir werden doch alle vor dem Richterstuhl Gottes stehen! 11 Denn in der Heiligen Schrift steht: »›Bei meinem Leben‹, spricht der Herr: ›Vor mir wird jedes Knie sich beugen, und jede Zunge wird sich zu Gott bekennen.‹« 12 So wird jeder von uns vor Gott Rechenschaft über sich selbst geben müssen. 13 Lasst uns aufhören, uns gegenseitig zu verurteilen! Achtet vielmehr darauf, den Bruder oder die Schwester nicht zu Fall zu bringen. Werdet auch nicht zum Stolperstein für sie. (Römer 14,1-13)Aus dem Brief des Apostels Paulus an die Römer, aus dem 14. Kapitel.
Geliebte Gottes in Gäufelden,
Wir werden alle vor dem Richterstuhl Gottes stehen.
Kennt ihr das auch? Du bist im Auto unterwegs, ganz gemächlich, innerorts und natürlich innerhalb der erlaubten Geschwindigkeit. Du fährst bedächtig, hast den Überblick. Du machst nichts falsch. Und dann fällt dein Blick in den Rückspiegel. Das Fahrzeug hinter dir ist ein Streifenwagen der Polizei. Unwillkürlich spannen deine Muskeln sich an. Du checkst noch einmal den Tacho, ob die Geschwindigkeit stimmt. Du überprüfst, ob du sauber in der Mitte der Spur fährst. An der nächsten Kreuzung blinkst du besonders früh und natürlich fährst du nicht bei Gelb noch über die Ampel. Mental gehst du die Liste von allem durch, woran du dich aus der Fahrschule noch erinnern kannst. Und du atmest schon ein wenig auf, als die Polizei ein paar hundert Meter später seitlich in eine andere Straße abbiegt.
Wir werden alle vor dem Richterstuhl Gottes stehen.
Wenn wir miteinander unseren Glauben an Christus bekennen, der zur Rechten Gottes sitzt und kommt "zu richten die Lebenden und die Toten", dann fallen mir Bilder aus dem Mittelalter ein, die ich gerade mit einer meiner Schulklassen angeschaut habe. Da stehen die Toten aus ihren Gräbern auf. Sie sind nackt, was bei meinen Grundschülern immer für Gemurmel sorgt. Sie haben nicht, womit sie sich irgendwie verstecken können. Übermächtig groß kommt ein Engel mit einer goldenen Waage und wiegt jedes einzelne Leben ab. Die einen werden durch ihre gute Lebensführung zum Himmel empor gehoben. Dort wartet schon das wolkige Tor zur Herrlichkeit der ewigen Stadt auf sie. Bei anderen sinkt die Waagschale tief hinab. Dorthin, wo sich bereits der feurige Schlund der Hölle auftut und teuflische Gestalten mit Dreizack und Fratze nur darauf warten, die Übeltäter in alle Ewigkeit zu quälen. Manchmal hat man den Eindruck, die mittelalterlichen Maler hätten besonderen Spaß daran gehabt, diesen Teil der Bilder zu malen. Dabei haben sie es vermutlich nur gut gemeint. Sie wollten mit ihren plastischen Darstellungen ihre Mitmenschen warnen: Ändere jetzt dein Leben, damit du nicht so enden wirst.
Wir werden alle vor dem Richterstuhl Gottes stehen.
Für meine Viertklässler ist es nach dem Betrachten dieser Bilder absolut einsichtig, warum viele Menschen aus einer regelrechten Angst vor Gott heraus lebten. Über allem thront nämlich immer mit strengem Blick der Christus, der kommt "zu richten die Lebenden und die Toten." Mit dem offenen Tor zum Himmel und einer Lilie zu seiner Rechten hat er zwar durchaus eine gute Seite. Aber zu seiner Linken hält er schon das Schwert für die bereit, die seinen Ansprüchen nicht genügen.
Wir werden alle vor dem Richterstuhl Gottes stehen.
In der vierten Klasse bilden diese Bilder die Schablone für die wunderbare Entdeckung der Reformation. Es gibt eine Antwort auf die Frage, "Wie bekomme ich einen gnädigen Gott?", die Menschen wie Martin Luther jahrelang umgetrieben hat. Mit Martin Luther haben wir sie diese Woche in der Grundschule so formuliert: "Ich habe schon einen." Ich habe schon einen gnädigen Gott. Durch Christus wendet er sich mir freundlich zu. Auf seine Liebe zu mir kann ich mich verlassen. Seine Barmherzigkeit ist mir sicher, auch im Gericht. In Christus, durch Christus, gehöre ich zu ihm. Das ist es, was er mir schon in der Taufe zugesagt hat: Ich bin Teil einer--nein: seiner--neuen Wirklichkeit.
Denn wenn wir leben, leben wir für den Herrn. Und wenn wir sterben, sterben wir für den Herrn. Ob wir nun leben oder ob wir sterben – immer gehören wir dem Herrn!Welch eine wunderbare Gewissheit!
Wir werden alle vor dem Richterstuhl Gottes stehen.
"Ich komme fast nie in den Neun-Uhr-Gottesdienst", hat mir eine ältere Dame aus der Gemeinde vor einiger Zeit gesagt. "Mir fällt es einfach schwer, so früh schon fertig gerichtet für die Kirche zu sein." Seither fällt mir jedes Mal, wenn ich vom Weltgericht höre, diese nette Dame ein. Denn mit ihrer schwäbischen Redewendung hat sie es ungewollt, aber treffend auf den Punkt gebracht, dass wir beim "Gericht" oft völlig falsche Bilder im Kopf haben. Was heißt denn eigentlich "richten"?
Hast du dir heute Morgen "die Haare gerichtet"? Als du da vor dem Spiegel standst und diese eine, rebellische Strähne einfach nicht ihren Platz finden wollte, da hast du ihr sicher nicht mit Höllenqualen und ewigem Feuer gedroht. Nein! Mit Geduld und Können und Hilfsmitteln, die hier ungenannt bleiben, hast du die Frisur in die richtige Form gebracht. Und dann warst du "gerichtet". Das Erscheinungsbild stimmt wieder. Alles in Ordnung.
Wir werden alle vor dem Richterstuhl Gottes stehen.
Und das ist eine gute Nachricht! Es wäre ja schlimm, wenn Gott den Zustand dieser Welt mit all ihrer himmelschreienden Ungerechtigkeit, mit Leid, mit den entsetzlichen Kriegen, an die der Volkstrauertag heute erinnert und die immer noch kein Ende haben, mit Rassismus und Missbrauch, mit millionenfachem Tod, mit der tiefschwarzen Dunkelheit des Bösen -- und, ja, auch mit meinen Unzulänglichkeiten -- einfach mit einem Achselzucken abtun würde. Wenn Gott sagen würde "Macht doch nichts!" Macht nichts, dass Kinder sterben. Macht nichts, dass Frauen vergewaltigt werden. Macht nichts, dass Menschen dafür gehasst werden, wer und wie sie sind oder wo sie herkommen. Macht nichts, dass Hass und Hetze immer freier ausgesprochen werden. Alles halb so schlimm!
Zum Glück nicht: Gott kommt zum Weltgericht. In Christus nimmt er diese verbogene, verbeulte, befleckte Welt und er "richtet" sie wieder. Er richtet wieder auf, was zerdrückt wurde und am Boden liegt. Er macht wieder gerade, was auf eine schiefe Bahn geriet. Er poliert und beult aus, er schrubbt und bürstet, er biegt zurecht und hämmert gerade, bis alles wieder strahlt und glänzt in der Schönheit, wie nur Gott sie schaffen kann: eine gerechte, gute, unbefleckte Schöpfung. Ein Ort, wo jeder in Frieden leben kann. Eine Welt, die Platz für alle gibt--ohne Leid und Tränen und Tod.
Gott richtet die Welt. Das ist die beste Nachricht, die es geben kann.
Wir werden alle vor dem Richterstuhl Gottes stehen.
Geliebte Gottes,
schaut, als Nachfolger:innen Jesu Christi können wir Gottes Gericht an der Welt doch nur durch die Brille dessen sehen, was wir in Christus über Gott gelernt haben. Wir können den richtenden Gott doch nur als den sehen, dessen Wesen durch und durch und uneingeschränkt und von Grund auf Liebe ist. Wir können in dem Richter doch nur den erkennen, der sich in Christus uns selbst schenkt, seine Gerechtigkeit, sein Leben, der nur das Beste für uns im Sinn hat. Wir können doch nur über das Weltgericht nachdenken und reden, wenn wir gleichzeitig vom Schöpfer reden, der gerne schafft, was rein und gut ist. Und dem wir gehören, vom Anfang bis zum Ende, im Leben wie im Sterben und auch--das dürft ihr niemals ausklammern!--im Weltgericht.
Geliebte Gottes,
Das ist genau das, was Paulus nur wenige Seiten zuvor in einem der schönsten Texte des Neuen Testaments zu Wort gebracht hat:
31 Was sollen wir noch mehr sagen? Wenn Gott für uns ist, wer kann sich dann noch gegen uns stellen? 32 Er hat ja seinen eigenen Sohn nicht verschont. Vielmehr hat er ihn für uns alle in den Tod gegeben. Wenn er uns aber seinen Sohn geschenkt hat, wird er uns dann nicht auch alles andere schenken? 33 Wer kann also Anklage erheben gegen die Menschen, die Gott ausgewählt hat? Gott selbst erklärt sie doch für gerecht! 34 Wer kann uns da noch verurteilen? Schließlich tritt doch Christus Jesus für uns ein – der gestorben ist, mehr noch: der auferweckt wurde und an der rechten Seite Gottes sitzt. 35 Was kann uns von Christus und seiner Liebe trennen? Etwa Leid, Angst oder Verfolgung, Hunger oder Kälte, Gefahr oder gar die Hinrichtung? 36 Schließlich heißt es ja in der Heiligen Schrift: »Weil wir uns zu dir bekennen, bedroht man uns täglich mit dem Tod. Wie Schlachtvieh werden wir behandelt.« 37 Doch aus alldem gehen wir als strahlende Sieger hervor. Das haben wir dem zu verdanken, der uns so sehr geliebt hat. 38 Ich bin zutiefst überzeugt: Nichts kann uns von der Liebe Gottes trennen – nicht der Tod und auch nicht das Leben, keine Engel und keine weltlichen Mächte, nichts Gegenwärtiges und nichts Zukünftiges und auch keine andere gottfeindliche Kraft. 39 Nichts Über- oder Unterirdisches und auch nicht irgendetwas anderes, das Gott geschaffen hat – nichts von alledem kann uns von der Liebe Gottes trennen. In Christus Jesus, unserem Herrn, hat Gott uns diese Liebe geschenkt. (Römer 8,31-39 [BB])Geliebte Gottes,
Genauso gelassen, genauso getrost, wie ich im Vertrauen auf Gott leben darf und sterben kann, genauso gelassen und getrost darf ich seinem Gericht entgegen sehen.
Wir werden alle vor dem Richterstuhl Gottes stehen.
Und das ist gut so. Gott richtet die Welt. Bis alles wieder recht und gerade ist.
Wir werden alle vor dem Richterstuhl Gottes stehen.
Was macht das nun alles hier und jetzt mit mir, muss man mit Paulus fragen?
"So wird jeder von uns vor Gott Rechenschaft über sich selbst geben müssen.", schreibt der Apostel. Denn das Nachdenken über Gottes Gericht, auch über sein gnädiges Zurechtrücken der Welt, bringt mich zum Nachdenken über mich selbst. Betroffen stelle ich fest, dass ich ja selbst Teil dessen bin, was erst einmal wieder "gerichtet" werden muss. Dass ich selbst oft Tendenzen in mir trage, die der rebellischen Strähne in meiner Frisur nicht unähnlich sind. Solche unangenehmen Wahrheiten tun weh. Sie bringen mich zu dem Wunsch, dass das Zurechtbringen vielleicht nicht erst in Gottes Ewigkeit stattfinden möge. Ich möchte heute richtig leben. Ich möchte nicht eine Delle in Gottes schöner Schöpfung sein, sondern den Glanz seiner Gerechtigkeit widerspiegeln. "Herr, ich bringe dir alles, was schief ist in meinem Leben. Ich bringe dir Schuld, die ich auf mich geladen habe. Vergib und verändere du, Gott!", rufe ich zu ihm. Und ich freue mich, wenn Gottes Heiliger Geist schon jetzt beginnt, Dinge in meinem Leben wieder geradezurücken. "Herr, mit deiner Hilfe, will ich verändert leben.", bete ich.
Dieser Blick auf mein Leben tut mir gut.
Wir werden alle vor dem Richterstuhl Gottes stehen.
Was mir dagegen gar nicht gut tut, ist der Blick zur Seite. Es ist so viel einfacher, die Fehler bei anderen zu finden. In der Vielzahl unterschiedlicher Lebensentwürfe den meinen als Maßstab zu nehmen und bei den anderen immer zu wissen, was da "gerichtet" werden müsste. Wie schnell nehme ich selbst in Gedanken auf dem Richterstuhl Platz. Dabei ist es doch nicht meine Aufgabe, das Leben der anderen zu "richten".
"Lasst uns aufhören, uns gegenseitig zu verurteilen! Achtet vielmehr darauf, den Bruder oder die Schwester nicht zu Fall zu bringen. Werdet auch nicht zum Stolperstein für sie.", schreibt Paulus.
Geliebte Gottes,
Was wenn auch unser Blick auf die anderen von genau der Gelassenheit bestimmt würde, mit der wir selber leben und einst sterben werden?
Lasst es das sein, woran wir uns festhalten. Lasst es das sein, womit wir gemeinsam durch's Leben gehen--was wir uns zurufen, womit wir uns gegenseitig trösten und aufrichten. Lasst es das sein, womit wir getrost ins Sterben gehen. Lasst es das sein, was uns in freudiger Erwartung auf das Weltgericht zugehen lässt, dass wir dem Weltenrichter zurufen wie die Christ:innen vor uns: "Komm, Herr Jesus! Komm bald!" Lasst dies unsere Gewissheit sein in Leben und Sterben und im Gericht:
7 Keiner von uns lebt nur für sich selbst und keiner stirbt nur für sich selbst. 8 Denn wenn wir leben, leben wir für den Herrn. Und wenn wir sterben, sterben wir für den Herrn. Ob wir nun leben oder ob wir sterben – immer gehören wir dem Herrn! 9 Denn dafür ist Christus gestorben und wieder lebendig geworden: Er sollte der Herr sein über die Toten und die Lebenden. (Römer 14,7-9)Amen.
By Christoph FischerGnade mit euch und Friede von Gott, dem Vater, und von Jesus Christus, unserem Herrn!
1 Nehmt gerade den Menschen an, der im Glauben unsicher ist! Streitet nicht mit ihm über eure unterschiedlichen Auffassungen! 2 Der eine glaubt, alles essen zu dürfen. Aber wer unsicher ist, isst nur noch Gemüse. 3 Wer alles isst, soll den nicht verachten, der nicht alles isst. Und wer nicht alles isst, soll den nicht verurteilen, der alles isst. Gott hat ihn doch angenommen. 4 Wer bist du denn, dass du den Diener eines anderen verurteilst? Es liegt allein im Ermessen seines Herrn, ob er mit seinem Tun besteht oder nicht. Aber er wird gewiss bestehen. Denn der Herr sorgt dafür, dass er es tut. 5 Der eine unterscheidet bestimmte Tage. Der andere macht zwischen den Tagen keinen Unterschied. Jeder soll fest zu seiner eigenen Auffassung stehen! 6 Wer einen bestimmten Tag besonders beachtet, tut dies, um den Herrn zu ehren. Wer alles isst, tut dies ebenso, um den Herrn zu ehren. Und er dankt Gott bei seinem Mahl. Wer nicht alles isst, tut das, um den Herrn zu ehren. Und auch er dankt Gott bei seinem Mahl. 7 Keiner von uns lebt nur für sich selbst und keiner stirbt nur für sich selbst. 8 Denn wenn wir leben, leben wir für den Herrn. Und wenn wir sterben, sterben wir für den Herrn. Ob wir nun leben oder ob wir sterben – immer gehören wir dem Herrn! 9 Denn dafür ist Christus gestorben und wieder lebendig geworden: Er sollte der Herr sein über die Toten und die Lebenden. 10 Du Mensch, was bringt dich nur dazu, deinen Bruder oder deine Schwester zu verurteilen? Und du Mensch, was bringt dich dazu, deinen Bruder oder deine Schwester zu verachten? Wir werden doch alle vor dem Richterstuhl Gottes stehen! 11 Denn in der Heiligen Schrift steht: »›Bei meinem Leben‹, spricht der Herr: ›Vor mir wird jedes Knie sich beugen, und jede Zunge wird sich zu Gott bekennen.‹« 12 So wird jeder von uns vor Gott Rechenschaft über sich selbst geben müssen. 13 Lasst uns aufhören, uns gegenseitig zu verurteilen! Achtet vielmehr darauf, den Bruder oder die Schwester nicht zu Fall zu bringen. Werdet auch nicht zum Stolperstein für sie. (Römer 14,1-13)Aus dem Brief des Apostels Paulus an die Römer, aus dem 14. Kapitel.
Geliebte Gottes in Gäufelden,
Wir werden alle vor dem Richterstuhl Gottes stehen.
Kennt ihr das auch? Du bist im Auto unterwegs, ganz gemächlich, innerorts und natürlich innerhalb der erlaubten Geschwindigkeit. Du fährst bedächtig, hast den Überblick. Du machst nichts falsch. Und dann fällt dein Blick in den Rückspiegel. Das Fahrzeug hinter dir ist ein Streifenwagen der Polizei. Unwillkürlich spannen deine Muskeln sich an. Du checkst noch einmal den Tacho, ob die Geschwindigkeit stimmt. Du überprüfst, ob du sauber in der Mitte der Spur fährst. An der nächsten Kreuzung blinkst du besonders früh und natürlich fährst du nicht bei Gelb noch über die Ampel. Mental gehst du die Liste von allem durch, woran du dich aus der Fahrschule noch erinnern kannst. Und du atmest schon ein wenig auf, als die Polizei ein paar hundert Meter später seitlich in eine andere Straße abbiegt.
Wir werden alle vor dem Richterstuhl Gottes stehen.
Wenn wir miteinander unseren Glauben an Christus bekennen, der zur Rechten Gottes sitzt und kommt "zu richten die Lebenden und die Toten", dann fallen mir Bilder aus dem Mittelalter ein, die ich gerade mit einer meiner Schulklassen angeschaut habe. Da stehen die Toten aus ihren Gräbern auf. Sie sind nackt, was bei meinen Grundschülern immer für Gemurmel sorgt. Sie haben nicht, womit sie sich irgendwie verstecken können. Übermächtig groß kommt ein Engel mit einer goldenen Waage und wiegt jedes einzelne Leben ab. Die einen werden durch ihre gute Lebensführung zum Himmel empor gehoben. Dort wartet schon das wolkige Tor zur Herrlichkeit der ewigen Stadt auf sie. Bei anderen sinkt die Waagschale tief hinab. Dorthin, wo sich bereits der feurige Schlund der Hölle auftut und teuflische Gestalten mit Dreizack und Fratze nur darauf warten, die Übeltäter in alle Ewigkeit zu quälen. Manchmal hat man den Eindruck, die mittelalterlichen Maler hätten besonderen Spaß daran gehabt, diesen Teil der Bilder zu malen. Dabei haben sie es vermutlich nur gut gemeint. Sie wollten mit ihren plastischen Darstellungen ihre Mitmenschen warnen: Ändere jetzt dein Leben, damit du nicht so enden wirst.
Wir werden alle vor dem Richterstuhl Gottes stehen.
Für meine Viertklässler ist es nach dem Betrachten dieser Bilder absolut einsichtig, warum viele Menschen aus einer regelrechten Angst vor Gott heraus lebten. Über allem thront nämlich immer mit strengem Blick der Christus, der kommt "zu richten die Lebenden und die Toten." Mit dem offenen Tor zum Himmel und einer Lilie zu seiner Rechten hat er zwar durchaus eine gute Seite. Aber zu seiner Linken hält er schon das Schwert für die bereit, die seinen Ansprüchen nicht genügen.
Wir werden alle vor dem Richterstuhl Gottes stehen.
In der vierten Klasse bilden diese Bilder die Schablone für die wunderbare Entdeckung der Reformation. Es gibt eine Antwort auf die Frage, "Wie bekomme ich einen gnädigen Gott?", die Menschen wie Martin Luther jahrelang umgetrieben hat. Mit Martin Luther haben wir sie diese Woche in der Grundschule so formuliert: "Ich habe schon einen." Ich habe schon einen gnädigen Gott. Durch Christus wendet er sich mir freundlich zu. Auf seine Liebe zu mir kann ich mich verlassen. Seine Barmherzigkeit ist mir sicher, auch im Gericht. In Christus, durch Christus, gehöre ich zu ihm. Das ist es, was er mir schon in der Taufe zugesagt hat: Ich bin Teil einer--nein: seiner--neuen Wirklichkeit.
Denn wenn wir leben, leben wir für den Herrn. Und wenn wir sterben, sterben wir für den Herrn. Ob wir nun leben oder ob wir sterben – immer gehören wir dem Herrn!Welch eine wunderbare Gewissheit!
Wir werden alle vor dem Richterstuhl Gottes stehen.
"Ich komme fast nie in den Neun-Uhr-Gottesdienst", hat mir eine ältere Dame aus der Gemeinde vor einiger Zeit gesagt. "Mir fällt es einfach schwer, so früh schon fertig gerichtet für die Kirche zu sein." Seither fällt mir jedes Mal, wenn ich vom Weltgericht höre, diese nette Dame ein. Denn mit ihrer schwäbischen Redewendung hat sie es ungewollt, aber treffend auf den Punkt gebracht, dass wir beim "Gericht" oft völlig falsche Bilder im Kopf haben. Was heißt denn eigentlich "richten"?
Hast du dir heute Morgen "die Haare gerichtet"? Als du da vor dem Spiegel standst und diese eine, rebellische Strähne einfach nicht ihren Platz finden wollte, da hast du ihr sicher nicht mit Höllenqualen und ewigem Feuer gedroht. Nein! Mit Geduld und Können und Hilfsmitteln, die hier ungenannt bleiben, hast du die Frisur in die richtige Form gebracht. Und dann warst du "gerichtet". Das Erscheinungsbild stimmt wieder. Alles in Ordnung.
Wir werden alle vor dem Richterstuhl Gottes stehen.
Und das ist eine gute Nachricht! Es wäre ja schlimm, wenn Gott den Zustand dieser Welt mit all ihrer himmelschreienden Ungerechtigkeit, mit Leid, mit den entsetzlichen Kriegen, an die der Volkstrauertag heute erinnert und die immer noch kein Ende haben, mit Rassismus und Missbrauch, mit millionenfachem Tod, mit der tiefschwarzen Dunkelheit des Bösen -- und, ja, auch mit meinen Unzulänglichkeiten -- einfach mit einem Achselzucken abtun würde. Wenn Gott sagen würde "Macht doch nichts!" Macht nichts, dass Kinder sterben. Macht nichts, dass Frauen vergewaltigt werden. Macht nichts, dass Menschen dafür gehasst werden, wer und wie sie sind oder wo sie herkommen. Macht nichts, dass Hass und Hetze immer freier ausgesprochen werden. Alles halb so schlimm!
Zum Glück nicht: Gott kommt zum Weltgericht. In Christus nimmt er diese verbogene, verbeulte, befleckte Welt und er "richtet" sie wieder. Er richtet wieder auf, was zerdrückt wurde und am Boden liegt. Er macht wieder gerade, was auf eine schiefe Bahn geriet. Er poliert und beult aus, er schrubbt und bürstet, er biegt zurecht und hämmert gerade, bis alles wieder strahlt und glänzt in der Schönheit, wie nur Gott sie schaffen kann: eine gerechte, gute, unbefleckte Schöpfung. Ein Ort, wo jeder in Frieden leben kann. Eine Welt, die Platz für alle gibt--ohne Leid und Tränen und Tod.
Gott richtet die Welt. Das ist die beste Nachricht, die es geben kann.
Wir werden alle vor dem Richterstuhl Gottes stehen.
Geliebte Gottes,
schaut, als Nachfolger:innen Jesu Christi können wir Gottes Gericht an der Welt doch nur durch die Brille dessen sehen, was wir in Christus über Gott gelernt haben. Wir können den richtenden Gott doch nur als den sehen, dessen Wesen durch und durch und uneingeschränkt und von Grund auf Liebe ist. Wir können in dem Richter doch nur den erkennen, der sich in Christus uns selbst schenkt, seine Gerechtigkeit, sein Leben, der nur das Beste für uns im Sinn hat. Wir können doch nur über das Weltgericht nachdenken und reden, wenn wir gleichzeitig vom Schöpfer reden, der gerne schafft, was rein und gut ist. Und dem wir gehören, vom Anfang bis zum Ende, im Leben wie im Sterben und auch--das dürft ihr niemals ausklammern!--im Weltgericht.
Geliebte Gottes,
Das ist genau das, was Paulus nur wenige Seiten zuvor in einem der schönsten Texte des Neuen Testaments zu Wort gebracht hat:
31 Was sollen wir noch mehr sagen? Wenn Gott für uns ist, wer kann sich dann noch gegen uns stellen? 32 Er hat ja seinen eigenen Sohn nicht verschont. Vielmehr hat er ihn für uns alle in den Tod gegeben. Wenn er uns aber seinen Sohn geschenkt hat, wird er uns dann nicht auch alles andere schenken? 33 Wer kann also Anklage erheben gegen die Menschen, die Gott ausgewählt hat? Gott selbst erklärt sie doch für gerecht! 34 Wer kann uns da noch verurteilen? Schließlich tritt doch Christus Jesus für uns ein – der gestorben ist, mehr noch: der auferweckt wurde und an der rechten Seite Gottes sitzt. 35 Was kann uns von Christus und seiner Liebe trennen? Etwa Leid, Angst oder Verfolgung, Hunger oder Kälte, Gefahr oder gar die Hinrichtung? 36 Schließlich heißt es ja in der Heiligen Schrift: »Weil wir uns zu dir bekennen, bedroht man uns täglich mit dem Tod. Wie Schlachtvieh werden wir behandelt.« 37 Doch aus alldem gehen wir als strahlende Sieger hervor. Das haben wir dem zu verdanken, der uns so sehr geliebt hat. 38 Ich bin zutiefst überzeugt: Nichts kann uns von der Liebe Gottes trennen – nicht der Tod und auch nicht das Leben, keine Engel und keine weltlichen Mächte, nichts Gegenwärtiges und nichts Zukünftiges und auch keine andere gottfeindliche Kraft. 39 Nichts Über- oder Unterirdisches und auch nicht irgendetwas anderes, das Gott geschaffen hat – nichts von alledem kann uns von der Liebe Gottes trennen. In Christus Jesus, unserem Herrn, hat Gott uns diese Liebe geschenkt. (Römer 8,31-39 [BB])Geliebte Gottes,
Genauso gelassen, genauso getrost, wie ich im Vertrauen auf Gott leben darf und sterben kann, genauso gelassen und getrost darf ich seinem Gericht entgegen sehen.
Wir werden alle vor dem Richterstuhl Gottes stehen.
Und das ist gut so. Gott richtet die Welt. Bis alles wieder recht und gerade ist.
Wir werden alle vor dem Richterstuhl Gottes stehen.
Was macht das nun alles hier und jetzt mit mir, muss man mit Paulus fragen?
"So wird jeder von uns vor Gott Rechenschaft über sich selbst geben müssen.", schreibt der Apostel. Denn das Nachdenken über Gottes Gericht, auch über sein gnädiges Zurechtrücken der Welt, bringt mich zum Nachdenken über mich selbst. Betroffen stelle ich fest, dass ich ja selbst Teil dessen bin, was erst einmal wieder "gerichtet" werden muss. Dass ich selbst oft Tendenzen in mir trage, die der rebellischen Strähne in meiner Frisur nicht unähnlich sind. Solche unangenehmen Wahrheiten tun weh. Sie bringen mich zu dem Wunsch, dass das Zurechtbringen vielleicht nicht erst in Gottes Ewigkeit stattfinden möge. Ich möchte heute richtig leben. Ich möchte nicht eine Delle in Gottes schöner Schöpfung sein, sondern den Glanz seiner Gerechtigkeit widerspiegeln. "Herr, ich bringe dir alles, was schief ist in meinem Leben. Ich bringe dir Schuld, die ich auf mich geladen habe. Vergib und verändere du, Gott!", rufe ich zu ihm. Und ich freue mich, wenn Gottes Heiliger Geist schon jetzt beginnt, Dinge in meinem Leben wieder geradezurücken. "Herr, mit deiner Hilfe, will ich verändert leben.", bete ich.
Dieser Blick auf mein Leben tut mir gut.
Wir werden alle vor dem Richterstuhl Gottes stehen.
Was mir dagegen gar nicht gut tut, ist der Blick zur Seite. Es ist so viel einfacher, die Fehler bei anderen zu finden. In der Vielzahl unterschiedlicher Lebensentwürfe den meinen als Maßstab zu nehmen und bei den anderen immer zu wissen, was da "gerichtet" werden müsste. Wie schnell nehme ich selbst in Gedanken auf dem Richterstuhl Platz. Dabei ist es doch nicht meine Aufgabe, das Leben der anderen zu "richten".
"Lasst uns aufhören, uns gegenseitig zu verurteilen! Achtet vielmehr darauf, den Bruder oder die Schwester nicht zu Fall zu bringen. Werdet auch nicht zum Stolperstein für sie.", schreibt Paulus.
Geliebte Gottes,
Was wenn auch unser Blick auf die anderen von genau der Gelassenheit bestimmt würde, mit der wir selber leben und einst sterben werden?
Lasst es das sein, woran wir uns festhalten. Lasst es das sein, womit wir gemeinsam durch's Leben gehen--was wir uns zurufen, womit wir uns gegenseitig trösten und aufrichten. Lasst es das sein, womit wir getrost ins Sterben gehen. Lasst es das sein, was uns in freudiger Erwartung auf das Weltgericht zugehen lässt, dass wir dem Weltenrichter zurufen wie die Christ:innen vor uns: "Komm, Herr Jesus! Komm bald!" Lasst dies unsere Gewissheit sein in Leben und Sterben und im Gericht:
7 Keiner von uns lebt nur für sich selbst und keiner stirbt nur für sich selbst. 8 Denn wenn wir leben, leben wir für den Herrn. Und wenn wir sterben, sterben wir für den Herrn. Ob wir nun leben oder ob wir sterben – immer gehören wir dem Herrn! 9 Denn dafür ist Christus gestorben und wieder lebendig geworden: Er sollte der Herr sein über die Toten und die Lebenden. (Römer 14,7-9)Amen.

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